Sturzprophylaxe: 6 Tipps für die Pflege

Sturzprophylaxe: 6 Tipps für die Pflege

Im Alter und bei Pflegebedürftigkeit nimmt das Sturzrisiko zu. Wie können Pflegekräfte Menschen vor einem Sturz und den oft gravierenden Folgen schützen?

Viele Menschen haben Angst zu stürzen. Ihre große Sorge ist, nach einem Sturz im Alter pflegeabhängig zu werden. Denn gerade bei Frakturen am Oberschenkel oder an der Hüfte ist die Mobilität oft langfristig beeinträchtigt. Meist ist ein längerer Klinikaufenthalt notwendig und danach nicht selten der Umzug in ein Pflegeheim. 

Hinzu kommt: Sind ältere Menschen einmal gestürzt, kann es aus Angst vor einem erneuten Sturz zu einer weiteren Immobilisierung führen (Post-Fall-Syndrom). Damit steigt wiederum das Risiko, erneut zu stürzen. Häufig kommt es auch zur sozialen Isolation oder anderen psychischen Belastungen, wie z.B. Depressionen.

Wichtig: Das Sturzrisiko individuell einschätzen

In der Regel gibt es nicht die eine Sturzursache, sondern es kommen mehrere Faktoren zusammen. Der Expertenstandard Sturzprophylaxe1 unterteilt in personen-, medikamenten- und umgebungsbezogene Risikofaktoren. Zu den personenbezogenen Risiken gehören zum Beispiel eine eingeschränkte Gehfähigkeit, Schwindel, Kontinenzprobleme, eine starke Sehschwäche oder kognitive Beeinträchtigungen. Medikamente, die das Sturzrisiko erhöhen, sind u.a. Antihypertensiva, Antidepressiva, Neuroleptika und Sedativa. Auch die Umgebung selbst kann zur Stolperfalle werden, zum Beispiel wenn das Umfeld schlecht beleuchtet ist, Teppiche rutschen oder Kabel herumliegen. 

Für Pflegekräfte ist es wichtig, diese Risikofaktoren zu kennen und zu erkennen. Das hilft, eine Sturzgefährdung individuell einzuschätzen. Sturzrisikoskalen werden bei der Einschätzung des Sturzrisikos nicht empfohlen, da sie aus pflegewissenschaftlicher Sicht keinen Nutzen bringen. Entscheidend ist die klinische Einschätzung vor Ort. Dazu können Pflegekräfte beobachten, wie sich der Bewohner bzw. Patient bewegt, zum Beispiel wie er vom Stuhl aufsteht, einen Rollator nutzt, die ersten Schritte geht oder wie er die Richtung wechselt. Auch sollten Pflegende die Umgebung gut im Blick haben.

Mobil, sicher und Stürze vermeiden – 6 Tipps

Der Expertenstandard Sturzprophylaxe gibt Pflegekräften wichtige Empfehlungen, wie sie sturzgefährdete Menschen schützen können. Denn nicht nur zu Hause, auch im Pflegeheim oder Krankenhaus ist die Sturzprophylaxe ein wichtiges Thema. Das oberste Ziel des Expertenstandards ist, Stürze weitgehend zu vermeiden und Sturzfolgen zu minimieren. Im Folgenden sind wesentliche Tipps zusammengefasst. 

Tipp 1: Bewegung fördern

Bewegung ist die beste Sturzprophylaxe. Studien zeigen, dass ein Kraft- und Balancetraining die Sturzrisiken und -folgen senken kann. Auch alltägliche Bewegungen sind wichtig, zum Beispiel die selbstständige Körperpflege oder der Gang über den Flur. Pflegekräfte sollten pflegebedürftige Menschen regelmäßig daran erinnern, wie wichtig Bewegung ist und sie ermutigen, möglichst viel selbst zu tun. 

Wenn Bewohner oder Patienten sehr gangunsicher sind, sollten sie das Bett oder den Sessel nur in Begleitung verlassen. Auch wenn sie starke Medikamente eingenommen haben, sollten sie nicht allein aufstehen. Bewegung ist bei der Sturzprophylaxe grundsätzlich das Mittel der Wahl. Kontraproduktiv ist hingegen, wenn sturzgefährdete Menschen in ihrer Bewegung eingeschränkt werden oder am Aufstehen gehindert werden. Studien belegen, dass freiheitsentziehende Maßnahmen die Sturzgefahr erhöhen. 

Tipp 2: Die Umgebung sturzsicher gestalten

Schlechte Lichtverhältnisse, zu hohe Betten oder ungeeignete Schuhe und Pantoffeln können die Sturzgefahr erhöhen – sowohl im Pflegeheim als auch zu Hause. Ein besonderes Risiko ist, wenn sich die Umgebung des sturzgefährdeten Menschen plötzlich verändert, zum Beispiel bei Aufnahme ins Krankenhaus oder einem Zimmerwechsel. Dann sollten Pflegekräfte besonders wachsam sein. Zu einer sicheren Gestaltung der Umgebung gehören:

  • Gute Lichtverhältnisse schaffen, evtl. ein Nachtlicht besorgen, leicht bedienbare Lichtschalter einsetzen,
  • Wichtige Gegenstände in Reichweite platzieren, z. B. Brille, Klingel, Gehhilfe, Lichtschalter, Getränke, etc.
  • Ausreichend Getränke anbieten, um Kreislaufprobleme durch Flüssigkeitsmangel zu vermeiden,
  • Höhe des Bettes und der Sitzgelegenheit so wählen, dass ein leichtes Aufstehen möglich ist,
  • Stolperfallen, z. B. Kabel am Boden, beseitigen; Türschwellen und Stufen auffällig markieren; evtl. Teppiche entfernen (in häuslicher Umgebung oft nicht notwendig, da alte Menschen so daran gewöhnt sind, dass sie über „bekannte“ Teppichkanten nicht stolpern),
  • Rutschsichere Unterlagen im Bad platzieren, Handgriffe fachgerecht anbringen lassen,
  • Schuhwerk prüfen, ob es sicheres Stehen und Gehen ermöglicht,

Tipp 3: Hilfsmittel sinnvoll einsetzen

Hilfsmittel können das Sturzrisiko senken, allerdings sollten sie mit Bedacht eingesetzt werden. Gehstöcke, Rollatoren und Gehwagen können die Mobilität fördern und sturzgefährdeten Menschen ein hohes Maß an Sicherheit geben. Wichtig ist, dass sie individuell angepasst sind und die betroffene Person im Umgang damit angeleitet wird. Handgriffe im Zimmer, Flur oder Bad sind weitere sinnvolle Hilfsmittel.

Der Expertenstandard empfiehlt den Einsatz von Hüftprotektoren, auch wenn die Wirksamkeit nicht eindeutig geklärt ist. Favorisiert werden dabei weiche Hüftprotektoren, die einen hohen Tragekomfort haben. Bei einem ausgeprägten Sturzrisiko können auch Sturzhelme sinnvoll sein. Technische Hilfsmittel, die zur Sturzprophylaxe Sinn ergeben können, sind zum Beispiel Bewegungsmelder oder höhenverstellbare Betten bis hin zu Niedrigbetten. Hier ist der Nutzen individuell zu prüfen.

Sturzprophylaxe: Rollstuhl, Schuhwerk

Tipp 4: Medikation überprüfen

Es gibt zahlreiche Medikamente, die aufgrund ihrer Nebenwirkungen sturzrelevant sind, zum Beispiel Herzkreislauf-Medikamente oder Psychopharmaka. Auch wenn fünf oder mehr Medikamente gleichzeitig eingenommen werden (Polypharmazie), ist das Sturzrisiko oft erhöht. Zu empfehlen ist daher eine regelmäßige Überprüfung der Anzahl, Dosis sowie Notwendigkeit der verordneten Medikamente, vor allem bei Psychopharmaka. Das liegt zwar in der Verantwortung des Arztes, Pflegekräfte können dieses Thema aber ansprechen und eine Überprüfung anregen. Werden Nebenwirkungen von sturzrelevanten Medikamanten beobachtet, muss dies dokumentiert und an den Arzt weitergegeben werden.

Tipp 5: Sturzgefährdete Menschen und ihre Angehörigen beraten

Maßnahmen zur Sturzprophylaxe können das Leben der sturzgefährdeten Person positiv beeinflussen, zum Beispiel, wenn zu Hause die Umgebung angepasst oder ein Kurs zum Balancetraining die Standsicherheit erhöht. Diese Maßnahmen setzen jedoch das Einverständnis des Betroffenen voraus. Deshalb ist es wichtig, dass Pflegekräfte über das Sturzrisiko informieren und zu prophylaktischen Maßnahmen und zu Sturzprophylaxe-Übungen beraten. Betroffene und Angehörige sollten auf besonders risikobehaftete Situationen aufmerksam gemacht werden, wie nächtliches Aufstehen oder fehlende Haltegriffe. Zudem sollten sie ermutigt werden, bei Bedarf immer pflegerische Unterstützung anzufordern. Im häuslichen Bereich kann auch ein Hausnotruf das Sicherheitsgefühl erhöhen und so die Mobilität fördern. 

Tipp 6: Erfolgte Stürze analysieren

Kommt es trotz Sturzprophylaxe-Maßnahmen zum Sturz, sollte dieser genau dokumentiert und analysiert werden. So können mögliche Ursachen eines Sturzes erfasst und künftig ausgeschaltet werden. Hilfreich ist dabei ein Sturzereignisprotokoll. Notiert werden Angaben zur gestürzten Person, Zeit und Ort des Sturzes, die Sturz- und Umgebungssituation, das Befinden und die Aktivität vor dem Sturz, die unmittelbaren Folgen des Sturzes sowie eingeleitete Folgemaßnahmen wie Erste Hilfe oder Arztbesuch. Ein Beispiel für ein Sturzereignisprotokoll finden Sie hier.

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.