Wundreinigung: Ablauf, Methoden und Fallbeispiele
Primär dient die Wundreinigung der Entfernung von Nekrosen, Fibrinbelägen und Biofilmen.
Dies führt zu einer Minderung von unangenehmen Wundgerüchen und letztendlich zu einer Minderung der Bakterienlast innerhalb der Wunde. Als Folge wird die Senkung der Infektionsgefahr, die Reduktion von Exsudat und eine verkürzte Heilungszeit angestrebt. Außerdem ermöglicht eine gut gereinigte Wunde die korrekte Beurteilung und Einschätzung von Wundgröße und -situation.
Ausgangssituation
Grundsätzlich ist unser Körper in der Lage, Wunden selbstständig zu heilen.
Dabei nutzt er unterschiedliche Wundheilungsprozesse, die jedoch durch das Vorhandensein von Erregern oder Grunderkrankungen, wie beispielsweise Diabetes, stark beeinträchtigt werden können. Das Konzept der Wundbettvorbereitung, welches zunächst für akute Wunden entwickelt und später auf chronische Wunden übertragen wurde, beschäftigt sich mit der Identifizierung und Beseitigung dieser beeinträchtigenden Faktoren. Die richtige Vorbereitung des Wundbettes, auch Konditionierung genannt, spielt bei der weiteren Versorgung der Wunde eine wichtige Rolle. Anders gesagt: auf einer unsauberen Wunde kann keine Wundauflage einen heilenden Effekt ausüben.
Die Wundbettvorbereitung umfasst neben der Versorgung des betroffenen Gewebes, die Aufrechterhaltung der Feuchtigkeitsbalance, die Einbeziehung des Wundrandes und vor allem die Kontrolle von Entzündungen und Infektionen. Dazu wird die Wunde in regelmäßigen Abständen gereinigt.
Video: 5 Tipps und Tricks zur Wundreinigung
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Was versteht man unter Wundreinigung?
Wundreinigung ist die Abtragung von avitalem Gewebe, Nekrosen, Belägen und/oder Entfernung von Fremdkörpern bis an intakte anatomische Strukturen unter Erhalt von Granulationsgewebe.
Um eine effektive und fachgerechte Behandlung von Patienten zu gewährleisten, werden von ärztlichen Fachgesellschaften zahlreiche Leitlinien erstellt. Diese bündeln das Wissen um Grunderkrankungen und die korrekte Versorgung. Auch für die Behandlung chronischer Wunden steht eine solche Leitlinie zur Verfügung. Diese beinhaltet neben der Anwendung der jeweils geeigneten Verfahren zur Wundreinigung auch die Auswahl passender Wundauflagen. Die Leitlinie definiert eine Wundreinigung bzw. ein Débridement als „die Abtragung von avitalem Gewebe, Nekrosen, Belägen und/oder Entfernung von Fremdkörpern bis an intakte anatomische Strukturen unter Erhalt von Granulationsgewebe.“
Demnach umfasst die Wundreinigung also auch die fachgerechte Säuberung verunreinigter Wunden.
Die Bedeutung des Biofilms
Fast alle Mikroorganismen siedeln sich in Form von sogenannten Biofilmen auf der Wundoberfläche an.
Solche Biofilme entstehen wegen der höheren Grundbelastung häufiger auf chronischen Wunden, sind aber auch auf akuten Wunden zu finden. Sie können die Ursache chronischer Infektionen sein und blockieren die Effektivität von Antiseptika. Eine glänzende oder schleimige Oberfläche gibt einen ersten Hinweis auf das Vorhandensein von Biofilmen. Sicherheit bietet hier jedoch nur die Mikroskopie – für das ungeübte Auge sind Biofilme in der Wunde kaum vom Wundbelägen zu unterscheiden. Um eine Wunde von Biofilmen zu befreien, eignen sich das chirurgische Entfernen oder die mechanische Reinigung (siehe Methoden zur Wundreinigung).
Biofilme neigen jedoch dazu, sich nach Entfernung schnell neu zu bilden, in Abhängigkeit von der jeweiligen Grunderkrankung des Betroffenen und der mikrobiellen Belastung.
Einsatz von Antiseptika
Indikationen für die Verwendung von Antiseptika in der Wundbehandlung:
- Infektionsverhinderung bei akuten traumatischen Wunden
- Prophylaxe von postoperativen Wundinfektionen
- Dekolonisation bei Besiedlung der Wunden mit MRE (multiresistente Erreger)
- Vorbereitung zum Débridement chronischer Wunden
- Therapie der klinisch eindeutigen lokalen Wundinfektion
Ohne eine angemessene Wundreinigung und eventuellem Débridement bei akuten und infizierten chronischen Wunden ist die Verwendung von Antiseptika nicht effektiv.
Diagnostische Abklärung vor der Wundreinigung
Vor der eigentlichen Wundreinigung muss die Ärztin/der Arzt wichtige zentrale Fragestellungen abklären.
Von hoher Bedeutung ist insbesondere eine potenziell vorliegende Grunderkrankung, wie pAVK, CVI oder Diabetes. Leidet der Patient zum Beispiel an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, werden bei einer trockenen Nekrose nur nicht-feuchte Verbandwechsel durchgeführt und eine Verbesserung der Durchblutung durch chirurgische Verfahren (Revaskularisierung) abgewartet.
Ebenfalls abgeklärt werden sollte, wie schmerzempfindlich der Patient ist. Dies betrifft vor allem die Auswahl von Lokalanästhetika für eine bevorstehende Wundreinigung.
Wichtig sind auch Fragen zu vorhandenen Materialien und der Hygiene. In der Arztpraxis sollten mindestens eine Krankenunterlage, unsterile und sterile Handschuhe, sterile Pinzetten und unterschiedliche Kompressen vorhanden sein. Bezüglich der Hygiene wird gemäß Hygieneplan der Praxis verfahren. Die Wundreinigung mittels Wasserstrahls ist nur in Arztpraxen, Wundambulanzen oder im Krankenhaus durchzuführen (Verspritzen der Spülflüssigkeit ist möglich).
Vor der Wundreinigung abzuklären sind
- Grunderkrankungen
- Schmerzempfindlichkeit
- Materialien und Hygiene
Ablauf der Wundreinigung
Zu Beginn der Wundreinigung wird der Patient bequem gelagert, situationsabhängig ist eine Lokalanästhesie oder Vollnarkose abzuklären.
Zur Vorbereitung führt der behandelnde Arzt eine hygienische Händedesinfektion durch, danach werden zum Entfernen des Altverbandes Einmalhandschuhe angezogen.
Beim Arbeiten in der Wunde und am Wundrand wird die sog. Non-Touch-Technik (entweder sterile Pinzetten oder sterile Einmalhandschuhe) angewendet. In der Arztpraxis oder im häuslichen Umfeld sind die Vorgaben des Robert-Koch-Institutes zur Hygiene zu beachten.
Nach Abschluss der Wundreinigung sind die Handschuhe zu wechseln und die Wunde phasengerecht abzudecken. Ausführliche Informationen finden Sie in unserem Artikel zum Thema Verbandwechsel.
Video: Händedesinfektion bei der Versorgung chronischer Wunden
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Methoden der Wundreinigung
Grundsätzlich stehen für eine Wundreinigung die folgenden Methoden zur Verfügung.
Mechanische Wundreinigung
Die mechanische Wundreinigung dient der Entfernung von Biofilm und nicht fest anhaftender Zellbestandteile und ist unter Anwendung zweier unterschiedlicher Methoden und Materialien möglich.
1. Wundspülung: Ausspülen der Wunde
Bei dieser Methode werden eine Wundspüllösung sowie eine Spritze oder Knopfkanüle bzw. Spülkatheter benötigt. Empfehlenswert ist die Verwendung von physiologischer Kochsalzlösung (NaCl 0,9%). Bei der Reinigung großflächiger Wunden ist Ringerlösung zu bevorzugen. Bei der Spülung großflächiger Wunden mit physiologischer Kochsatzlösung kann es zu einer Elektrolytverschiebung und damit Wundheilungsverzögerung kommen.
Bei Fistelgängen oder tieferen Wunden erfolgt die Spülung mittels Knopfkanüle oder einem kurzen Katheter, der auf eine 20-50 ml Spritze aufgesteckt wird. Vor der Wundspülung muss sondiert werden, ob die Flüssigkeit ungehindert aus der Wunde abfließen kann. Da NaCl- und Ringerlösung nicht konserviert sind, sollten nur Gebinde-Größen eingesetzt werden, die innerhalb eines Tages zu verbrauchen sind. Alternativ können konservierte Wundspüllösungen verwendet werden. Abhängig vom Hersteller liegt die Verwendbarkeit nach Anbruch zwischen 6 und 12 Wochen.
Empfiehlt der Arzt das Ausduschen mit Leitungswasser bei chronischen Wunden, darf nur sterilfiltriertes Leitungswasser eingesetzt werden. Dies ist im häuslichen Umfeld durch Kauf und Aufschrauben eines endständigen Wassersterilfilters auf den Duschschlauch möglich. Eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist derzeit nicht gegeben. Detaillierte Angaben sind auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts zu finden.
2. Auswischen der Wunde
Hier werden grobporige Polyurethanschäume oder Reinigungspads bzw. tensidhaltige Reinigungstücher verwendet. Diese sind nach Herstellerangaben zu befeuchten.
Autolytische Wundreinigung
Das autolytische Debridement ist die schonendste, aber auch zeitintensivste Form der Wundreinigung. Diese Behandlungsmethode nutzt die Wirkung körpereigener Makrophagen und wundeigener Enzyme. Diese natürlichen Prozesse lassen sich durch die Anwendung autolytisch wirksamer Produkte unterstützen.
Detailiertere Informationen finden Sie unter Autolytisches Debridement.
Enzymatische Wundreinigung
Bei dieser Form des Débridements lösen eiweißspaltende Enzyme avitales Gewebe schonend auf. Das verwendete Arzneimittel liegt als Creme vor.
Detailiertere Informationen finden Sie unter Enzymatisches Debridement.
Osmotische Wundreinigung
Unter Osmose versteht man grundsätzlich die Wanderung von Teilchen wie Natrium oder Glukose von einem Ort höherer Konzentration zu einem Ort niedrigerer Konzentration. Dies geschieht von selbst, ohne das Einwirken äußerer Kräfte. Durch die Verwendung osmotisch aktiver Produkte wird in der Wunde ein Ungleichgewicht von z.B. Elektrolyten erzeugt.
Dies bedingt eine vermehrte Bildung von Wundexsudat, um ein Elektrolytgleichgewicht herzustellen. Dadurch lösen sich Beläge leichter ab. Als zusätzlicher positiver Aspekt kann ein vorhandenes Wundödem reduziert werden. Geeignete Produkte sind Auflagen zur Nasstherapie mit Polyacrylat-Wundkissen oder Auflagen auf Basis von medizinischem Honig.
Folgende Substanzen sind für den Einsatz in der Wundreinigung nicht mehr zeitgemäß:
- Chlorhexidin
- Farbstoffe, wie Eosin, Brillantgrün, Fuchsin und Methylviolett
- Glucoselösung 5 oder 10%
- Kaliumpermanganat
- Kochsalzlösung 3 oder 10%
- Wasserstoffperoxid
Chirurgische Wundreinigung
Dieses Verfahren ist schnell, effektiv und entfernt invasiv avitales Gewebe, Nekrosen, Beläge und/oder Fremdkörper. Nach Aufklärung des Patienten und Ausschluss von Gerinnungsstörungen entfernt die Ärztin/der Arzt das betroffene Gewebe mittels Skalpells, scharfem Löffel, Ringkürette oder Wasserstrahldruck. Wundtaschen können durch dieses Verfahren ebenfalls eröffnet werden, so dass dort entstandenes Exsudat leichter abfließen kann.
Detailierte Informationen finden Sie unter Chirurgisches Debridement.
Reinigung mit Wasserstrahl
Diese Methode arbeitet mit einem Gerät, welches die Spülflüssigkeit zu einem Strahl bündelt. Die Intensität des Strahls kann mittels eines Schalters eingestellt werden. Als Spülflüssigkeit sind Ringerlösung, NaCl- oder eine polyhexanidhaltige Lösung geeignet.
Durch den gebündelten Strahl können sämtliche Beläge präzise und schonend abgetragen werden. Die Reinigung wird solange eingesetzt, bis sämtliche Beläge entfernt sind. Minimale Blutungen durch die Abtragung sind gewünscht, weil sie die Selbstheilung des Körpers anregen. Die Reinigung mittels Wasserstrahls kann sowohl in der Exsudations- als auch der Granulationsphase eingesetzt werden.
Biochirurgische Wundreinigung
Als Biochirurgie wird die Verwendung von speziell gezüchteten sterilen Larven der Fliege Lucilia sericata bezeichnet. Bekannt ist das Verfahren auch als „Madentherapie“. Mit dem Speichel sondern die Larven eine eiweißspaltende Flüssigkeit ab, welche Beläge, Biofilme und Nekrosen schonend entfernen kann.
Detailiertere Information finden Sie unter Biochirurgisches Debridement.
Video: Debridement - Wundreinigung: Nekrosen & Wundbeläge entfernen
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Auswahl der geeigneten Methode
Um die jeweils geeignete Methode für die Wundreinigung zu ermitteln, sollte die erwähnten Fragestellung konkretisiert werden:
- Was soll von der Wunde entfernt werden?
- Gibt es Infektionsquellen?
- Welche Exsudatmenge gibt die Wunde ab?
Zur Entscheidungsfindung dienen zusätzlich die folgenden Parameter:
- Vorschriften und Leitlinien, wie beispielsweise Hygienepläne
- Vorlieben und Einverständnis des Betroffenen
- Schmerzhaftigkeit der Maßnahme
- Begleitkrankheiten und Allgemeinzustand des Betroffenen
Rechtliche Aspekte und Zuständigkeiten
Das chirurgische Débridement darf ausschließlich von einer Ärztin/einem Arzt durchgeführt werden. Alle anderen Methoden, wie die mechanische Reinigung durch Auswischen oder Ausspülen, können je nach Ausbildungsgrad an nichtärztliches Personal, zum Beispiel MFA oder Pflegekräfte, delegiert werden. Der Arzt ist verpflichtet, sich im Vorfeld von der Kompetenz des nichtärztlichen Personals überzeugen.
Erstattungsfähigkeit der Materialien
In Abhängigkeit vom Inhalt der Sprechstundenbedarfsverordnung der jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung sind die Materialien teilweise erstattungsfähig. Selten eingesetzte Produkte sollten vor Anwendung auf Erstattungsfähigkeit überprüft werden.
Entscheidungsfindung bei einem Diabetischen Fußsyndrom (DFS)
Eine Wunde am diabetischen Fuß wird sich durch das Vorhandensein einer feuchten Nekrose verschlimmern. Der Arzt entscheidet sich für die Durchführung eines chirurgischen Débridements. Im Rahmen der Wundbettkonditionierung erfüllt ein radikales chirurgisches Debridement viele Funktionen. Die Entfernung von Schwielen (Kallus) und des nekrotischen Gewebes bis in die lebende Struktur hinein stimuliert die Heilung. Infolgedessen kommt es zu einer Reduktion des Drucks auf das Umgebungsgewebe, eventuell vorhandenes Exsudat kann aus der Tiefe abfließen. Der Arzt ist in der Lage, das gesamte Ausmaß der Wunde visuell zu erfassen.
Studien zeigen, dass Patienten mit neuropathischem DFS von einer chirurgischen Maßnahme profitieren. Die Vorteile liegen in einer besseren Durchblutung und geringeren Belastung mit schädlichen Mikroorganismen. Dadurch heilt die Wunde schneller und der Patient kann den Fuß früher bewegen bzw. sich wieder öfter bewegen.
Wundreinigung bei einem Sakraldekubitus mit Taschenbildung
Speziell bei Wundtaschen bilden sich im feuchten, dunklen Milieu bevorzugt Mikroorganismen und Biofilme aus. Diese Wunden profitieren von einer mechanischen Wundreinigung mittels Kompressen. Bei schmerzempfindlichen Patienten empfiehlt sich die Verwendung von Vlieskompressen, die weicher sind als Mullkompressen. Als Spüllösung ist NaCl 0,9% auszuwählen. Sollte sich zusätzlich eine Fistel gebildet haben, wird zur Spülung ein kurzer Katheter oder eine Spritze mit aufgeschraubter Knopfkanüle verwendet.
Bei starker Biofilmbildung und mäßigem bis starkem Wundexsudat kann die Wunde nach der Reinigung mit Hydrofaser austamponiert werden. So wird sowohl der Neubildung von Biofilmen als auch dem Aufweichen des Wundrandes vorgebeugt.