Wunddokumentation nach dem GREIS-Modell

Wunddokumentation nach dem GREIS-Modell

Der Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden empfiehlt zur Wunddokumentation unter anderem das GREIS-Modell. Es unterstützt dabei, die relevanten Parameter von Hautwunden einheitlich zu erfassen und strukturiert zu dokumentieren.

Was ist das GREIS-Modell?

Das GREIS-Modell wurde 2007 für den deutschsprachigen Raum entwickelt, um die verbale Wunddokumentation – ausgehend von der Wunde hin zur Wundumgebung – zu strukturieren. Die Abkürzung GREIS steht dabei für:1

  • G Grund der Wunde
  • R Rand der Wunde
  • E Exsudation aus der Wunde
  • I Inflammation der Wundumgebung
  • S Subjektive Symptomatik 

Das GREIS-Modell gehört zu den vom Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden empfohlenen Dokumentationssystemen. Ähnlich wie das GREIS-Modell funktionieren weitere klinischen Skalen im Bereich der Wundversorgung, zum Beispiel:

  • T I M E steht für Tissue (Gewebe), Inflammation/Infection Assessment (Beurteilung von Entzündungen/Infektionen), Moisture Imbalance (Flüssigkeitsstörung) und Edge Advancement (Fortschreiten des Wundrands). Es wurde von der European Wound Management Association (EWMA) als Konzept zur Wundbettvorbereitung entwickelt.3
  • U R G E ist die Abkürzung für Umgebung, Rand, Grund und Exsudat.1
  • U F E R kürzt die Begriffe Umgebung, Fläche, Exsudat und Rand ab.1
M.O.I.S.T.-Konzept

Das TIME-Konzept wurde inzwischen zum M.O.I.S.T.-Konzept weiterentwickelt, das im Beitrag „M.O.I.S.T.-Konzept zur Lokaltherapie chronischer Wunden ausführlich erläutert wird. 

Wofür wird das GREIS-Modell angewendet?

Das GREIS-Modell wird als Systematik für die verbale Wunddokumentation angewendet, um wesentliche Parameter von Hautwunden strukturiert sowie klinisch, morphologisch und topografisch orientiert zu erfassen und zu beschreiben. Damit unterstützt das GREIS-Modell die Kommunikation zwischen den an der Wundversorgung beteiligten Berufsgruppen, liefert die Grundlage für die rechtliche Absicherung und ist ein wesentlicher Teil des Qualitätsmanagements.1

Wie sehen die fünf Elemente des GREIS-Modells aus?

Die Autoren des GREIS-Modells haben für jeden der fünf Elemente relevante Bereiche definiert und für jeden Bereich mögliche Beschreibungen mit Vorschlägen für die Basisdokumentation angegeben (Tab. 1 bis Tab. 5).1

G: Grund der Wunde

Tab. 1: G - Grund der Wunde – zu dokumentierende Bereiche; fettgedruckte Beschreibungen gehören zur vorgeschlagenen Basisdokumentation; „[xxx]“ stehen für Beispiele einer klinischen Interpretation; *approximative Fläche = 0,8x größte Länge x größte Breite (angelehnt an eine Ellipse)1

BereichBeschreibung
LokalisationGemäß üblichen anatomischen Begriffen
  • Größe
  • Fläche
  • Tiefe
  • Form
  • Größte Länge und (rechtwinklig darauf stehende) Breite* sowie Tiefe
  • Fotodokumentation mit am Wundrand appliziertem Referenzmaß
Tektonik
  • Flach (plan)
  • Höckerig
  • Unregelmäßig aufgeworfen
  • Krypten
  • Krater
  • Taschen  
  • Fisteln 

Granulation

(quantitative Abschätzung bzw. Quantifizierung anhand Fotodokumentation)

  • Vorhanden – fehlend
  • Unter – im – über (Hypergranulation) Umgebungsniveau
  • Feinkörnige Struktur [=normal]
  • Vermehrte Verletzlichkeit [Infekt?]
  • Farbe:
    • Hellrot [=normal]
    • Blassrot [Anämie?]
    • Livide [Zyanose?]

Beläge

(quantitative Abschätzung bzw. Quantifizierung anhand Fotodokumentation; gegebenenfalls Mischformen)

  • Festhaftend – abstreichbar
  • Farbe:
    • Gelblich-festhaftend = fibrinös
    • Gelblich-abstreifbar = eitrig
    • Schwarz = nekrotisch
    • Rotschwarz = hämorrhagisch
    • Braungrünlich = kritisch kolonisiert/infiziert
  • Fremdmaterial (z.B. Verbands-/Salbenreste)

Epithelisierung

(quantitative Abschätzung bzw. Quantifizierung anhand Fotodokumentation)

  • Vorhanden (randständig = „edge effect“; Epithelinseln) – fehlend
  • Farbe: rosa-spiegelnd 

Unterliegende Struktur

 

  • Sehnen
  • Faszien
  • Muskulatur
  • Knochen („probe-to-bone“) [Osteomyelitis?]
  • Gelenke freiliegend
  • Fibrose (weißlich-derb)
  • Verkalkungen [Sklerodermie?] / Verknöcherungen

R: Rand der Wunde

Tab. 2: R - Rand der Wunde – zu dokumentierende Bereiche; fettgedruckte Beschreibungen gehören zur vorgeschlagenen Basisdokumentation; „[xxx]“ stehen für Beispiele einer klinischen Interpretation.1

BereichBeschreibung
Tektonik
  • Aufgeworfen („Wall“)
  • Überhängende Struktur („Lefzen“)
  • Unterminierung
  • Taschen
  • Tunnelbildung
  • Fisteln 

Konsistenz

(Palpationsbefund)

  • Weich – derb, (herdförmige)
  • Infiltration [Neoplasie?]
  • Dellenbildung (quantitative Abschätzung) [Ödem?] 

Hautstatus

(eventuell quantitative Abschätzung bzw. Quantifizierung anhand Fotodokumentation)

  • Randständige Epithelisierung („edge effect“)
  • Trophik (Hyperplasie / Atrophie, Hyperkeratosen)
  • Mazeration
  • Blutungen, Nekrosen [Vaskulopathie?]
  • Gerötet [Entzündung] – livide [Zyanose] – blass [Anämie]

E - Exsudation der Wunde

Tab. 3: E - Exsudation der Wunde – zu dokumentierende Bereiche; fettgedruckte Beschreibungen gehören zur vorgeschlagenen Basisdokumentation; „[xxx]“ stehen für Beispiele einer klinischen Interpretation.1

BereichBeschreibung

Menge

 

(quantitative Abschätzung)

  • gering
  • mäßig
  • stark
Charakter/Farbe
  • Serös (dünnflüssig)
  • Sero-fibrinös (mäßig dünnflüssig, gelblich)
  • Fibrinös (zähflüssig, gelblich)
  • Hämorrhagisch (blutig)
  • Eitrig/putride (rahmig-gelblich)

Geruch

 

  • Geruchlos – übelriechend/stinkend
  • (süßlich, jauchig/fötide)

I - Inflammation/Entzündung der Wundumgebung

Tab. 4: I - Inflammation/Entzündung der Wundumgebung – zu dokumentierende Bereiche; fettgedruckte Beschreibungen gehören zur vorgeschlagenen Basisdokumentation; „[xxx]“ stehen für Beispiele einer klinischen Interpretation.1

BereichBeschreibung

Hautstatus

 

  • Trophik
    • Hyperplasie/Atrophie
    • Schwielen
    • Papillomatosis cutis
    • Trockenheit
    • Hyperkeratosen/Schuppung
    • Hautanhangsgebilde
  • Pigmentierung
  • Narben
  • Dellenbildung: generalisiert – lokalisiert periulzös (quantitative Abschätzung) [Ödem?]
  • Mazeration
  • Ekzematisation (akut/subakut/chronisch)
  • Exkoriationen  
  • Blutungen (Petechien, Suffusionen, palpare Purpura [Vaskulopathie?])
  • Farbe:
    • Gerötet [Infekt? Allergische vs. irritative Dermatitis? Hyperdermitis?]
    • Livide [Zyanose?]
    • Blass [Anämie?]
  • Temperatur:
    • Überwärmt [Infekt?]
    • Unterkühlt [arterielle Minderperfusion?]

Sekundärschäden durch Verbände

 

  • Scheuer-/Druckstellen (Erytheme, Blasen/Erosionen, Blutungen, Nekrosen)
  • Strangulation (Schnürfurchen, Ödeme, Nekrosen)

Unterliegende Strukturen

 

  • Verkalkungen [Sklerodermie?]/Verknöcherungen
  • Trophik und Funktion Muskulatur
  • Gelenkstatus (Zustand und Funktion) [rheumatische Erkrankungen?], speziell Sprunggelenke [CVI?]
  • Konfiguration und Stabilität der Knochen [diabetische Osteoarthropathie?]

S - Subjektive Symptomatik

Tab. 5: S - Subjektive Symptomatik – zu dokumentierende Bereiche; fettgedruckte Beschreibungen gehören zur vorgeschlagenen Basisdokumentation; „[xxx]“ stehen für Beispiele einer klinischen Interpretation.1

BereichBeschreibung

Wundschmerz 

(Graduierung mittels Schmerzskala; Schmerzmittelbedarf)

  • Intensität
  • Charakter
  • Auslösung

Umgebungsschmerz

(Graduierung mittels Schmerzskala; Schmerzmittelbedarf)

  • Lokalisation
  • Intensität
  • Charakter
  • Auslösung (Berührung [Infekt?], Belastung)

Juckreiz 

 

  • Lokalisation
  • Hautveränderungen (Vergleich zu „I“, Hautstatus)

Mögliche Ergänzungen des GREIS-Modells

Abhängig von der Art der Wunde – zum Beispiel Dekubitus oder diabetisches Fußsyndrom – und der Gesamtsituation können weitere Bereiche dokumentiert werden:1

  • Gefäßstatus (arteriell, venös oder lymphatisch mit jeweils ergänzender Beschreibung der Situation)
  • Neurostatus (intakte oder gestörte Oberflächen- und Tiefensensibilität)
  • Infektstatus (bakteriell oder mykotisch mit Beschreibung des Hautbilds)

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.