Ulcus cruris venosum
Das Ulcus cruris venosum (UCV) ist eine mindestens bis in die Lederhaut (Dermis) reichende Wunde am Unterschenkel, die infolge einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) entsteht.
Mit einem Anteil von etwa 50 % ist das UCV die häufigste Form des Ulcus cruris. Es stellt die schwerste Verlaufsform der CVI dar und ist von Beginn an als chronische Wunde zu betrachten.
Wie wird ein Ulcus cruris venosum behandelt?
Zur Behandlung des UCV gehört sowohl eine Versorgung der Wunde als auch die Therapie der Grunderkrankung, der chronischen venösen Insuffizienz (CVI). Beide Therapiekomponenten sind wichtig, damit das UCV heilen kann.
Wundversorgung und geeignete Wundauflagen beim Ulcus cruris venosum
Zur Wundtherapie des Ulcus cruris venosum (UCV) gehören eine regelmäßige Wundreinigung bzw. ein geeignetes Debridement, eine phasengerechte idealfeuchte Wundversorgung und ein hygienischer Verbandwechsel.
Die Auswahl der geeigneten Wundauflage ist abhängig von Faktoren wie der Wundsituation, der Wundheilungsphase, der Exsudatmenge und dem Zustand des Wundrandes bzw. der Umgebungshaut.
Das UCV neigt zu starker Exsudation, die sich in der initialen Entstauungsphase der Kompressionstherapie noch verstärken kann. In diesem Fall sollten Wundauflagen zur Anwendung kommen, die auch unter dem Druck der Kompressionstherapie viel Exsudat aufnehmen können, wie zum Beispiel Superabsorber. Diese verfügen über eine sehr hohe Aufnahmekapazität und absorbieren überschüssige Wundflüssigkeit, die in ihrem Inneren in Gel umgewandelt wird. Verringert sich die Exsudatmenge im Verlauf der Therapie, wird dementsprechend auch die Wahl der Wundauflage angepasst. In der Regel empfiehlt sich eine Wundauflage ohne Haftrand oder mit einer hautfreundlichen haftenden Variante (z. B. Silikon), da die Haut bei UCV-Patienten oft sehr trocken und empfindlich ist und zu Ekzemen neigt. Sorgen Sie für ein optimales Feuchtigkeitsmilieu. Überprüfen Sie daher regelmäßig das Wechselintervall der Verbände und passen Sie die Wundauflage an den aktuellen Wundstatus und die Exsudatmenge an. Verwenden Sie bei hohen Exsudatmengen einen Hautschutzfilm, um die Umgebungshaut vor Feuchtigkeit zu bewahren und eine Mazeration von Wundrand und Umgebungshaut zu vermeiden.
Achtung: Bei Anwendung von Wundauflagen unter Kompressionsmaterialien sollten Sie stets prüfen, ob diese auch laut Herstellerangaben für diesen Gebrauch geeignet sind.
Liegt eine Infektion des UCV vor, sind entsprechende Behandlungsmaßnahmen einzuleiten. Informationen hierzu finden Sie im Artikel Infizierte Wunden, Wundinfektion erkennen und behandeln
Die Patientin in diesem Fallbeispiel schämte sich für ihr Ulcus cruris venosum, sie suchte lange Zeit keinen Arzt auf. Erst durch die empathische Intervention eines Familienmitglieds suchte die Frau sich Hilfe.
Fallbeispiel lesenInvasive Wundtherapie beim Ulcus cruris venosum
In manchen Fällen kann oder muss die Heilung eines Ulcus cruris venosum (UCV) durch invasive Therapiemaßnahmen an der Wunde unterstützt werden. Folgende Optionen stehen zur Verfügung:
Hautersatzverfahren
Bei Patienten mit einem UCV können zur Beschleunigung der Wundheilung autologe Hautersatzverfahren wie Spalt- oder Vollhauttransplantationen oder alternativ körperfremde Hautersatzpräparate zur Deckung der Wunde verwendet werden.
Shave-Therapie
Liegt bei Betroffenen ein therapierefraktäres UCV mit Dermatoliposklerose vor, kann die Shave-Therapie eine Option sein. Bei dieser Methode werden Nekrosen sowie fibrotische/sklerotische Ulkusanteile kontrolliert abgetragen bis zum Erzielen zahlreicher kapillärer Blutungen. So entsteht eine frische Wundfläche mit verbesserten Heilungschancen.
Fasziektomie
Die Fasziektomie ist tiefgreifender als die Shave-Therapie und nur in Einzelfällen sinnvoll. Bei therapierefraktärem UCV und ausgeprägter Dermatolipofasziosklerose werden sämtliche nekrotischen Gewebeanteile inklusive der Faszie entfernt.
Behandlung der Grunderkrankung - Stellenwert der Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie ist die Basistherapie der chronischen venösen Insuffizienz (CVI). Durch sie werden Ödeme der Beine abgebaut und die Abheilung des venösen Ulkus ermöglicht. Die Akzeptanz der Therapiemaßnahme und die Mitarbeit der Betroffenen ist hierbei entscheidend, denn die Kompressionsmaterialien können nur wirken, wenn sie auch getragen werden.
In der Entstauungs- und Erhaltungsphase der Kompressionstherapie werden verschiedene Kompressionsmittel eingesetzt, die im Artikel Kompressionstherapie und Kompressionsverband ausführlich erläutert werden.
In der Entstauungsphase der UCV-Therapie werden üblicherweise phlebologische Kompressionsverbände eingesetzt. Da deren korrekte Anwendung fachmännische Anleitung, Übung und Erfahrung erfordert, sind sie oft nicht von Betroffenen oder Angehörigen selbst anlegbar. Eine Alternative bieten medizinische adaptive Kompressionssysteme. Diese dienen hauptsächlich der Entstauung, aber können bei der Therapie des UCV auch in der Erhaltungsphase verwendet werden. Ihr Vorteil liegt in der einfachen Handhabung. Bei therapierefraktärem UCV wird zusätzlich zur medizinischen Kompressionstherapie die intermittierende pneumatische Kompression empfohlen.
In der Erhaltungsphase werden bei der Behandlung des UCV Ulkus-Kompressionsstrumpfsysteme eingesetzt, die aus zwei Strümpfen bestehen. Der untere Strumpf hat einen geringeren Anpressdruck und kann gut über Wundverbände angelegt werden, während der darüberliegende Strumpf mit höherem Anpressdruck platziert wird, ohne den unteren Strumpf zu verschieben.
Ausführliche Informationen zur phlebologischen Kompressionstherapie inklusive dem richtigen Vorgehen bei begleitender peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) erhalten Sie im Artikel Kompressionstherapie und Kompressionsverband.
Bewegung und Kompression gehören zusammen
Regelmäßige körperliche Aktivität unterstützt die Abheilung eines UCV, denn die Kompressionstherapie entfaltet ihre volle Wirkung erst bei Aktivierung der Muskel- und Gelenkpumpen. Die S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des UCV empfiehlt die Anleitung der Patientinnen und Patienten zu regelmäßiger körperlicher Aktivität, möglichst in Form von Venensport. Diese kann das Wohlbefinden steigern, die Krankheitslast positiv beeinflussen und das Auftreten von Rezidiven vermindern.
Patientenadhärenz
Die Kompressionstherapie muss beim UCV und zur Vermeidung von Rezidiven lebenslang erfolgen. Jedoch wird diese von vielen Betroffenen als unangenehm empfunden und insbesondere nach Abheilung der Wunde nur unregelmäßig getragen. Daher spielt die Adhärenz der Betroffenen zur Kompressionstherapie eine bedeutende Rolle. Diese lässt sich durch Patientenedukation und Stärkung des Selbstmanagements der Betroffenen fördern. Im Artikel zur Adhärenz wird ausführlich erläutert, wie die Adhärenz speziell beim Ulcus cruris venosum gesteigert werden kann. Die allgemeinen Tipps zur Förderung der Adhärenz in der Wundtherapie gelten auch beim UCV.
Behandlung der Grunderkrankung - Interventionelle und operative Maßnahmen am Venensystem
Bei Patientinnen und Patienten mit einem Ulcus cruris venosum (UCV) sollte geprüft werden, ob interventionelle oder operative Maßnahmen am oberflächlichen Venensystem die Stauungssymptomatik lindern können. Nach einer Risiko-Nutzen-Abwägung und Abstimmung mit der betroffenen Person empfiehlt die S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum eine frühzeitige operative oder ablative Therapie der problematischen Venen oder Venenabschnitte, um die Heilung des UCV zu beschleunigen und das Rezidivrisiko zu senken. Die Eingriffsmöglichkeiten werden im Artikel zur chronischen venösen Insuffizienz (CVI) erläutert.
Wie verläuft die Heilung beim Ulcus cruris venosum?
Chronische Wunden wie das Ulcus cruris venosum (UCV) benötigen eine längere Heilungsdauer als akute Wunden, da sie meist bereits in der ersten Phase der Wundheilung “feststecken”.
Grundsätzlich durchlaufen alle Wunden auf ihrem Weg zur Heilung drei Wundheilungsphasen: die Exsudations-, die Granulations- und schließlich die Epithelisierungsphase. Ein UCV kann während seiner Heilung in jeder dieser Phasen stagnieren und sogar wieder in eine frühere Heilungsphase zurückfallen. Ursächlich dafür ist die chronische venöse Insuffizienz (CVI), deren schwerste Ausprägung das UCV ist. Durch sie wird dem Gewebe kontinuierlich Schaden zugefügt und eine Abheilung der Wunde verhindert. Deshalb ist die Behandlung der Grunderkrankung essenziell.
Beim UCV sollte spätestens nach sechswöchiger Therapie gemäß S2k-Leitlinie eine Heilungstendenz erkennbar sein. Eine fehlende Heilungstendenz sollte differenzialdiagnostische Untersuchungen wie beispielsweise eine Biopsie und histologische Analyse nach sich ziehen.
Jetzt Fallbeispiel der Behandlung eines Ulcus cruris venosum ansehen.
Zum WundverlaufWas sind Symptome eines Ulcus cruris venosum?
An den Beinen von UCV-Patienten zeigen sich neben der offenen Wunde für gewöhnlich Symptome der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) wie Varizen und Ödeme. Letztere können mit Spannungsgefühl, Schmerzen und Juckreiz einhergehen.
Weitere typische Hautveränderungen bei CVI:
- Hyperpigmentierung (Purpura jaune d‘ ocre)
- Stauungsekzem / Stauungsdermatitis
- Dermatoliposklerose
- Atrophie blanche
- Corona phlebectatica paraplantaris
Der Wundschmerz des UCV variiert von kaum bis mäßig, starke Wundschmerzen kommen eher selten vor.
Wo ist das Ulcus cruris venosum typischerweise lokalisiert?
Definitionsgemäß ist das Ulcus cruris venosum am Unterschenkel lokalisiert (siehe unten). Als typische Lokalisation wird der Innenknöchel beschrieben, ggf. zirkumferent (Gamaschenulkus).
Seltener ist das UCV am Außenknöchel lokalisiert.
Wie wird ein Ulcus cruris venosum diagnostiziert?
Als Ulcus cruris (UC) werden Wunden am Unterschenkel mit verschiedenen Ursachen bezeichnet (Differenzialdiagnosen des UC). Weil die Therapie aber abhängig von der Ursache ist, ist eine korrekte Diagnosestellung entscheidend für den Heilungsverlauf. Da viele Menschen sowohl an einer chronischen Venenschwäche als auch einer arteriellen Durchblutungsstörung leiden, müssen beide Grunderkrankungen differenziert bewertet werden, um eine korrekte Einschätzung zu erhalten und geeignete Therapiemaßnahmen ableiten zu können.
Zur diagnostischen Abklärung eines Ulcus cruris venosum gehören unter anderem folgende Untersuchungen:
- Detaillierte Anamnese
- Klinische Untersuchung mit Inspektion und Palpation
- (farbcodierte) Duplexsonografie
- Bestimmung des Knöchel-Arm-Druck-Index (KADI bzw. ABPI) zur Erhebung des arteriellen Status
Übersetzung des Begriffes Ulcus cruris venosum
- Ulcus = "Geschwür" oder "offene Wunde"
- cruris = des Unterschenkels
- venosum = venös bedingt
Einordnung innerhalb der CVI-Stadien
Das Ulcus cruris venosum (UCV) stellt die schwerste Verlaufsform einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) dar. Gemäß CEAP-Klassifikation wird das UCV als Stadium C6 in florider bzw. C5 in abgeheilter Form definiert.
Was sind die Ursachen eines Ulcus cruris venosum?
Zu einem Ulcus cruris venosum (UCV) kann es bei lange bestehender, unbehandelter chronischer venöser Insuffizienz kommen (CVI) kommen. Bei der CVI liegt eine Schwäche der Venen und der Venenklappen vor, wodurch das Blut nicht mehr vollständig aus den Beinen zum Herzen zurücktransportiert werden kann. Das Blut staut sich dann in den Beinen, insbesondere in der Knöchelregion. Hierdurch kommt es zur Druckerhöhung in den Beinvenen, Ödemen und langfristig zu einer Schädigung des umliegenden Gewebes in Form von Hautveränderungen bis hin zum Ulcus cruris.
Was sind die Risikofaktoren des Ulcus cruris venosum?
Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) mit Entwicklung eines Ulcus cruris venosum (UCV) sind:
- CVI-spezifische Hautveränderungen (z.B. Stauungsdermatitis, Atrophie blanche, Dermatoliposklerose)
- Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose
- Adipositas
- Zunehmendes Lebensalter
Risikofaktoren, die zur Entstehung einer CVI beitragen können, sind im Artikel chronische venöse Insuffizienz (CVI) beschrieben.
Vorbeugung und Prophylaxe
Maßnahmen zur Vorbeugung eines Ulcus cruris venosum (UCV) umfassen die Kombination von lebenslanger Kompressionstherapie und Bewegung sowie adäquater Hautpflege und gesunder Ernährung.
Bewegung
Bewegung ist wichtig und fördert die Entstauung der Beine:
- mehrmals täglich kurze Fußgymnastik, Gehübungen und Bewegungsübungen durchführen;
- dabei die Füße kreisen und strecken und die Zehen beugen;
- täglich einen 30-minütigen Spaziergang machen;
- Bewegungen sollten keine Schmerzen verursachen und zwischendurch sollten Ruhephasen eingelegt werden;
- in den Ruhepausen die Beine hochlegen, sodass die Flüssigkeit schneller abfließen kann;
- 3L3S-Regel beherzigen: Lieber Laufen und Liegen Statt Sitzen und Stehen;
- keine schweren Gegenstände oder Taschen tragen.
Bekleidung
- Tragen von Schuhen mit flachen Absätzen;
- Tragen von etwas weiterer Kleidung, die nicht einschnürt;
- Kompressionsstrümpfe müssen auch nach Abheilung des UCV lebenslang getragen werden, damit das Risiko für eine neue Wunde vermindert wird.
Hautpflege und Hautschutz
- Die Haut sollte regelmäßig gepflegt werden. Durch die Kompressionsmaterialien trocknet die Haut oft aus, dadurch kommt es zu Juckreiz und Spannungsgefühlen.
- Die Verwendung von Wasser-in-Öl-Gemischen (W/O-Creme) und rückfettenden Salben ist hilfreich. Auf Inhaltsstoffe, die die Haut reizen oder potenziell Kontaktallergien auslösen können wie Duftstoffe oder Konservierungsstoffe sollten bei Körperpflegeprodukten verzichtet werden.
- Direkte Hitze z. B. durch Sonne, Wärmflaschen oder dicke Decken ist nicht ratsam. Hohe Temperaturen lassen die Beine anschwellen und trocknen die Haut aus.
- Das sanfte Abtrocknen der Haut verhindert Hautschäden.
Ernährung
Personen mit chronischen Wunden haben häufig einen erhöhten Bedarf an Eiweiß und Flüssigkeit, da der Körper – abhängig von der Wundgröße – erhebliche Mengen an Eiweiß und Wasser verlieren kann. Es ist darauf zu achten, dass dies durch die Nahrungsaufnahme kompensiert wird. Es sollten ausreichend Wasser, ungesüßter Tee oder verdünnte Säfte getrunken werden. Auch eine eiweißreiche Kost ist wichtig, um den Verlust auszugleichen. Hier bieten sich Milchprodukte, Eier und mageres Geflügelfleisch an.
Insgesamt ist eine gesunde Ernährung wichtig, um die Wundheilung positiv zu beeinflussen. Genauso wichtig ist aber auch, dass sich die Person wohlfühlt. Der Arzt hilft bei einer Ernährungsberatung.
Checkliste Ernährung:
- gesunde und ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und Gemüse;
- bereits eine leichte Gewichtsreduktion kann die Wundheilung und das Empfinden positiv beeinflussen;
- ausreichend Trinken;
- an den persönlichen Ernährungsplan halten.