Vakuum-Therapie: Mit Unterdruck die Wundheilung fördern
Wenn Wunden schlecht oder nicht heilen, kann sich eine Vakuum- bzw. Unterdruck-Therapie anbieten. Studien bestätigen, dass sich diese positiv auf die Wundheilung auswirken kann. Für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch einiges zu beachten.
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Vakuum-Therapie – was ist das?
Ob nach einer großen Operation oder bei einer schlecht heilenden chronischen Wunde – die Vakuum-Therapie ist eine Methode zur Wundbehandlung, die sich in der Praxis mittlerweile etabliert hat. Dabei gibt es viele Begrifflichkeiten: Vakuumversiegelung, Unterdruck-Therapie oder im Englischen auch VAC (vacuum assisted closure) oder NPWT (negative pressure wound therapy).1 Allen gemeinsam ist, dass mittels Anwendung von Sog ein Unterdruck in der Wunde entsteht, der die Heilung beschleunigen soll.2
Um im Wundgebiet einen Sog zu erzeugen, wird rund um die Wunde eine versiegelte Umgebung geschaffen. Dazu wird eine Schaumstoffwundauflage in die Wundhöhle gelegt und mit einer Klebefolie abgedeckt. In dieser versiegelten Umgebung wird mithilfe eines Schlauchs und einer Pumpe ein gleichmäßiger Unterdruck erzeugt.2
Was bewirkt der Unterdruck?
Wie genau der Unterdruck die Wundheilung beschleunigt, ist noch nicht vollständig geklärt.2 Man geht davon aus, dass durch die Therapie
- überschüssiges Wundexsudat, inkl. Keimen und Abfallprodukten, direkt abfließen kann
- ein idealfeuchtes Wundmilieu geschaffen wird
- Ödeme reduziert werden
- der Blutfluss und die Zellteilung verbessert werden
- die Bildung von Granulationsgewebe gefördert wird
- sich die Wundränder mechanisch annähern.2
Studien deuten darauf hin, dass die Vakuum-Therapie eine vielversprechende Rolle in der Behandlung von akuten und chronischen Wunden spielt. Eine aktuelle Metaanalyse mit 24 Studien und insgesamt 3.064 Patienten kommt zu dem Ergebnis, dass die Vakuum-Therapie im Vergleich zur konventionellen Therapie mit besseren Wundheilungsergebnissen verbunden zu sein scheint. Sie verkürzt die Behandlungsdauer, die Zeit bis zur Wundheilung und erhöht die Heilungsrate. Allerdings weisen die Forscher darauf hin, dass die Ergebnisse mit großer Vorsicht interpretiert werden sollten, da die eingeschlossenen Studien sehr heterogen und die Stichproben gering sind.2
Zu bedenken ist: Die Vakuum-Therapie ist eine ergänzende therapeutische Maßnahme der Wundbehandlung. Sie ist kein Ersatz für ein sorgfältiges chirurgisches Wunddébridement. Sie kann – bei den richtigen Patienten und den richtigen Wunden – jedoch eine effiziente Alternative zur klassischen konservativen Wundversorgung sein.3
Indikationen und Kontraindikationen
Die Vakuum-Therapie kann z. B. bei akuten und chronischen Weichteilschäden eingesetzt werden, bei infizierten Wunden, Wunden nach offenen Frakturen sowie nässenden chirurgischen Wunden (Sekretion > 48 h). Auch kann sie indiziert sein bei chronischen Wunden, die über drei Monate andauern, zum Beispiel beim Dekubitus, Ulcus cruris und vor allem beim diabetischen Fußsyndrom.3 Weitere Indikationen sind:
- Wunden mit freiliegenden Sehnen, Implantaten oder offenen Gelenken
- Wunden nach einer Dermatofasziotomie bei Kompartmentsyndrom
- offenes Abdomen
- sternale Wunden
- Fixierung von Spalthauttransplantaten
- Verbrennungen.3
Kontraindikationen für die Vakuumversiegelung sind die akute Blutung und Blutungsgefahr. Bei freiliegenden Gefäßen und Gefäßanastomosen (künstliche oder natürliche Verbindung zwischen Gefäßen), nekrotischem Wundgrund, einer nicht behandelten Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung) sowie Wunden in neoplastischem Gewebe ist die Vakuumtherapie ebenfalls kontraindiziert. Eine weitere Kontraindikation ist eine maligne Tumorwunde.3 Auch wenn Patienten Gerinnungsstörungen haben oder Antikoagulanzien (Gerinnungshemmer) einnehmen, sollte der Einsatz der Vakuum-Therapie gut abgewogen werden. Das gilt vor allem im häuslichen Setting, in dem die Patienten nicht kontinuierlich überwacht werden können.
Beim Kompartmentsyndrom handelt es sich um eine krankhafte Druckerhöhung innerhalb einer Muskelgruppe (Kompartiment), die von einer Bindegewebshülle (Fasziensack) umgeben ist. Die Druckerhöhung wird meist durch äußere Faktoren wie Traumata (z.B. Knochenbrüche) oder Überlastungen (z.B. durch Leistungssport) ausgelöst. Der erhöhte Gewebedruck führt zu einer verminderten Gewebedurchblutung. In akuten Fällen kann es durch diese Minderdurchblutung - neben starken Schmerzen und Taubheitsgefühlen - auch zu einer Gewebenekrose kommen. Um dies zu verhindern, kann eine (Dermato-) Fasziotomie notwendig werden. Bei diesem Verfahren wird die Haut sowie der Fasziensack der betroffenen Muskelgruppe zur Druckentlastung gespalten.4,5
Was beim Anlegen der Vakuum-Therapie zu beachten ist
Es gibt viele unterschiedliche Anbieter im Bereich der Vakuum-Therapie. Entsprechend unterschiedlich sind auch die angebotenen Systeme. Es gibt Einmal-Vakuumgeräte oder Geräte zur Mehrfachnutzung, Geräte mit oder ohne Kanister, zum Kaufen oder Leasen, mit einstellbarer oder vorgegebener Sogstärke, mit oder ohne Akku etc. In Abhängigkeit von der Wundsituation und dem Behandlungsziel gehören zum verwendeten System:
- ein schwarzer hydrophober PU-Schwamm oder ein weißer hydrophiler PVA-Schwamm, evtl. alternativ auch gewebte Baumwollgaze, die sich oft leichter in die Wunde einlegen lässt,
- eine transparente semiokklusive Klebefolie, um die Wunde luftdicht zu versiegeln
- ein Drainageschlauch (nicht kollabierbar), der den Schwamm mit der Vakuumquelle verbindet
- ein Auffangkanister für das Wundexsudat
- eine Vakuumquelle.3
Wichtig ist beim Anlegen einer Vakuum-Therapie, dass die Wunde zuvor gut gespült und gereinigt wurde (Débridement). Anschließend wird der Schwamm passend auf die Wunde zugeschnitten und in die Wunde eingelegt. Wichtig: Der Schwamm darf nicht auf der gesunden Wundumgebung liegen und der Wundrand sollte geschützt werden, damit er nicht aufweicht (z. B. mit transparenter Hautschutzfolie oder bei stark nässenden Wunden auch mit Hautschutz- oder Hydrokolloidplatten).Die Wunde wird mittels luftdichter transparenter Klebefolie versiegelt. In die Folie wird dann ein kleines Loch geschnitten, auf das der Port mit dem Drainageschlauch befestigt wird. Danach wird das Vakuumgerät mit kontinuierlichem oder intermittierendem Sog angeschlossen.3
In der Regel verbleibt die Vakuum-Therapie mindestens drei Tage auf der Wunde und es sind mehrere Zyklen möglich. Bei der maximalen Verweildauer des Verbands sind die individuellen Herstellerangaben zu beachten. Bei manchen Systemen wird eine Dauer von 7 bis 14 Tagen angegeben. Allerdings muss für eine solch lange Verweilzeit die Wundsituation sehr stabil sein. Im Krankenhaus wird meist mit kürzeren Intervallen gearbeitet.
Eine Vakuum-Therapie ist apparativ und fachlich anspruchsvoll. Bei der Anwendung ist daher zu beachten:
- Das Fachpersonal braucht Wissen und Erfahrung im Umgang mit der Vakuum-Therapie.
- Die Therapie muss kontinuierlich überwacht werden. Im häuslichen Bereich sollten die Angehörigen daher gut geschult werden, um diese Aufgabe zu übernehmen.
- Beim Patienten muss eine gute Therapieadhärenz vorhanden sein. Menschen mit kognitiven Einschränkungen könnten zum Beispiel den Verband entfernen oder den Schlauch abschneiden.
- Im häuslichen Setting muss gut geprüft werden, ob diese Therapie sicher durchführbar ist.
5 Fehler, die Sie vermeiden sollten
1. Nicht steril arbeiten: Achten Sie auf ein steriles Anlegen der Vakuum-Therapie. Arbeiten Sie möglichst zu zweit, sodass die assistierende Person Ihnen die notwendigen Utensilien steril anreichen kann.
2. Die eingesetzten Schwämme nicht zählen und dokumentieren: Wenn Sie mehrere Schwämme in die Wunde einlegen, müssen Sie diese genau zählen und die Anzahl schriftlich dokumentieren. Keinesfalls darf ein Schwamm oder eine Gaze in der Wunde verbleiben.
3. Der Port geht über die Wundränder hinaus: Geht der Port zum Anschluss des Drainageschlauchs über die Wunde hinaus, wird ein ungünstiger Druck auf die Wundränder ausgeübt. Hier kann es sinnvoll sein, den Wundrand zunächst mit Folie zu schützen und dann ein Schwammstück auf die Folie zu legen. So sind die Wundränder vor Druck geschützt.
4. Den Schwamm über der Wunde zurechtschneiden: Schneiden Sie den Schwamm nicht direkt über der Wunde auf die richtige Größe. Das Material bröselt leicht und die Krümel fallen sonst in die Wunde.
5. Versiegelung bleibt zu lange ohne Sog auf der Wunde: Der versiegelte Wundverband darf nicht länger als zwei Stunden ohne Unterdruck auf der Wunde verbleiben. Sonst ist die Infektionsgefahr wegen der feuchten Kammer unter der Folie immens. Gerade im ambulanten Setting müssen Sie dieses Risiko bedenken und den Patienten bzw. die Angehörigen anleiten, was in diesem Fall zu tun ist (Mindestversorgung: versiegelten Wundverband entfernen und Wunde mit Wunddistanzgitter und Kompressen steril abdecken).
Finanzierung und Evaluation der Vakuum-Therapie
Eine Unterdruck-Therapie ist ambulant durchführbar und kann unter bestimmten Voraussetzungen über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden. Das ist der Fall, wenn seitens des Patienten oder der Wunde spezifische Risikofaktoren vorliegen, sodass unter der Standardwundbehandlung keine ausreichende Wundheilung zu erwarten ist.1 Hier finden Sie weitere Informationen zur Abrechnung bei Wundbehandlung.
Wichtig für die Behandler: Die Durchführung der Vakuum-Therapie ist in ein medizinisches Behandlungskonzept einzubetten. Behandlungsziele, Indikation, Verlaufskontrolle und interdisziplinäre Zusammenarbeit müssen nachvollziehbar sein und gut dokumentiert werden. Erforderlich ist zudem, dass der Arzt während des Verbandwechsels anwesend ist. Auch muss er die Wunde regelmäßig kontrollieren und die Indikation zur Vakuum-Therapie überprüfen (inkl. Dokumentation).1
So geht es nach der Vakuum-Therapie weiter
Die Dauer der VAC-Therapie ist abhängig von der individuellen Patientensituation und dem Wundzustand. Wenn die Menge des Wundexsudats während der Therapie deutlich abnimmt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Wunde zu epithelisieren beginnt. Dann kann überlegt werden, ob und wie lange die Vakuum-Therapie noch fortgesetzt werden soll.
Wird die Vakuum-Therapie beendet, sollte sich eine moderne Wundversorgung mit entsprechenden Verbänden anschließen. Dazu gehören Schaumstoff-Wundauflagen, Alginatkompressen, Hydrokolloid-Verbände und silikonisierte, nicht verklebende Wunddistanzgitter. Diese sorgen für ein optimales feuchtwarmes Wundmilieu und reduzieren ein Austrocknen und Auskühlen der Wunde. Auch ermöglichen sie längere Tragezeiten, sodass die Wunde in Ruhe heilen kann.