W.A.R.-Score: Der Wound at Risk Score für infektgefährdete Wunden

W.A.R.-Score: Der Wound at Risk Score für infektgefährdete Wunden

Der W.A.R.-Score (W.A.R. – „Wound-at-risk”) dient der Identifikation von Wunden, bei denen noch keine Wundinfektion vorliegt, jedoch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer solchen besteht.

Wie erkennt man eine infektgefährdete bzw. infizierte Wunde? Diese Frage ist im klinischen Alltag nicht immer einfach zu beantworten. Aus diesem Grund haben Fachexpertinnen und -experten Scoring-Instrumente etabliert, die dabei helfen, Wundsituationen anhand verschiedener Faktoren objektiv abzuschätzen.  

Anhand des W.A.R.-Scores wird das Vorhandensein von 20 unterschiedlich gewichteten Gefährdungsursachen und patientenspezifische Risikofaktoren durch die Vergabe von Punkten bewertet. Im Anschluss an die Bewertung werden die Punkte zusammengezählt. Weist die Gesamtsumme des Scores auf das Vorliegen einer infektgefährdeten Wunde hin, wird der zielgerichtete Einsatz einer antimikrobiellen Wundtherapie empfohlen.

Besteht der klinische Verdacht, dass bereits eine Wundinfektion vorliegt, ist der „Therapeutischer Index für lokale Infektionen“ (TILI-Score 2.0) ein geeignetes Instrument zur Früherkennung und Indikationsstellung. Der TILI-Score 2.0 findet oft im ambulanten Sektor Einsatz, weil hier meist die Diagnose und Behandlung infizierter Wunden stattfindet, und konzentriert sich auf wundspezifische Kriterien. Im Gegensatz dazu berücksichtigt der W.A.R-Score, neben wundspezifischen Kriterien, verschiedene patientenspezifische Risikofaktoren, wie Patientenalter und bestehende Grunderkrankungen

Der W.A.R.-Score - Einschätzung des Infektionsrisikos von Wunden (nach Dissemond et al. 2011)

Verschiedene Gefährdungsursachen und Risikofaktoren der Wunde werden anhand des gewichteten Punktesystems beurteilt. Je nach Risikoklasse können die Risikofaktoren mit 1, 2 oder 3 Risikopunkten bewertet werden. Dabei sind Mehrfachnennungen innerhalb einer Risikoklasse möglich. Im Anschluss werden alle Punkte zusammengezählt. Bei einem Gesamtwert ≥ 3 im W.A.R-Score liegt aus klinischer Sicht eine infektionsgefährdete Wunde vor. Eine antimikrobielle Wundbehandlung wird empfohlen.

Risikofaktoren

Punkte

Risikoklasse 1: je 1 Risikopunkt pro Risikofaktor (Mehrfachnennung möglich)
Erworbene immunsuppressive Erkrankung, z. B. Diabetes mellitus

1

Erworbener Immundefekt durch medikamentöse Therapie wie Ciclosporin, Methotrexat, Glukokortikoide, Antikörper

1

Erkrankungen mit soliden Tumoren

1

Hämatologische Systemerkrankung

1

Postchirurgische Wundheilungsstörung, welche zu (ungeplanter) Sekundärheilung führt

1

Durch Lokalisation besonders keimbelastete Wunden, z. B. Perineum, Genitale

1

Problematische hygienische Bedingungen durch soziales oder berufliches Umfeld, z. B. Landwirte, Lkw-Fahrer

1

Lebensalter ≥ 80 Jahre

1

Geringeres Lebensalter des Patienten, z. B. Frühgeborene, Babys, Kleinkinder

1

Bestehensdauer der Wunde > 1 Jahr

1

Wundgröße ≥ 10 cm2

1

Chronische Wunden aller Kausalitäten mit einer Tiefe > 1,5 cm

1

Stationärer Langzeitaufenthalt des Patienten > 3 Wochen

1

Risikoklasse 2: je 2 Punkte pro Risikofaktor (Mehrfachnennung möglich)
Schwere erworbene Immundefekte, z. B. HIV-Infektion

2

Stark verschmutze Akutwunden

2

Bisswunden, Stichwunden und Schusswunden zwischen 1,5 und 3,5 cm Tiefe

2

Risikoklasse 3: je 3 Punkte pro Risikofaktor (Mehrfachnennung möglich)
Verbrennungswunden mit Beteiligung > 15 % der Körperoberfläche

3

Wunden, welche eine direkte Verbindung zu Organen oder Funktionsstrukturen aufweisen, z. B. auch Gelenke bzw. körperfremdes Material enthalten

3

Schwerste, angeborene Immundefekte wie beispielsweise Agammaglobulinämie, schwere kombinierte Immundefekte (SCID)

3

Bisswunden, Stichwunden und Schusswunden > 3,5 cm Tiefe

3

W.A.R.-Score (Bitte alle Risikopunkte addieren)

 

Bei einem Gesamtwert ≥ 3 im W.A.R-Score liegt aus klinischer Sicht eine infektgefährdete Wunde vor. Eine antimikrobielle Wundbehandlung wird empfohlen.

 

Literatur

Der W.A.R.-Score (W.A.R. – „Wound-at-risk”) dient der frühzeitigen Identifizierung von Patientinnen und Patienten mit infektionsgefährdeten Wunden.

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.