Wundrand und Wundumgebung als Indikatoren für Wundheilung nutzen

Wundrand und Wundumgebung als Indikatoren für Wundheilung nutzen

Der Wundrand bezeichnet den Übergang von einer Wunde zur intakten Haut. Unter den Begriffen Wundumgebung oder Wundumgebungshaut ist die unmittelbar an den Wundrand angrenzende Haut zusammengefasst.

Die fachgerechte Beschreibung des Wundrandes und seiner Umgebung lässt Rückschlüsse auf den Heilungsverlauf und mögliche Wundheilungsstörungen zu.

Wunden heilen im Allgemeinen von außen nach innen. Die Bildung von Narbengewebe und dessen Epithelisierung finden am Wundrand statt. Deshalb müssen Wundrand und die direkt daran angrenzende Wundumgebung vital bleiben. Erste Anzeichen von Wundheilungsstörungen oder leblosem (avitalem) Gewebe sollten ernst genommen und fachgerecht behandelt werden. Besonders bei großen und chronischen Wunden ist die Beurteilung von Wundrand und Wundumgebung daher im Rahmen einer professionellen Wunddokumentation sehr wichtig. Dadurch kann die Wundversorgung fach- und stadiengerecht erfolgen.

Wundrand und Wundumgebung beschreiben

Wer eine Wunde fachgerecht versorgen möchte, sollte Wundrand und Wundumgebung zunächst visuell beurteilen.

Auch sollte die betroffene Stelle vorsichtig abgetastet werden, um z.B. Überwärmungen, Verhärtungen (Sklerosen) oder Ödeme zu erkennen. 

Für eine korrekte Beurteilung des Wundrandes und der Wundumgebung sollte man einen vitalen Wundrand durch eine Blickdiagnose erkennen können. Dieser hat die folgenden Merkmale: Er sieht glatt und unauffällig aus und geht flach von der unverletzten Haut in die Wundumgebungshaut über (siehe Bild 1). Diese ist rosig gefärbt und feucht. Im Gegensatz dazu kann ein avitaler Wundrand wulstig erscheinen (siehe Bild 3). 

Fallbeispiel: Ödematöser, mazerierter Wundrand bei chronisch-venöser Insuffizienz
Stark exsudierende Wunde Tag 1

Der Wundrand der in diesem Fallbeispiel behandelten Wunde war mazeriert und zudem ödematös. Lesen Sie hier den dokumentierten Wundverlauf, der letztendlich zur Heilung der Wunde führte.

Fallbeispiel lesen

Vitaler Wundrand:
glatt und unauffällig
flacher Übergang zur unverletzten Haut

Vitale Wundumgebung: 
rosig gefärbt
feucht

 

Aufbau einer Wunde grafisch veranschaulicht
Bild 1: Grafische Darstellung: Wundrand und Wundumgebungshaut

Begriffe zur Beschreibung des Wundrandes, der Wundumgebung und dem Versorgungszustand der Haut

  • Für die Beschreibung des Wundrandes können folgende Begriffe verwendet werden: flach, wulstig (s. Bild 3), unterminiert, zerklüftet, hyperkeratös (verhornt), vital/avital, intakt/livide, gerötet, mazeriert, wie ausgestanzt.
  • Die Wundumgebungshaut wird zunächst nach ihrer Farbe beurteilt: livide, rosig, weiß, gerötet.
  • Dann wird der Versorgungszustand der Haut beschrieben: trocken, schuppig, feucht, rissig, haarlos (s. Bild 4), überwärmt, ödematös, ekzematös.

All diese Begriffe sagen etwas über die Wunde bzw. ihren Heilungsverlauf aus. Optimale Voraussetzungen für eine gute Wundheilung bietet etwa ein intakter, vitaler Wundrand. Dieser ist glatt und unauffällig, er geht flach von der unverletzten Haut in die Wundumgebungshaut über. Die Wundumgebungshaut ist rosig gefärbt und feucht

Wird demgegenüber der Wundrand aufgrund seiner fahlen Farbe als livide beschrieben, lässt sich das auf eine schlechte Durchblutung zurückführen und kann auf eine tiefe Gewebeschädigung hinweisen.1 Auch eine trockene Haut kann heilungsverzögernd wirken, ist für viele Patienten aufgrund von Juckreiz unangenehm und generell anfälliger für äußere Einflüsse. Ist der Wundrand hingegen mazeriert, erscheint er weiß und ist regelrecht aufgeweicht. Grund dafür ist eine anhaltende Exposition der Wundumgebung mit Flüssigkeiten. Ähnlich wie bei einer zu trockenen Haut kann auch ein mazerierter Wundrand die Wundheilung behindern. Zudem ist die Wunde damit anfälliger für Infektionen.

Granulation wulstiger Rand
Bild 3: Wunde in der Granulationsphase mit wulstigem Wundrand
Ulcus cruris mixtum haarlos Sklerose
Bild 4: Haarlose Wundumgebungshaut, sichtbare Sklerose
Wichtig

Bei der Beschreibung von Wundrand und Wundumgebung gibt es kein Entweder-Oder. Es ist durchaus eine Kombination aus mehreren Wundzuständen möglich.

Wundgrund und Wundbeläge

Ebenfalls wichtig für die Beurteilung der Wunde bzw. ihres Heilungsverlaufes sind der Wundgrund sowie die Beobachtung der Wundbeläge.  

Der Wundgrund kann aufgrund seiner Farbbeschaffenheit beurteilt werden. Dazu wird häufig das Dreifarbenmodell für offene Wunden herangezogen: Bei einer roten Wunde kann es sich um eine oberflächliche Wunde, eine Verbrennung zweiten Grades, eine akute frische Wunde oder eine Operationswunde handeln. Eine cremefarbene bis gelbliche Wunde ist auf das Vorliegen von halbflüssigem oder flüssigem Wundexsudat mit Eiter zurückzuführen. Eine Nekrose wird nach dem Farbmodell als schwarze Wunde benannt. Hier zeigt sich jedoch auch eine Schwäche der Einteilung nach dem Farbmodell, denn eine Nekrose kann im angeweichten oder feuchten Zustand durchaus eine gelbe Farbe annehmen. 

Gerade chronische Wunden neigen häufig dazu verschiedene – mitunter sehr hartnäckige – Wundbeläge zu bilden. Diese sind als Ablagerung auf dem Wundgrund zu erkennen. Während die Fibrinbildung ein natürlicher und sofort einsetzender Prozess ist, können sich im Laufe der Zeit weitere Beläge bilden - dazu zählen Biofilm, Nekrosen, Detritus und Eiter. Diese können die Wundheilung negativ beeinflussen, denn sie stellen ein mechanisches Hindernis für den Prozess des Zellaufbaus dar und sind Nährboden für Bakterien. Eine Infektion kann die Folge sein. 

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Diagnostik rund um die Wunde

Am Zustand von Wundrand und Wundumgebung lassen sich einige Erkrankungen erkennen:

Beschreibung Wundrand und ‑umgebungDiagnose, mögliche UrsachenHinweise zur Wundversorgung
  • keine Verbindung zwischen Wundgrund und Wundrand (Tasche, Höhle, Fistelung)
  • Wundrand kann epithelisiert sein
  • häufig schwierig zu erkennen
  • ​​graue (livide) oder purpurne Färbung der Wundränder
  • v.a. bei Patienten mit Tuberkulose oder Syphilis


Unterminierung – mögliche Ursachen:

  • Infektionen, 
  • avitales Gewebe, Wundheilungsstörungen chirurgischer Eingriff
  • erschwerte Wundversorgung, da Wundauflagen Kontakt zum Wundgrund haben müssen
  • erhöhte Infektionsgefahr
  • verzögerte Wundheilung
  • Wundfüller und passende Wundauflagen für einen lückenlosen Kontakt zum Wundgrund (vgl. tiefe Wunden)
  • nicht erkannt, kann die Wundheilung fälschlicherweise als abgeschlossen und gut verlaufen dokumentiert werden 
  • geschwollener Wundrand
  • gerötete und überwärmte Wundumgebungshaut 
  • Druckempfindlichkeit/
  • Schmerzen 


Infektion – mögliche Ursachen:

  • diverse Krankheitserreger,
  • (bei purpurner Färbung mit Fieber: Streptokokken)
  • Wundreinigung
  • Abstrich
  • Wundtherapie
  • Auswahl geeigneter Wundauflagen
  • Wundumgebung ist aufgequollen, weiß und wasserhaltig
  • Haut juckt und ist degenerativ verändert


Mazeration ( = Aufweichung des Wundrandes) – mögliche Ursachen: 

  • anhaltende Exposition der Wundumgebung mit Flüssigkeiten, wie Wundexsudat, Schweiß, Urin oder Wasser
  • muss immer im Kontext beurteilt werden
  • ​​stark absorbierende Wundauflagen, die viel Flüssigkeit aufnehmen wie Hydrofaserverbände, Schaumstoffwundauflagen oder Superabsorber, Alginate können ebenfalls verwendet werden, dürfen aber nicht über den Wundrand hinaus aufgebracht werden
  • starkes Reiben beim Waschen und Abtrocknen vermeiden
  • Gefahr der Vergrößerung der Wunde
  • gerötete Wundumgebung mit Bläschen, Schuppen oder Krustenbildung
  • Rötung entspricht in Größe und Form etwa der Wundauflage


Ekzem ( = juckender Ausschlag ohne Entzündung) – mögliche Ursache:

  • allergische Reaktion auf die Wundauflage
  • Wechsel zu einer anderen Wundauflage
  • Hautpflege
  • mittelstarke bis starke Glukokortikoide in wässriger Grundlage, in Lösung oder hydrophiler Creme
  • Rötung


Erythem, mögliche Ursache:

  • Inflammation, Infektion, Hypodermitis (CVI)
 

Unterminierung

Tiefe Wunde unterminierung möglich infizierter Dekubitus Sakral
Bild 5: Unterminierter Wundrand einer tiefen Wunde im Sakralbereich mit Infektion

Mazeration

Mazeration am Bein
Bild 6: Mazeration am Wundrand

Durchblutungsstörungen erkennen

Die Form des Wundrandes zeigt, wenn das Wundgebiet mangelhaft durchblutet ist: Bei venösen Geschwüren etwa sehen die Wundränder schräg abgeflacht aus, während arterielle Geschwüre die Wundränder wie ausgestanzt aussehen lassen.

Beschreibung Wundrand und ‑umgebungDiagnose, mögliche UrsachenHinweise zur Wundversorgung
  • kleinfleckige, nicht wegdrückbare Einblutungen in die Haut (sog. Petechien)  


Purpura – mögliche Ursachen: 

  • kann harmlos sein, sollte aber ärztlich abgeklärt werden
  • abgestorbenes (avitales) Gewebe
  • gelb bis braun oder schwarz gefärbt
  • feucht oder trocken
  • häufig bei chronischen Wunden wie DekubitusUlcus cruris und dem diabetischen Fußsyndrom


Nekrose – mögliche Ursachen:

  • mangelnde Durchblutung und Versorgung mit Nährstoffen
  • bei intaktem Immunsystem fallen kleine Nekrosen meist spontan ab
  • größere Nekrosen verzögern die Wundheilung (Infektionsrisiko!)
  • ertastbare Verhärtung
  • schmerzhafte Entzündung der Haut bis hin zu absoluter Beschwerdefreiheit 


Sklerose – mögliche Ursache: 

  • CVI: Ausscheidung von Fibrinogen aus den Gefäßen, welches im Gewebe zu Fibrin umgebaut und eingelagert wird, kann schmerzhafte Entzündungen verursachen 
  • Die Therapie beruht auf plastisch operativen Techniken (z.B. Z-Plastik, W-Plastik) in Kombination mit Lasertherapie und Narbensalbe.
  • angeschwollene Wundumgebung, die sich eindrücken lässt


Ödem – mögliche Ursachen: 

  • CVI (Blutstau in den Venen, sodass Flüssigkeit in das Gewebe gedrückt wird)
  • Da nicht alle Ödeme venöser Herkunft sind, sollte der Arzt zur Diagnose aufgesucht werden. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen kann helfen, Ödeme zu verringern oder ganz zu beseitigen.

Petechien neben einer Wunde
Bild 7: Wunde mit sichtbaren Petechien
Feuchte Nekrose Fuß lateral
Bild 8: Wunde mit einer feuchten Nekrose
Wundumgebungshaut Sklerose
Bild 9: Wunde mit sklerosierter Haut

Wundheilung im Rahmen der Behandlung fördern

Generell verläuft die Wundheilung wesentlich besser, wenn der Patient in die Wunddokumentation und Wundversorgung einbezogen wird.

Beispielsweise geht trockene Haut in der Wundumgebung häufig mit einem unangenehmen Juckreiz einher. Das wiederum kann dazu führen, dass sich der Patient kratzt und so die Wunde mit den Fingern unabsichtlich wiedereröffnet. Indem man erfragt, was den individuellen Patienten stört, kann neben der richtigen Wundauflage z.B. auch eine angemessene Hautpflege der Wundumgebung durchgeführt werden.

Die Wahl der geeigneten Wundauflage beeinflusst den Wundheilungsverlauf erheblich. Eine unpassende und nicht stadiengerechte Wundauflage kann den Heilungsverlauf unnötig stören und verzögern. Eine zu feuchte Wundumgebung begünstigt Mazeration, Infektionen und allergische Reaktionen. Flüssigkeiten müssen daher von der gewählten Wundauflage ausreichend aufgenommen werden. Verbandwechsel dürfen weder zu häufig noch zu selten durchgeführt werden.

Weil der Wundrand durch stark klebende Verbände mechanisch geschädigt werden kann, sollten Wundauflagen nur mild haften. Neben der mechanischen Schädigung können Überreste von starkem Kleber oder getrocknete Anhaftungen von an sich nicht-klebenden Verbandstoffen allergische Ekzeme auslösen. Hier eignen sich DracoFoam / DracoFoam Infekt Schaumstoffwundauflagen mit minimiertem Allergiepotenzial für nicht-infizierte / infizierte Wunden, die mit passender Fixierung aufgebracht werden. Sanft haftende Produkte wie DracoFoam haft sensitiv / DracoFoam Infekt haft sensitiv oder DracoFixiermull sensitiv sind durch ihren sanft haftenden und hautfreundlichen Silikonkleber einfach applizierbar, schmerzarm repositionier-/entfernbar.

Besonders für tiefe und chronische Wunden mit viel Exsudat müssen Wundauflagen mit ausreichender Absorptionsfähigkeit genutzt werden. Alginate, wie DracoAlgin, sind geeignet für stark bis mäßig exsudierende Wunden. Um Mazeration der Umgebungshaut zu verhindern, darf DracoAlgin nicht über den Wundrand hinaus aufgebracht werden. Wundauflagen aus Hydrofaser, wie DracoHydrofaser, sind ebenfalls für stark bis mäßig exsudierende Wunden geeignet und können über die Wundränder hinaus appliziert werden, da die vertikale Aufnahme des Exsudats das Mazerationsrisiko reduziert.

Video: Welche Wundauflage auf welche Wunde?

Vorschaubild Moderatorin Anette Skowronsky mit Wundauflagen

Bei Start des Videos werden Informationen an Vimeo übermittelt. Mehr hierzu unter: Vimeo Datenschutzerklärung.

Der Wundauflagenmarkt ist groß: Kompressen, Alginate, Schaumstoffe, Superabsorber, hydrofile Faserverbände... . Sind Sie sich auch oft nicht ganz sicher, welche Wundauflage auf welche Wunde gehört?

Literatur

Weiterführende Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.