Dekubitusprophylaxe: Wann welche Positionierung?

Dekubitusprophylaxe: Wann welche Positionierung?

Regelmäßige Positionswechsel sind wichtig, um einem Dekubitus wirksam vorzubeugen. Wie oft sollten Menschen mit Dekubitusrisiko gelagert werden? Welche Positionierungen eignen sich?

Gefährdete Hautbezirke (Prädilektionsstellen) müssen von Druck entlastet werden. Das ist der zentrale Ansatz der Dekubitusprophylaxe. Auch der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege fordert: Sind Patienten und Bewohner gefährdet, müssen sie unverzüglich nach der Risikoerkennung eine Druckentlastung erhalten, zum Beispiel über Bewegung, Positionswechsel und Lagerung. Reichen diese Maßnahme nicht aus, sind ergänzend druckverteilende oder druckentlastende Hilfsmittel einzusetzen. 

Wie oft muss positioniert werden?

Diese Frage wird häufig gestellt, auch wenn es keine eindeutige Antwort gibt. Früher galt eine zweistündliche Umlagerung als Muss, wenn Patienten und Bewohner keine ausreichende Eigenbewegung hatten. Heute wird empfohlen, das Wechsellagerungsintervall individuell zu bestimmen. Es kann – je nach Dekubitusrisiko – kürzer, aber auch länger als 2 Stunden sein.

In Studien konnte laut dem Expertenstandard Dekubitusprophylaxe kein eindeutiger Vorteil für bestimmte Wechselintervalle gefunden werden. Dabei wurden Intervalle zwischen 2 und 6 Stunden untersucht. Unabhängig von der Frequenz wurde festgestellt, dass einem Dekubitus Kategorie I–IV durch eine Wechsellagerung vorgebeugt werden kann.

Dekubitusgefährdete Körperstellen, schematische Darstellung
Abbildung: Darstellung gefährdeter Körperbezirke (Prädilektionsstellen).

Doch wie lässt sich erkennen, ob ein Wechselintervall ausreichend ist? Bei jedem Patientenkontakt wird eine gründliche Hautinspektion der besonders gefährdeten Hautareale empfohlen. Jede Rötung kann ein Hinweis auf die Entwicklung eines Dekubitus sein. Zur Beurteilung wird dazu die „Finger-Methode“ angewendet. Bei dieser Methode drückt ein Finger gegen eine gerötete Hautstelle, welche meist über Knochenvorsprüngen liegt. Lässt sich die Rötung nicht wegdrücken, bleibt die Haut also gerötet, liegt bereits eine Gewebsschädigung vor (Kategorie I). Bei wegdrückbaren Rötungen sollten die Wechselintervalle verkürzt werden. Dabei sollte die Person möglichst so positioniert werden, dass die gerötete Hautstelle nicht weiter durch Druck belastet wird. Spätestens bei einer nicht wegdrückbaren Rötung muss die pflegebedürftige Person direkt umgelagert werden, um weiteren Gewebeschäden vorzubeugen. 

Im besten Fall sollte die „Finger-Methode“ bei jedem Positionswechsel erfolgen. 

Welche Positionierungen eignen sich?

Regelmäßige Positionswechsel sorgen dafür, dass gefährdete Hautbezirke wirksam von Druck entlastet werden. Doch welche Positionen sind besonders effektiv? Vorgestellt werden im Folgenden die 30°-Position, die 135°-Position und Freilagerungen. Von der 90°-Position wird abgeraten, da hier ein hoher Druck auf den Trochanter major (großer Rollhügel, dient als Ansatz der Gesäßmuskulatur) ausgeübt wird. Auch war in Studien laut dem Expertenstandard nicht eindeutig, ob eine 90°-Wechsellagerung einem Dekubitus ausreichend vorbeugen kann. 

Welche Positionierung ausgewählt wird, richtet sich immer nach der pflegebedürftigen Person. Die Position sollte für sie bequem sein und den persönlichen Vorlieben entsprechen. Krankheitsbedingte Indikationen und Kontraindikationen sind dabei zu berücksichtigen.

30°-Position: Die 30°-Seitenwechselpositionierung in liegender Position ist die bekannteste Form der Positionierung. Sie ist sehr effektiv zur Dekubitusprophylaxe und wird in mehreren Leitlinien empfohlen. Auch der Expertenstandard empfiehlt die 30°- bzw. 40°-Seitenlage bei Erwachsenen. Bei dieser sollte zwischen Rechtsseiten-, Rücken- und Linksseitenlage gewechselt werden. 

Bei der 30°-Position ist das Bett flach gestellt oder das Kopfteil ein wenig erhöht. Die Person liegt leicht zur Seite gedreht. Belastet wird entweder die rechte oder die linke Gesäß- bzw. Körperhälfte. Diese Stellen sind in der Regel gut abgepolstert und es befinden sich darunter keine Knochenvorsprünge. Die Position kann zum Beispiel mithilfe von 2 großen Kissen erreicht werden, die auf die Hälfte gefaltet werden. Das erste Kissen wird entlang der Wirbelsäule unter den Rücken gelegt, das zweite unter den entsprechenden Oberschenkel. Die Fersen werden dabei freigelagert, der Sakralbereich wird entlastet.

Zeichnung einer 30-Grad Dekubitus Lagerung
Die 30°-Position ist die bekannteste Form der Seitenwechselpositionierung.
Zeichnung einer 135-Grad Dekubitus Lagerung
Abbildung: Die 135°-Position ist eine effektive Maßnahme zur Dekubitusprophylaxe.

135°-Position: Auch die 135°-Seitenwechselpositionierung ist eine effektive Position zur Dekubitusprophylaxe. Sie wird von den meisten Personen als angenehm empfunden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie im Fall eines bereits vorhandenen Druckgeschwürs den Sakralbereich entlastet. 

Auch für diese Position werden 2 große Kissen genutzt. Dabei wird eines unter die eine Hälfte des Oberkörpers gebracht und das andere unter die entsprechende Hüfte und den Oberschenkel gelegt. Die Person befindet sich beinahe in Bauchlage. Besonders gefährdete oder bereits betroffene Hautpartien können zudem durch eine Freilagerung entlastet werden.

Freilagerungen: Diese Position eignet sich besonders gut für die Fersen. Als Lagerungshilfsmittel kann ein einfaches Handtuch dienen, das als Brezel zusammengefaltet wird. Bei der Freilagerung ist darauf zu achten, dass die Ferse vollständig freigelagert ist und kein Druck auf andere Körperstellen ausgeübt wird, z. B. Achillessehnen oder die Blutzirkulation beeinträchtigt werden. Auch sollte darauf geachtet werden, dass das Knie nicht überstreckt ist. Dies kann mit einer Handtuchrolle unter dem Knie leicht vermieden werden.

Laut dem Expertenstandard sind Gummi- oder andere Ringe für die Freilagerung von Körperstellen ungeeignet, da ihr Einsatz zu einer erhöhten Druckeinwirkung an den Seitenrändern der Materialien führt. Auch von Hydrokolloid-Pflastern sowie Fellen und Schaumstoffen für die Fersen wird als druckentlastende Maßnahme abgeraten, da zu diesen Materialien nur unzureichende Studienergebnisse vorliegen.

Brezel-Faltung zur Freilagerung der Ferse, Schema
Abbildung: Druckentlastung durch Brezel-Faltung zur Freilagerung der Ferse.
Zeichnung einer gefalteten Unterlage gegen Dekubitus
Abbildung: Die 3-fach-Faltung eines Handtuchs zur Druckentlastung im Schulter- oder Gesäßbereich.

Mikropositionswechsel – eine unterstützende präventive Maßnahme

Mikropositionierungen orientieren sich an den Mikrobewegungen, die ein gesunder Mensch ganz automatisch ausführt. Hierbei werden kleinste Schwerpunktverlagerungen umgesetzt. Mittlerweile gilt als gesichert, dass diese ausreichen, um prophylaktisch wirksam zu sein. Werden physiologische Bewegungsmuster in ihrer Häufigkeit und Kontinuität nachgeahmt, können Sekundärerkrankungen wie Dekubitus, Pneumonie, Thrombose und Kontrakturen vermieden werden. Allerdings ersetzt die Mikrolagerung nicht den regelmäßigen Positionswechsel. Sie dient ausschließlich der zeitweiligen Entlastung (Druckverteilung).

Was sind Mikro- und Makrobewegungen?

Mikrobewegungen: Ein gesunder Mensch führt im Liegen/Sitzen pro Stunde etwa zwischen 12 und 40 Mikrobewegungen durch. Dabei verändert er durch kleine Bewegungen seine Druckbelastung, ohne dass er seine Körperhaltung grundsätzlich ändert, z. B. Kippen des Beckens, abspreizen des Arms, verlagern des Gewichts von einer Gesäßhälfte auf die andere.

Makrobewegungen: Ein gesunder Mensch führt im Liegen/Sitzen pro Stunde zwischen 4 und 8 Makrobewegungen durch. Das sind komplette Körperpositionswechsel, mit denen es zu einer vollständigen Druckentlastung kommt, z. B. Aufstehen, Drehen vom Rücken- in die Bauchlage.

Bei der Mikrolagerung wird ein Lagerungshilfsmittel, z. B. ein Gelkissen, im Uhrzeigersinn unter folgende Körperbereiche geschoben.

Alle Maßnahmen dokumentieren

Der Expertenstandard fordert, alle Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe zu dokumentieren, damit sie vollständig, inhaltlich plausibel und für alle Beteiligten leicht nachvollziehbar sind. Wird von geplanten Interventionen abgewichen bzw. werden diese nicht durchgeführt, ist dies zu begründen und es sind Konsequenzen für das weitere Vorgehen transparent zu machen. Erforderlich sind Angaben:

  • Zur genauen Form der Bewegungsunterstützung oder Positionierung
  • Zu den ausgewählten Hilfsmitteln
  • Zur geplanten Häufigkeit und Zeitpunkt der Durchführung
  • Zu relevanten Patienten-/Bewohnerfaktoren für die Durchführung, z. B. Präferenzen, Schmerzbelastung, Sturzrisiko
  • Zu einem späteren Zeitpunkt: wiederholte Einschätzung des Dekubitusrisikos und der zugrundeliegenden Kriterien

Es ist eine Kernaufgabe der Pflege, einen Dekubitus zu vermeiden. Die regelmäßige Druckentlastung mittels Bewegungsförderung, aber auch Positionswechsel haben dabei einen zentralen Stellenwert. Dies erfordert umfangreiches Wissen sowie regelmäßige Schulungen der Pflegekräfte.

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.