Herpes zoster verstehen: Ursachen, Risikofaktoren und Pflege
Herpes zoster (Gürtelrose) betrifft vor allem ältere Menschen und geht mit brennenden Schmerzen sowie infektiösen Hautbläschen einher. In der Folge können sich Narben entwickeln und es kann zu Komplikationen wie postzosterische Neuralgien kommen.
Was ist Herpes Zoster (Gürtelrose)?
Bei Herpes zoster (Gürtelrose, Gesichtsrose, Kopfrose) handelt es sich um eine Infektionserkrankung der Nervenzellen, die durch Varizella-zoster-Viren verursacht wird. Typische Symptome bei Herpes zoster sind1-5:
- Starke, brennende Schmerzen
- Mitunter Juckreiz (Pruritus)
- Halbseitig-segmentale, auftretende Bläschen im Hautareal des betroffenen, meist sensorischen Nervs, vor allem im Bereich des Rumpfs, des Brustkorbs und des Kopfes (Dermatome von T3 bis L3); selten generalisiert (z. B. bei Immunsuppression).
Weitere mögliche Lokalisationen von Herpes zoster sind1:
- Augen: Zoster ophthalmicus (bei Befall des Nervus trigeminus)
- Ohren: Zoster oticus
- Trigeminusnerv (Zoster maxillaris)
- Genitalbereich: Zoster genitalis
Von Schmerzen bis Krustenbildung: So verläuft Herpes zoster
Wichtig ist, Herpes zoster mit seinem typischen Verlauf rechtzeitig zu erkennen (Tab. 1).5
Tab. 1: Typischer Verlauf bei Herpes zoster
Zeitpunkt | Klinisches Bild |
---|---|
2 bis 3 Tage vor dem Auftreten eines erkennbaren Ausschlags | Schmerzen oder taktile Empfindlichkeit mit unterschiedlicher Intensität bis zur Beeinträchtigung der Lebensqualität. |
Tag 1 und 2 des Ausschlags | Zunächst entsteht ein Ausschlag als makulopapulöses Erythem (knotig-fleckige Hautrötung), aus der sich in ein bis zwei Tagen Bläschen entwickeln. |
Tag 3 bis 5 des Ausschlags | Es bilden sich Erosionen und Krusten – in schweren Fällen auch Ulzerationen. |
Nachfolgende 2 bis 4 Wochen | Die Hautläsionen heilen, wobei Narben und Pigmentierungen der Haut zurückbleiben können. |
Etwa jeder fünfte Patient entwickelt zudem systemische Symptome wie Fieber, Kopfschmerz, Unwohlsein und Müdigkeit. In Einzelfällen können die Schmerzen auftreten, ohne dass ein Hautausschlag entsteht.5
Was ist die Ursache von Herpes zoster?
Der Erreger von Herpes zoster, das Varizella-zoster-Virus, kann zwei unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen1:
- Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion.
- Herpes zoster (Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung (Sekundärerkrankung).
Das heißt, Herpes zoster entwickelt sich bei Menschen, die vorher an Varizellen erkrankt waren. Denn die Varizella-zoster-Viren bleiben nach der überstandenen Erkrankung weiter in den Nervenzellen und können reaktiviert werden. In der Folge können sich die Nerven entzünden (Schmerzen, Juckreiz) und entlang des betroffenen Nervs können sich Bläschen bilden – vor allem an dessen Verzweigungen.1,5
Wie ansteckend ist Herpes zoster?
Im Gegensatz zu einer hoch ansteckenden Varizellen-Erkrankung ist Herpes zoster nicht stark ansteckend, da nur die Flüssigkeit in den Hautbläschen Viren enthält. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt mit dem Auftreten des Exanthems (Hautbläschen) und dauert meist fünf bis sieben Tage an.1
Wie häufig tritt Herpes zoster auf?
In Deutschland gehört Herpes zoster nicht explizit zu den meldepflichtigen Erkrankungen gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz. Dagegen müssen Varizellen-Erkrankungen (Windpocken) gemeldet werden. Allerdings sind direkte oder indirekte Nachweise von Varizella-zoster-Viren zu melden, wenn sie auf eine akute Infektion hinweisen.1 Nach den Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen erkranken in Deutschland mehr als 300.000 Menschen im Jahr an Herpes zoster. Besonders betroffen sind Menschen ab 50 Jahren.2 Die Erkrankungsrate nimmt mit dem Lebensalter zu. Sie beträgt 6 pro 1.000 Personen mit 50 Jahren und verdoppelt sich auf 13 pro 1.000 Personen im Alter von 90 Jahren.5
Es wird vermutet, dass jeder Zweite, der das 85. Lebensjahr erreicht, einmal im Leben an Herpes zoster erkrankt.1
Was sind die Risikofaktoren für Herpes zoster?
Ein erhöhtes Risiko, an Herpes zoster zu erkranken, haben vor allem ältere Menschen und Personen mit einem geschwächten Immunsystem wie beispielsweise bei einer HIV-Infektion oder angeborenen Immunschwäche.1 Es wird vermutet, dass eine Störung des Immunsystems die Reaktivierung der Varizella-zoster-Viren begünstigt. Zu deren Reaktivierungsauslösern gehören unter anderem6:
- Emotionaler Stress
- Einnahme von immunsupprimierenden Medikamenten
- Akute oder chronische Erkrankungen
- Bestehende Krebserkrankung
- Exposition gegenüber Varizella-zoster-Viren
- Örtliche Provokation (Zoster traumaticus)
- Röntgen- und UV-Strahlung (Sonnenexpostion z. B. im Urlaub)
Was sind Differentialdiagnosen zu Herpes zoster?
Herpes zoster zeigt in der Regel ein typisches Krankheitsbild, sodass eine Differentialdiagnostik selten erforderlich ist („Blickdiagnose“).1,5 Es gibt jedoch einige Erkrankungen, die sich im klinischen Bild ähneln können, darunter6:
- Windpocken sowie andere virale Infektionen mit dermatologischen Manifestationen wie mit Herpes simplex oder Kuhpocken.
- Zellulitis
- Reaktionen auf das Gift von Nesseltieren (zum Beispiel Quallen)
- Insektenstiche
- Erysipel
- Ekthyma
- Follikulitis
- Lichen striatus
- Irritierende Kontaktdermatitis
Zur Abklärung bei atypischen Krankheitsbildern kann ein labordiagnostischer Nachweis der Varizella-zoster-Viren, zum Beispiel aus der Bläschen-Flüssigkeit oder dem Liquor, sinnvoll sein1:
- Direkte Methoden sind die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), der spezifische Antigennachweis mittels Immunfluoreszenztest sowie die Virusisolierung mithilfe von Zellkulturen (sehr zeitaufwendig und wenig sensitiv)
- Als indirekte Methode hat der Nachweis spezifischer IgA-Antikörper eine hohe Aussagekraft.
Mehr zur Kontaktdermatitis können Sie im Beitrag „Ekzeme in der Wundumgebung – Ursachen, Unterschiede und Behandlung“ nachlesen.
Wie wird Herpes zoster behandelt?
Die Herpes-zoster-Therapie besteht aus drei Elementen.1,7
Antivirale Therapie
Bei Menschen ohne Risikofaktoren verläuft Herpes zoster meist ohne Komplikationen und typischerweise selbstlimitierend. Daher ist es das Ziel einer antiviralen Therapie, die Heilung der Hautläsionen zu unterstützen und das Nachlassen der Schmerzen zu beschleunigen. Außerdem kann die Gabe von Virostatika das Risiko einer postzosterischen Neuralgie (sehr starke Nervenschmerzen nach überstandener Erkrankung) reduzieren. Das therapeutische Vorgehen unterscheidet sich nach Risikogruppen:
- Menschen mit einem intakten Immunsystem (immunkompetent) erhalten in der Regel orale Virostatika.
- Menschen mit einer Immunschwäche werden parenteral mit antiviralen Medikamenten behandelt. Das gilt auch bei Komplikationen wie Zoster im Kopf-Hals-Bereich.
Schmerztherapie
Bei Patienten und Patientinnen im Alter von über 50 Jahren treten Zoster-assoziierte Schmerzen in über 95 % der Fälle auf. Es können dabei drei Schmerzformen auftreten:
- Sogenannte „Wundschmerzen“ (nozizeptive Schmerzen), die durch die akute Entzündungsreaktion entstehen.
- Akute Zosterneuralgien (neuropathische Schmerzen) entstehen durch die Ausbreitung der Viren entlang der Nervenzellen.
- Postzosterische Neuralgien sind dermatomale Schmerzen, die länger als drei Monate nach der Abheilung der Hautläsionen fortdauern.
Nozizeptive Schmerzen im Zusammenhang mit Herpes zoster werden mit systemisch wirkenden Schmerzmitteln behandelt, deren Wahl sich nach der Schmerzintensität richten. Maßgeblich dafür ist das Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation zur Schmerzbehandlung. Es reicht von nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) bei leichten Schmerzen bis hin zu Opioiden bei hoher Schmerzintensität. Patienten mit neuropathischen Schmerzen erhalten zusätzlich Antikonvulsiva.7
Lokaltherapie der Haut
Eine Lokaltherapie der betroffenen Hautareale verfolgt vier Ziele:
- Förderung der Heilung (zum Beispiel durch Aufweichen und Lösen der Krusten)
- Verhinderung einer bakteriellen Infektion
- Subjektive Linderung im akuten Stadium
- Gezielte Schmerztherapie
Wichtig ist eine stadiengerechte Lokaltherapie:
- Frisches Bläschenstadium: kühlende, entzündungshemmende oder aseptische Lösungen
- Verkrustete Bläschen: aseptische und krustenlösende Gele
Nach der aktuellen S2k-Leitlinie ist eine austrocknende oder adstringierende Lokaltherapie nicht förderlich für die Wundheilung.
Bei Komplikationen wie Zoster ophthalmicus gelten weiterführende Empfehlungen wie zum Beispiel die Behandlung mit antiviralen Augensalben oder – sofern bei Augenentzündungen indiziert – mit Kortisonsalben.7
Prävention: Schutz vor Herpes zoster
Eine Erkrankung mit Herpes zoster lässt sich mit verschiedenen Maßnahmen verbeugen:1
Impfung / aktive Immunisierung
Die beste Präventionsmaßnahme vor Herpes zoster ist eine Impfung.1 Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt den folgenden Personengruppen eine zweimalige Impfung mit einem Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens zwei bis maximal sechs Monaten8:
- Alle Menschen ab 60 Jahren
- Menschen ab 50 Jahren mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung infolge einer Grunderkrankung wie beispielsweise angeborener oder erworbener Immunschwäche, chronisch-entzündlichen Erkrankungen (wie Rheumatoider Arthritis), chronischen Lungenerkrankungen oder Diabetes mellitus
Hygienemaßnahmen
Herpes zoster wird durch direkten oder indirekten Kontakt mit dem virushaltigen Inhalt der Hautbläschen übertragen. Das Risiko für eine Übertragung der Viren lässt sich durch eine strenge Einhaltung der Basishygiene, mit der Anwendung viruzider Desinfektionsmittel sowie durch eine vollständige Abdeckung der Hautläsionen reduzieren. Die Kommission für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene (KRINKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt zudem eine Isolierung von stationär versorgten Patienten in einem Einzelzimmer, bis alle Läsionen vollständig verkrustet sind.1
Der Beitrag „Aktive und passive Immunisierung erklärt“ fasst die wichtigsten Hintergründe und Empfehlungen rund um das Impfen zusammen.
Mögliche Komplikationen bei Herpes zoster
Bei Herpes zoster kann es zu schweren und zum Teil lebensbedrohlichen Komplikationen kommen, zum Beispiel:5,9
- Postzosterische Neuralgie: Mit einem Risiko von 5 % bis 32 % der Fälle können postzosterische Neuralgien auftreten. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter, insbesondere bei Menschen ab 70 Jahren. Diese Schmerzen können in Einzelfällen lebenslang persistieren.
- Zoster ophthalmicus bei einem Befall des Nervus trigeminus: Ohne Behandlung kann der Zoster ophthalmicus zu Binde-, Hornhaut- und Iris-Entzündungen (Konjunktivitis, Keratitis und Iritis) sowie zum Glaukom (grüner Star), einem Hornhautulkus oder sogar zur Erblindung führen.
- Zoster oticus: Bei einem Befall des Ohrs kann es neben den Hautläsionen zu einer Entzündung des Nervus facialis (Gesichts-/Hirnnerv) mit einer Gesichtslähmung (Facialisparese) kommen. Außerdem kann sich bei einer Neuritis (Nervenentzündung) im Bereich des Innenohres das Hörvermögen bis hin zur Taubheit verschlechtern. Betrifft die Neuritis das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan) sind Schwindelgefühle und Nystagmus (unkontrolliertes Augenzittern) möglich.
Weitere mögliche Komplikationen (in jeweils 1 % bis 2 % der Fälle) sind: bakterielle Superinfektionen, periphere Nervenlähmungen, sensorischer Verlust oder Hirnentzündungen (Zosterenzephalitis).5,9
Kritisch sind Herpes-zoster-Verläufe mit sich ausbreitenden und / oder sich miteinander verbindenden Hautläsionen. Dadurch können einzelne Organe geschädigt werden und es kann sogar zum Multiorganversagen (viszeraler Zoster) mit häufig tödlichem Ausgang kommen.7
Wie werden Wunden bei Patienten mit Herpes zoster versorgt?
Die durch Herpes zoster verursachten Hautbläschen entstehen aus den freien Nervenendigungen in der dermoepidermalen Junktionszone. Sie betreffen sowohl die Epidermis als auch die retikuläre Dermis. Diese dermalen Wunden können sich in der Folge entzünden und es können sich Narben oder sogar Keloide (wuchernde, verdickte und dauerhafte Narben) entwickeln.3
Umso wichtiger ist eine frühzeitige Versorgung dieser Wunden aufgrund von Herpes-zoster-Bläschen mit feuchtigkeitsspeichernden Verbandmitteln.3 Sie können zum einen das Ansteckungsrisiko verringern, das von der virushaltigen Bläschenflüssigkeit ausgeht (zum Beispiel Hydrokolloid-Verbände als antivirale Barriere).1,3 Zum anderen kann eine sorgfältige Wundversorgung Schmerzen, Juckreiz und die Heilung verbessern, wodurch das Risiko für die folgenden Komplikationen vermindert werden kann3:
- Hautschäden durch das Kratzen
- Narbenbildung
- Sekundärinfektionen
- Kontaminationen der Augen (zum Beispiel, wenn mit den Händen vorher an den Wunden gekratzt wurde)
Im Beitrag „Narben – Physiologie, Narbenprophylaxe und Narbenpflege“ finden Sie mehr Informationen zum Umgang mit Narben.
Herpes zoster und Wunden durch Selbstverletzungen10
Wunden können nicht nur in der akuten Herpes-zoster-Phase entstehen, sondern auch bei Patienten mit postzosterischer Neuralgie. Durch den viralen Befall der Nervenzellen spüren manche Patienten einen starken Juckreiz und sie beginnen sich zu kratzen. Gesunde würden mit der Zeit damit aufhören, weil das Kratzen schmerzt. Dieser selbstschützende Mechanismus kann jedoch versagen, wenn der Juckreiz in einem Hautareal ohne Schmerzempfinden auftritt, weil dort die Nervenzelle geschädigt ist. In der Folge kann es zu schweren Selbstverletzungen durch das Kratzen kommen.
Ein besonderer Fall: Herpes zoster maskiert sich als Dekubitus11
Ein nicht erkannter Herpes zoster kann tragische Folgen haben, wie dieser Fall aus den USA zeigt.
Bei einem 74-jährigen Mann bestand seit vier Monaten eine nicht heilende Wunde am Kreuzbein mit einer Fläche von 2 cm x 3 cm x 0,5 cm:
- Der rote und körnige Wundgrund reichte durch das subkutane Gewebe.
- Die Wundumgebung wies eine leichte Mazeration auf.
- Am Wundrand war eine Epibolie des Gewebes zu erkennen.
- Es bestanden keine klinischen Anzeichen und Symptome einer Infektion.
Man diagnostizierte einen Dekubitus Grad 4 und es wurden die folgenden Maßnahmen eingeleitet:
- Scharfes Débridement
- Kollagenapplikation auf dem Wundgrund, Abdeckung mit einer Mullbinde
- Druckentlastung mit Wechseldruckmatratze und einem speziellen Sitzkissen
- Regelmäßiges Umlagern durch die Pflegefachkraft
Trotz dieser Pflegemaßnahmen verschlechterte sich die Wunde und zwei Monate später entwickelte sich eine Satellitenläsion in einem nicht druckbelasteten Bereich des Gesäßes. Eine mikrobiologische Untersuchung wies eine starke bakterielle Infektion mit Pseudomonas nach.
Nach weiteren Laboruntersuchungen wurde der Mann mit systemischen Antibiotika behandelt und die Wunde wurde mit Silberalginat und einem voluminösen Sekundärverband versorgt. Außerdem erhielt er ein Nahrungssupplementation, um die Wundheilung zu unterstützen.
Trotzdem verschlechterte sich die Wunde weiter und breitete sich auf die Analregion aus. Der Patient hatte sehr starke Schmerzen beim Stuhlgang. Es bestand ein Verdacht auf Sepsis und der Patient wurde stationär aufgenommen. Im Krankenhaus wurde eine Biopsie der Wunde durchgeführt. Die Histologie zeigte Herpesviruseinschlüsse in der Gewebeprobe und die immunhistochemische Färbungen für Varizella-zoster-Viren waren positiv. Trotz sofortiger Behandlung mit Virostatika verstarb der Patient kurze Zeit später.