Venenerkrankungen
Eine Venenerkrankung geht mit einer gestörten Funktion der Venen, vor allem der Beinvenen, einher.
Venenerkrankungen lassen sich in akute (z. B. Thrombosen) und chronische (z. B. Varizen, Venenschwäche) Verlaufsformen unterteilen. Beide stehen in einer engen Wechselwirkung. Beispielsweise können Krampfadern die Entstehung von Thrombosen begünstigen und umgekehrt. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können Beschwerden lindern sowie das Risiko für Folgeschäden oder ein Fortschreiten der Erkrankung vermindern.
Welche Venenerkrankungen gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man akute und chronische Venenerkrankungen.
Akute Venenerkrankungen
Zu den akuten Venenkrankheiten zählen die oberflächliche Venenentzündung (Thrombophlebitis, auch oberflächliche Venenthrombose (OVT)) und die tiefe Beinvenenthrombose (TVT).
Thrombosen
Eine Thrombose entsteht, wenn sich innerhalb einer Vene ein Blutgerinnsel (Thrombus) bildet und die Vene dadurch verstopft. Umgebend kommt es zu einer Entzündungsreaktion. Je nach Lage und Ausdehnung der Thrombose können die Symptome unterschiedlich sein. Die OVT äußert sich meist als verhärteter, geröteter und schmerzhafter Strang über der betroffenen Vene. Bei der TVT kann es insbesondere in der Anfangsphase vorkommen, dass sie nur wenig Beschwerden verursacht. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf macht sie sich als schmerzendes, angeschwollenes und überwärmtes Bein bemerkbar. Schmerzen bei Druck auf die Wade sind typisch. Löst sich das Blutgerinnsel, wird dieses über den Blutkreislauf weiter in die Blutgefäße der Lunge transportiert und kann zur Lungenembolie führen. Je nach Größe des Gerinnsels sind teilweise schwere Gewebeschäden möglich. In besonders schweren Fällen können Lungenembolien zum Tod führen.
Besteht der Verdacht auf eine akute Venenerkrankung, ist dringend ein Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Einhergehende Entzündungen der Venenwand können zu dauerhaften Verschlüssen, einer Funktionsstörung des Venensystems und daraus folgend zu einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) führen, die in diesem Fall als Postthrombotisches Syndrom bezeichnet wird.
Chronische Venenerkrankungen
Zu den chronischen Venenerkrankungen gehören Varizen (Krampfadern) und die chronisch venöse Insuffizienz (CVI).
Varizen
Varizen (Krampfadern) sind unter der Haut liegende, geschlängelte, dauerhaft geweitete Venen, in denen der Blutfluss stagniert und es zum Funktionsverlust der Venenklappen kommen kann. Das Krankheitsbild wird als Varikose (Krampfaderleiden) bezeichnet. Ausgeprägte Varizen können die Entstehung einer oberflächlichen Venenthrombose bzw. Venenentzündung begünstigen, die in diesem Fall als Varikophlebitis bezeichnet wird. Eine Venenentzündung bedarf ärztlicher Behandlung, um eine Ausdehnung zu vermeiden. Des Weiteren kann aus einem Krampfaderleiden eine anhaltende Venenschwäche resultieren, die sogenannte chronisch vernöse Insuffizient (CVI). Diese geht mit einer Schwellung der Beine (Ödem) einher, die oft von einem Schweregefühl und Schmerzen begleitet wird. Im Verlauf können Hautveränderungen, eine Stauungsdermatitis und ein Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris) auftreten.
Besenreiser sind kleine, erweiterte Venen. Diese können an verschiedenen Bereichen des Beins vorkommen. Bei Auftreten in der Knöchelregion oder am Fußrand können sie auf das Vorliegen einer CVI hindeuten. Dieses sollte von einem Arzt bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Phlebödem / venöses Ödem
Venöse Ödeme sind Flüssigkeitsansammlungen, die typischerweise eindrückbar sind. Diese treten meistens in der Knöchelregion auf, können aber auch auf Füße und Unterschenkel übergreifen. Wenn sich das Blut in den oberflächlichen und/oder tiefen Beinvenen staut, wird Flüssigkeit aus der Blutbahn in das Gewebe gedrückt und verursacht ein venöses Ödem. Zusammen mit der Flüssigkeit können auch Blutbestandteile in das Gewebe übertreten. Dadurch entsteht die typische rötlich-bräunliche Verfärbung der Haut, die sog. Purpura jaune d’ocre. Sie ist ein Anzeichen für eine fortgeschrittene CVI. Nicht alle Beinödeme entstehen aufgrund von Venenerkrankungen. Zur Differenzialdiagnose sollte deshalb eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden.
Chronisch venöse Insuffizienz (CVI)
Die CVI ist eine Erkrankung, bei der die Venen in den Beinen nicht in der Lage sind, das Blut effizient zum Herzen zurückzupumpen. Dies führt zu einem erhöhten venösen Druck und einer Ansammlung von Blut in den unteren Extremitäten, was eine Reihe von Symptomen und Komplikationen verursacht. Zu den Anzeichen einer chronisch venösen Insuffizienz gehören:
- Krampfadern an den Beinen
- Schwellung der Knöchel
- Wasseransammlung und Schwellungsneigung tagsüber (Ödembildung)
- Juckreiz, Ameisenkribbeln
- Nächtliches Unruhegefühl in den Beinen
- Nächtliche Wadenkrämpfe
- Druckgefühl über den betroffenen Venen
- Brennende Schmerzen
- Hautveränderungen an den Unterschenkeln (u. a. verstärkte Pigmentierung, Ekzem)
- Besenreiser an Fußkanten und Knöchelregion
Die Beschwerden können besonders am Ende eines Tages oder in den warmen Sommermonaten zunehmen.
Die CEAP-Klassifikaion ist ein international etabliertes Scoring-System zur Einteilung verschiedener Stadien und Schweregrade chronischer Venenerkrankungen. Sie kommt insbesondere bei der Bewertung und Beschreibung der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) zum Einsatz, die ab dem Stadium C3 diagnostiziert wird. Die Klassifizierung nach CEAP ist aktuell gültiger Standard. Daneben ist im deutschsprachigen Raum zur Einteilung der CVI die Klassifikation nach Widmer, modifiziert nach Marshall und Wüstenberg (1994) gebräuchlich. Deren Verwendung wird allerdings von der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie u. Lymphologie nicht mehr empfohlen.
Die klinische Kategorie der CEAP-Klassifikation
- C0: Keine sichtbaren Zeichen einer Venenerkrankung
- C1: Besenreiser (Teleangiektasien) und / oder retikuläre Varizen
- C2: Varizen
- C2r: Rezidivvarizen
- C3: Ödem aufgrund eines Venenleidens
- C4: Hautveränderungen infolge einer chronischen venösen Insuffizienz
- C4a: Pigmentierung oder Ekzem
- C4b: Dermatoliposklerose, Atrophie blanche
- C4c: Corona phlebectatica paraplantaris
- C5: Abgeheiltes Ulcus cruris venosum
- C6: Florides Ulcus cruris venosum
- C6r: Rezidiv eines Ulcus cruris venosum
- CS: Symptomatisch
- CA: Asymptomatisch
Im Blutkreislauf des Menschen zirkulieren ca. 5-6 Liter Blut. Das Herz pumpt das mit Sauerstoff angereicherte Blut in die Arterien und von dort in das Gewebe. Die Venen transportieren das verbrauchte Blut zum Herzen zurück. Während dieses Vorganges befinden sich 15% des gesamten Blutvolumens in den Arterien und über 80% in den Venen. Die Hauptaufgabe der Venen, der Rücktransport des Blutes zum Herzen, wird durch die Arbeit der Venenklappen unterstützt. Durch ihre Ventilfunktion erlauben sie den Blutfluss ausschließlich in Richtung des Herzens.
Wie entstehen Venenerkrankungen?
Akute Venenerkrankungen entstehen durch verschiedene Faktoren.
Einer der Hauptmechanismen ist die Bildung von Blutgerinnseln, auch Thromben genannt, die das venöse Gefäß verstopfen und zu einer Thrombose führen. Thrombosen treten auf, wenn der Blutfluss in den Venen verlangsamt oder gestört ist, was häufig durch langes Sitzen oder Liegen verursacht wird. Ein verlangsamter Blutfluss fördert die Bildung von Blutgerinnseln, da das Blut in den Venen staut und leichter gerinnt. Zudem können bestimmte Lebenssituationen wie eine Schwangerschaft, eine Hormontherapie oder genetische Prädispositionen die Blutgerinnung und Thromboseneigung erhöhen.
Ein weiterer Faktor bei der Entstehung akuter Venenerkrankungen sind Schäden an den Venenwänden. Diese können durch Verletzungen, chirurgische Eingriffe oder das Einführen von Venenkathetern verursacht werden. Schäden an der Gefäßwand fördern ebenfalls die Bildung von Blutgerinnseln, da sie die normale Funktion der Gefäßwand beeinträchtigen und das Blut leichter verklumpen lassen. Darüber hinaus können Krampfadern den Blutfluss verlangsamen und die Wahrscheinlichkeit einer Gerinnselbildung erhöhen.
Venenentzündungen können durch bakterielle Infektionen oder Verletzungen verursacht werden. Entzündete Venen neigen dazu, Blutgerinnsel zu bilden, da die entzündeten Gefäßwände das normale Fließen des Blutes behindern.
- Genetische Veranlagung
- Bewegungseinschränkung oder Immobilität (z. B. durch Lähmung, Krankenhausaufenthalt oder lange Flugreisen)
- Übergewicht
- Hormonelle Veränderung (z. B. Schwangerschaft oder Einnahme hormoneller Verhütungsmittel)
- Alter
- Rauchen
Chronische Venenerkrankungen entstehen in der Regel durch eine anhaltende und fortschreitende Schädigung der Venen und Venenklappen. Diese Erkrankungen entwickeln sich oft über einen langen Zeitraum und werden durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Lebensstilfaktoren und physiologischen Veränderungen gefördert.
Ein wesentlicher Mechanismus bei chronischen Venenerkrankungen ist die Insuffizienz der Venenklappen. Normalerweise verhindern diese Klappen, dass das Blut zurück in die Beine fließt, und sorgen dafür, dass es in Richtung Herz gepumpt wird. Wenn diese Klappen jedoch nicht mehr richtig funktionieren, staut sich das Blut in den Venen der unteren Extremitäten. Hierdurch kommt es zu einem erhöhten Druck in den Venen, was als venöse Hypertonie bezeichnet wird. Dieser erhöhte Druck verursacht eine Dehnung und Erweiterung der Venen, was zur Bildung von Besenreisern und Krampfadern führt. Ebenso können chronische Entzündungen die Struktur der Venenwände schädigen und die Funktion der Venenklappen weiter verschlechtern. So kann sich ein Teufelskreis aus zunehmender Venenschwäche und venöser Hypertonie entwickeln.
- Genetische Veranlagung
- Überwiegend stehende und/oder sitzende Tätigkeiten
- Mangelnde Bewegung
- Übergewicht
- Hormonelle Veränderung (z. B. Schwangerschaft oder Einnahme hormoneller Verhütungsmittel)
- Alter
- Bewegung im Alltag (z. B. Treppe nutzen, Spaziergänge)
- Auf die Ernährung achten (frisches Obst, Gemüse, ausreichend trinken)
- Auf das Rauchen verzichten
- Beine kühl halten und hochlagern
- Flache und bequeme Schuhe bevorzugen
Wie werden Venenerkrankungen behandelt?
Die Kompressionstherapie ist ein wichtiger Baustein in der Behandlung akuter und chronischer Venenerkrankungen. Je nach Art und Schwere der Erkrankung können zusätzlich medikamentöse oder auch operative Maßnahmen wie das Venenstripping oder eine endovenöse Therapie zum Einsatz kommen.
Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie ist eine medizinische Behandlungsmethode, bei der mittels Kompressionsmaterialien Druck auf die Beine ausgeübt wird. Die Venen werden von außen komprimiert, der Venendurchmesser verringert und somit die Blutzirkulation in den Venen erhöht. Durch die Kompression werden Ödeme abgebaut, da die Flüssigkeit wieder aus dem Gewebe gepresst wird. Zusätzlich werden schwache und geweitete Venenwände in Form gehalten und die Venenklappen können wieder schließen. Als medizinische Hilfsmittel kommen bei der Kompressionstherapie üblicherweise Kompressionsstrümpfe oder Kompressionsverbände zum Einsatz. Seltener findet die apparative intermittierende Kompression Anwendung.
Was kann man selbst tun, um die Kompressionstherapie zu unterstützen?
Während der Kompressionstherapie sollte sich die Patientin oder der Patient möglichst viel bewegen. Bei jeder Muskelkontraktion werden die Venen zusammengedrückt. Dadurch wird die Muskelpumpe aktiviert und der Rücktransport des venösen Blutes unterstützt. Die beste Muskulatur für diesen Vorgang ist die Wadenmuskulatur. Im Sommer sollten die Beine regelmäßig durch angefeuchtete Handtücher oder kaltes Abduschen gekühlt werden. Außerdem sollten die Beine gelegentlich über Herzniveau hochgelagert werden. Um die Kompressionsstrümpfe zu schonen, sollten Fuß- und Fingernägel kurz gehalten werden.
Um das Wirkprinzip eines Kompressionsverbandes bzw. -strumpfes zu verstehen, sind die Begriffe Ruhedruck und Arbeitsdruck wichtig. Unter Ruhedruck ist der Druck zu verstehen, den das Kompressionsmaterial auf das Gewebe ausübt, wenn die Muskulatur nicht bewegt wird. Je elastischer ein Kompressionsmaterial ist, desto höher ist der Ruhedruck, da das hochelastische Material sich bei Entlastung im Ruhezustand zusammenzieht.
Mit Arbeitsdruck wird der Widerstand bezeichnet, den das Kompressionsmaterial der Muskulatur bei Bewegung entgegensetzen kann. Je unnachgiebiger das Kompressionsmaterial ist, desto höher ist der Arbeitsdruck.
Bei der Kompressionstherapie ist ein möglichst hoher Arbeitsdruck bei niedrigem Ruhedruck und ausreichendem Tragekomfort das Ziel!
Arten von Kompressionsstrümpfen
Komprimierende Strümpfe sind in verschiedenen Arten und Kompressionsklassen erhältlich, um unterschiedliche Krankheitsbilder zu adressieren. Generell wird zwischen dem Medizinischen Kompressionsstrumpf (MKS), dem Medizinischen Thromboseprophylaxestrumpf (MTPS) und dem Stützstrumpf differenziert.
Medizinischer Kompressionsstrumpf (MKS)
Medizinischer Thromboseprophylaxestrumpf (MTPS)
Stützstrumpf
Gegenanzeigen einer Kompressionstherapie
Die folgenden Informationen zu den Kontraindikationen von Kompressionsmaßnahmen basieren auf den Empfehlungen der S2k-Leitlinie Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK).
Absolute Kontraindikationen:
- Fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) (KADI/ABI < 0,5)
- Dekompensierte Herzinsuffizienz (NYHA Stadium III + IV)
- Septische Phlebitis
- Phlegmasia coeruela dolens
Relative Kontraindikationen:
- Ausgeprägte nässende Dermatosen
- Unverträglichkeit auf Kompressionsstrumpfmaterial
- Schwere Sensibilitätsstörungen der Extremität
- Fortgeschrittene periphere Neuropathie (z.B. Diabetes mellitus)
- Primär chronische Polyarthritis
Risiken und Nebenwirkungen
Nicht passende medizinische Kompressionsstrümpfe können Hautnekrosen, nervale Druckschäden und periphere Nerven und auch tiefe Beinvenenthrombosen verursachen.