Silber in der Wundversorgung

In vielen Produkten der modernen Wundversorgung wird Silber als antimikrobieller Wirkstoff zur Behandlung von Wundinfektionen verwendet.

Welcher Wirkmechanismus diesen Wundauflagen zu Grunde liegt, welche Produktvarianten auf dem Markt zur Verfügung stehen und welche Kontraindikationen es gibt, beantwortet dieser Artikel.

Wirkmechanismus von Silber

Silber zeigt eine hohe Wirksamkeit gegen viele Erreger in Wunden.

In metallischer Form ist Silber nicht reaktionsfähig, nur positiv geladene Teilchen, die Silberkationen erzeugen die antimikrobielle Wirkung. Die Silberkationen binden sich an unterschiedliche Strukturen des Erregers (Zellwand, Bindung an Erregerproteine etc.) und zerstören den Erreger. Silber zeigt eine hohe Wirksamkeit gegen viele Erreger in Wunden. Dazu gehören Hefen, Viren, Gram-positive (z.B. MRSA) und Gram-negative Bakterien. Zur Abtötung von Mikroorganismen werden nur kleinste Mengen an Silber benötigt.
 

Möglichkeit der Resistenzbildung

Obwohl in der Fachliteratur wenige Hinweise auf Resistenzbildung zu finden sind, konnte dies bisher wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Allerdings sind Anpassung einiger Erregertypen an den Wirkmechanismus auf lange Sicht denkbar, da Silber mittlerweile in Gegenständen des täglichen Lebens und in der Hautpflege häufig eingesetzt wird.

Anwendung bei Wunden

Ziel der Behandlung mit silberhaltigen Wundauflagen ist die Verringerung der Keimbelastung, die Behandlung der lokalen Infektion und das Vermeiden einer allgemeinen (systemischen) Infektion.

Studien zeigen ebenfalls, dass silberhaltige Wundauflagen die Biofilmmatrix destabilisieren können. Damit das Silberkation seine Funktion erfüllen kann, muss die Wunde genügend Exsudat produzieren. Dafür ist ein enger Kontakt zwischen Wundgrund und der silberhaltigen Wundauflage notwendig.

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Zweckbestimmungen

Zweckbestimmungen können herstellerabhängig unterschiedlich sein.

Exsudierende chronische und akute Wunden mit dem Risiko oder den Anzeichen einer lokalen Infektion. In Kombination mit Aktivkohle können spezielle silberhaltige Kompressen sehr effektiv gegen Wundgeruch eingesetzt werden.

Eine Anwendung zur Vorbeugung von Infektionen ist wundabhängig kritisch zu prüfen, da die Produkte hochpreisig sind und der Nutzen für die Prophylaxe nicht eindeutig nachgewiesen ist.

Historie

Schon vor 7.000 Jahren wurde in China erkannt, dass Silber über konservierende Eigenschaften verfügt.

Aufzeichnungen aus Indien und Ägypten beschreiben bereits um 2.000 v. Chr., dass abgekochtes Wasser in silbernen Behältnissen über längere Zeit frisch blieb. Über die ersten medizinischen Einsätze von Silber bzw. Silberverbindungen berichten sowohl ägyptische als auch persische Ärzte um 900 v.Chr. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde die antimikrobielle Wirkung von Silber nachgewiesen.

Daraufhin wurde viele Jahrzehnte lang Silbernitratlösung bei Neugeborenen zur Prophylaxe gegen Bindehautentzündung verwendet. 1895 wurde im Rahmen der Wundversorgung zum ersten Mal ein Silberdraht als Nahtmaterial gegen Sepsis erfolgreich eingesetzt.

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Kontraindikationen

Diese unterscheiden sich von Produkt zu Produkt. Dazu gehören z.B.

  • nicht-exsudierende Wunden,
  • Verbrennungen 3. Grades,
  • Überempfindlichkeit gegenüber den Inhaltsstoffen,
  • Versorgung stark blutender Wunden,
  • Geschwüre als Folge von Infektionen, wie Tuberkulose und Syphilis,
  • tiefe Pilzinfektionen.

Schwangerschaft und Stillzeit

Generell spricht nichts gegen die Anwendung in solchen Phasen, einige Hersteller raten allerdings davon ab. Im Einzelfall sollte die Schwangere Rücksprache mit ihrer behandelnden Ärztin/ihrem behandelnden Arzt halten.

Anwendungshinweise

Bei der Wundreinigung ist zu beachten, dass einige Hersteller keine physiologische Kochsalzlösung oder Octenidin-haltige Antiseptika dafür empfehlen.

Einige Hersteller weisen darauf hin, dass silberhaltige Verbände nicht mit Hydrogelen oder Vaseline kombiniert werden dürfen. Da infizierte Wunden stark nässen, kann die Abdeckung bei nicht klebenden und nicht saugfähigen silberhaltigen Wundauflage mit einer zusätzlichen Saugkompresse sinnvoll sein.

Herstellerabhängig muss überprüft werden, ob die Wundauflage bei bildgebenden diagnostischen Maßnahmen wie Röntgen oder MRT oder Strahlentherapie entfernt werden muss. Bei großflächiger Anwendung oder bei Kindern oder während Schwangerschaft und Stillzeit ist die Anwendung ärztlicherseits auf das Nutzen- Risiko- Verhältnis zu betrachten.

Im Berufsalltag in Praxis oder bei der häuslichen Pflege steht der Wundversorger vor einer Vielzahl unterschiedlichster Silberwundauflagen. Dies führt zur Verwirrung, da Silberauflage nicht gleich Silberauflage ist und keinesfalls die eine gegen die andere ausgetauscht werden darf.

Alternativen zur Anwendung silberhaltiger Wundauflagen

Manche Hersteller bieten keine silberhaltigen Wundauflagen an, sondern stellen unterschiedliche Produkte mit Polihexanid (PHMB), Manuka-Honig oder hydrophob-beschichtete Wundauflagen zur Therapie von kritisch kolonisierten oder infizierten Wunden im Markt bereit.

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Produktvarianten

Silber kommt in zahlreichen Formen in Verbänden vor:

  • als elementares Silber – z. B. Silbermetall, nanokristallines Silber
  • als anorganische Verbindung – z. B. Silberoxid, Silberphosphat, Silberchlorid, Silbersulfat, Silber-Calcium-Natriumphosphat, Silber-Zirkonium-Verbindung
  • als organischer Komplex – z. B. Silberalginat, Silbercarboxymethylcellulose.

In Wundauflagen liegt der Silberbestandteil entweder als Beschichtung (elementares oder nanokristallines Silber) oder innerhalb der Wundauflage (Silberverbindungen oder Silberalginat) vor. Bei beschichteten Produkten kommt das Silber direkt mit der Wunde in Kontakt und wirkt dort antimikrobiell. Bei der anderen Produktkategorie kann das Silber nur die Erreger abtöten, die mit dem Wundexsudat in den Verband gesogen werden. Vermutlich kann auch hier Silber direkt in die Wunde gelangen. Der Silbergehalt in den Wundauflagen schwankt erheblich. Noch ist ungeklärt, ob die Verfügbarkeit der antimikrobiellen Leistung und die Menge an Silber miteinander zusammenhängen.

In den unterschiedlichen Wundheilungsphasen können silberhaltige Produkte folgendermaßen eingesetzt werden:

Kontamination/Kolonisation

  • Tiefe Wunden: Wundfüller (Alginat oder Hydrofaser) mit Silber,
  • Oberflächliche Wunden: Wundauflage (Tüll oder Gaze) mit Silber

Kritische Kolonisation/Infektion

  • Tiefe Wunden: Wundfüller (Alginat oder Hydrofaser) mit Silber,
  • Oberflächliche Wunden: Wundauflage (Schaumstoff) mit Silber

Nebenwirkungen

Als Nebenwirkungen wurden Wundverfärbungen beobachtet.

Allergien oder irreversible Einlagerung von Silber in die Haut sind in der Praxis sehr selten. Freigesetztes Silber gelangt in den Blutkreislauf, der größte Teil wird über die Nieren mit dem Urin bzw. über die Gallenflüssigkeit mit dem Stuhl ausgeschieden, kleinste Mengen können im Körper verbleiben.

Anwendungsdauer: Nach 10 bis 14 Tagen sollte jede antimikrobielle Therapie kritisch überprüft und angepasst werden. Bei einer Wundinfektion sollte der Verbandwechsel in den ersten Tag täglich erfolgen.

Verschreibungspflicht: Bis auf eine Ausnahme sind silberhaltige Wundauflagen nicht verschreibungspflichtig.
 

Zusätzliche Aspekte

Die Anwendung bei Kindern mit Verbrennungen und Epidermolysis bullosa muss kritisch hinterfragt werden. Einige Studien deuten darauf hin, dass Silber bei diesem Patientenkreis resorbiert wird und die Silberkonzentration im Blut erhöht. Andere In-vitro-Studien deuten darauf hin, dass Nanosilber Fibroblasten schädigen könnte. Ebenfalls ungeklärt sind die Auswirkungen von Silber auf die Umwelt bei der Entsorgung.

Weitere Kriterien sollten vor der Verordnung von silberhaltigen Verbänden überprüft werden. Ist die Wunde klein oder sauber und es liegen keine Infektionszeichen vor, verheilen die Wunden entsprechend der Begleiterkrankungen. Wurde die Wunde mit enzymhaltigen Salben gereinigt, sind silberhaltige Wundauflagen überflüssig.

Fazit

Silberhaltige Wundauflagen dienen nicht der Wundheilung.

Silberverbände können einen wichtigen Beitrag zur Behandlung infizierter Wunden auf dem Hintergrund wachsender Antibiotikaresistenzen leisten. Dazu sind grundsätzlich immer die Hinweise des Herstellers auf Verpackung und Gebrauchsanweisung zu beachten. Vor Auflage einer silberhaltigen Wundauflage ist die Wunde situationsgerecht zu reinigen. Silber sollte nur bei kritisch kolonisierten oder infizierten Wunden nach ärztlicher Anweisung eingesetzt werden. Silberhaltige Wundauflagen dienen nicht der Wundheilung. Sobald die Infektion erfolgreich behandelt wurde, ist auf wirkstofffreie hydroaktive Wundauflagen zu wechseln. Weitere Studien zur Wirksamkeit, Nutzen- Risiko- Verhältnis und Umwelt sind notwendig.

Literatur

Die Autorin Anette Skowronsky
Portrait Anette Skowronsky mit rotem Blazer

Anette Skowronsky ist Apothekerin, Fachbuchautorin und Qualitätsauditorin für Medizinprodukte. Als Geschäftsführerin der MedConCap GmbH ist sie verantwortlich für die Produktentwicklung von Verbandstoffen. Bei Dr. Ausbüttel ist sie seit 2009 im Rahmen der Fortbildungen der modernen Wundversorgung als Moderatorin tätig.