Schichtdienst – So können Pflegekräfte die Belastung verringern
Ob Früh-, Spät- oder Nachtdienst – wer in der Pflege arbeitet, muss sich auf wechselnde Dienste einstellen. Die folgenden Tipps helfen, diese möglichst gesund und entspannt zu meistern.
Auch Arbeitgeber können ihren Teil dazu beitragen, um gesundheitliche Belastungen durch Schichtdienst zu vermeiden.
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Wer kennt das nicht? Unruhig geschlafen, die Frühschicht gerade so geschafft und nach dem Dienst geht es todmüde direkt ins Bett. Sport fällt wieder einmal aus. Denn dafür ist einfach keine Energie mehr übrig. Doch richtig ausgeruht, fühlt man sich nach dem Mittagsschlaf nicht. Spätestens am Abend kommt Frustration auf, wenn es wieder einmal nicht mit dem Einschlafen klappt. Und in 3 Tagen kommt schon der nächste Nachtdienst …
Arbeiten gegen die innere Uhr - die Folgen
Wer in der Pflege arbeitet, fordert vor allem den eigenen Biorhythmus heraus. Wie dieser getaktet ist, ist sehr individuell. Der Biorhythmus eines Menschen lässt sich unterschiedlichen Chronotypen (von altgr.chrónos = Zeit) zuordnen. Chronotypen geben an, wie wach und leistungsfähig Menschen zu verschiedenen Tageszeiten sind. Es lassen sich grob 3 Typen unterscheiden:
- die Frühtypen – auch Lerchen genannt,
- die Normaltypen und
- die Spättypen – auch als Eulen bekannt.
Ganz gleich, welchem Typ die Pflegekraft angehört: Durch rotierende Schichtsysteme rutschen sie immer wieder in eine Schicht, welche der eigenen biologischen Uhr widerspricht.
Hinzu kommt, dass eine Anpassung an die ständig wechselnden Schichten meist nicht vollständig möglich ist. Der Körper kommt aus dem Takt. Nacht- und Schichtarbeit stellen somit für viele Pflegekräfte eine Art chronischen „Jetlag” dar. Besonders belastend wird es, wenn die Schichtarbeit nicht gut planbar ist. Dies zeigt sich vor allem, wenn der Dienstplan wegen Krankheitsausfällen kurzfristig geändert wird, Pflegekräfte füreinander einspringen oder aufgrund von Mehrarbeit länger bleiben müssen.
Schichtdienst hat auch gesundheitliche Folgen, wie zahlreiche Studien belegen. Eine Übersichtsarbeit von Rosa und Kollegen aus dem Jahr 2019 hat 24 Studien zum Thema ausgewertet. Die Autoren gehen davon aus, dass Schichtarbeit das körperlich-psychische Gleichgewicht beeinflusst und ein Risikofaktor für Stress, Schlafstörungen, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und Brustkrebs ist. Soziale und familiäre Beziehungen können leiden und das Risiko von Fehlern steigt (Rosa et al., 2019). Pflegekräfte, die in Wechselschichten arbeiteten, haben zudem oft einen schlechteren Schlaf-Wach-Rhythmus und eine verminderte Schlafqualität als Menschen, die nicht im Schichtdienst arbeiten (Chang & Li, 2022). Auch die Entwicklung von Adipositas ist ein Problem, das mit dem Schichtdienst zusammenhängt, vor allem wenn Pflegekräfte ausschließlich im Nachtdienst arbeiten (Zhang et al., 2020).
Was Pflegekräfte selbst tun können - 4 Tipps
Pflegekräfte können aktiv dazu beitragen, die Schichtarbeit besser zu bewältigen.
Tipp 1 – Bringen Sie sich aktiv in die Schichtplanung ein: Besprechen Sie Ihre Wünsche zur Schichtplanung im Team und mit Ihrem Vorgesetzten. Wenn Sie eher der Spättyp sind, liegen Ihnen wahrscheinlich Spätdienste eher. Andere Kollegen übernehmen vielleicht lieber Frühdienste. Hier sollten individuelle Wünsche bei der Dienstplanung berücksichtigt werden. Lernen Sie, auch mal „Nein“ zu sagen, wenn Sie wieder einen Dienst außer Reihe übernehmen sollen – Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken. Achten Sie zudem auf ausreichend Erholungspausen während der Arbeitszeit.
Tipp 2 – Sorgen Sie für einen erholsamen Schlaf: Einfache Maßnahmen der Schlafhygiene können bei der nötigen Bettschwere helfen. Sorgen Sie für ein ruhiges, abgedunkeltes Schlafzimmer (wichtig: Jalousien bei Nachtdienst). Entspannen Sie sich vor dem Schlafengehen (warmes Bad, Lesen, Entspannungsübungen) und schränken Sie den Gebrauch von elektronischen Geräten ein. Vermeiden Sie Alkohol, große Mahlzeiten und Stimulanzien wie Nikotin und Koffein vor dem Schlafengehen und treiben Sie keinen Sport mehr.
Falls Sie nicht ausreichend schlafen, können Sie mit kurzen Nickerchen (ca. 20 Minuten) fehlende Schlafzeiten ausgleichen. Diese sogenannten Power-Naps können die Leistungsfähigkeit steigern, die bei unregelmäßigen Schlaf- und Wachzeiten oftmals herabgesetzt ist. Bei Wechselschicht können Sie die Anpassung an die neue Schicht erleichtern, indem Sie die Schlaf- und Wachzeiten in den letzten Tagen vor dem Schichtwechsel um 1 bis 2 Stunden nach vorne verschieben (z. B. von 7 Uhr morgens aufstehen auf 9 Uhr, wenn Sie vom Spätdienst in den Nachtdienst wechseln).
Tipp 3 – Tanken Sie Licht und Luft: Auch wenn Sie als Pflegekraft schon viel bei der Arbeit auf den Beinen sind, sollten Sie sich trotzdem noch an frischer Luft bewegen, um so viel Tageslicht wie möglich aufzunehmen. Legen Sie zum Beispiel den Weg zum Dienst per Rad oder zu Fuß zurück oder gehen Sie nach dem Dienst eine Runde spazieren. Vor dem Schlafengehen sollten Sie jedoch helles Licht vermeiden – und am besten 2 Stunden zuvor das Licht dimmen. Je dunkler es vor dem zu Bett gehen ist, desto mehr Melatonin schüttet der Körper aus. Dieses Schlafhormon bewirkt, dass wir müde werden und erholt schlafen.
Tipp 4 – Ernähren Sie sich gesund: Sorgen Sie für ausgewogene vitaminreiche Mahlzeiten, die Sie in Ruhe zu sich nehmen. Leichte Kost macht weniger müder und schenkt mehr Energie. Trinken Sie – auch während der Schicht – regelmäßig und ausreichend. Entwickeln Sie gesunde Routinen, was die Ernährung betrifft. Gerade im Schichtdienst ist es schwierig, frische Mahlzeiten zu kochen. Sorgen Sie daher für eine gute Planung. Sie können zum Beispiel gesunde Salate oder Bowls vorbereiten, die Sie mit zum Dienst nehmen. An Ihren freien Tagen bietet sich “Meal Prep” als eine gute Möglichkeit an. Bei “Meal Prep” können Sie nahrhafte Gerichte für die ganze Woche vorkochen. So geraten Sie nicht in den Stress, vor oder nach einem anstrengenden Arbeitstag noch etwas in der Küche zubereiten oder auf Fastfood zurückgreifen zu müssen. Falls nicht vorhanden, regen Sie die Anschaffung einer Mikrowelle für den Aufenthaltsraum an, um Mahlzeiten für den Magen bekömmlich aufzuwärmen.
Keine Idee, was Sie in Ihrer Pause essen sollen?
Erhalten Sie hier Tipps für eine nahrhafte ZwischenmahlzeitTipps für den Nachtdienst
Regelmäßige Nachtschichten sind für den Körper besonders belastend. Viele Beschäftigten fallen während der Nachtschicht in ein Müdigkeitsloch. Oder sie haben Schwierigkeiten morgens in den Schlaf zu kommen. Grund dafür ist unter anderem das körpereigene, produzierte Hormon Melatonin, welches den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Wenn es hell wird, sinkt der Melatonin-Spiegel und signalisiert dem Körper, wach zu werden – das erschwert das Schlafen tagsüber. Einige Tipps, um gut durch den Nachtdienst zu kommen:
- Schlafen Sie vor dem Dienst bestenfalls 6 bis 8 Stunden und legen Sie sich unmittelbar davor nochmal eine Stunde hin, um nicht zu lange am Stück wach zu sein.
- Machen Sie Ihren Arbeitsplatz so hell wie möglich. Damit helfen Sie Ihrem Körper, wach zu bleiben, da der Melatonin-Spiegel sinkt.
- Trinken Sie ausreichend, vor allem Wasser und Kräutertee. Koffeinhaltige Getränke, wie Kaffee, schwarzer Tee oder Energy-Drinks können dabei helfen, die Müdigkeit ein wenig zu mindern und die Aufmerksamkeit kurzfristig zu steigern. Jedoch sollten Sie darauf achten, dass Sie ca. 6 Stunden vor dem Einschlafen keine anregenden Getränke mehr zu sich nehmen.
- Vermeiden Sie Leerlauf-Zeiten, denn Nichtstun und Warten machen müde. Teilen Sie sich die nächtlichen Aufgaben gut ein und halten Sie sich beschäftigt.
- Falls Sie einen „toten“ Punkt haben: Gehen Sie, wenn möglich, kurz an die frische Luft oder machen Sie ein paar Bewegungsübungen.
- Auch wenn es sich komisch anfühlt: Eine Sonnenbrille am Morgen hilft Ihnen, den Melatonin-Spiegel zu erhöhen und besser einzuschlafen. Dunkeln Sie Ihr Schlafzimmer gut ab oder nutzen Sie eine Schlafmaske.
- Vermeiden Sie große Mahlzeiten vor dem Schlafengehen, gehen Sie morgens aber auch nicht hungrig ins Bett. Essen Sie ein leichtes Frühstück, damit Sie nicht vor Hunger wach werden.
- Sorgen Sie für größtmögliche Ruhe während Ihrer Schlafenszeit. Schließen Sie das Fenster (vorher lüften), stellen Sie das Telefon und die Türklingel aus und schalten Sie Ihr Handy ab. Falls Sie in einer lauten Gegend wohnen, können auch ein Paar Ohrstöpsel helfen.
- Bitten Sie Ihre Familie bzw. Ihre Mitbewohner, Rücksicht zu nehmen. Vielleicht informieren Sie auch Ihre Nachbarn und Freunde, damit diese nicht gerade Rasenmähen oder spontan vorbeikommen.
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Was Arbeitgeber beachten sollten
- Schichtsystem: Das Schichtsystem sollte vorwärts rollieren, d. h. auf den Frühdienst folgt der Spätdienst, dann der Nachtdienst. Das kann zum Beispiel so aussehen: zweimal hintereinander Früh-, zweimal Spät-, zweimal Nachtdienst und danach 2 Tage frei. Die Dienstpläne sollten früh bekannt sein und möglichst nicht mehr geändert werden.
- Schichtzeiten: Zu empfehlen sind flexible Arbeitszeiten. Frühschichten sollten möglichst spät beginnen (nicht vor 6 Uhr) und Spätschichten möglichst früh enden, im besten Falle vor 22 Uhr. Auch Nachtdienste sollten möglichst vor 6 Uhr enden. In der Klinik Wartenberg richten sich die Dienstzeiten zum Beispiel nach dem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus der Pflegekräfte. Mitarbeitende können ihren Chronotypen bestimmen lassen und bekommen einen darauf abgestimmten individuellen Schichtplan.
- Nachtdienste: Pflegekräfte sollten maximal 3 Nächte am Stück arbeiten. Sind sie älter als 50 Jahre, sollten Nachtdienste die Ausnahme sein – mit längeren Erholungszeiten nach den Nachtdiensten. Auch von dauerhaften Nachtarbeitsplätzen wird abgeraten. Körperlich schwere oder fehlerkritische Aufgaben sollten tagsüber erledigt werden. Gerade in der Zeit zwischen 2 und 4 Uhr nachts sind aufmerksamkeitsintensive Tätigkeiten zu vermeiden.
- Erholungszeiten: Pausen und Erholungszeiten während der Arbeitszeit sind verlässlich einzuhalten. Zwischen 2 Schichten ist für mindestens 11 Stunden Ruhezeit zu sorgen. Nach einer Nachtdienstphase brauchen Pflegekräfte mindestens 2 freie Tage. Bei der Dienstplanung sollten nicht mehr als 5 bis 7 Arbeitstage hintereinanderliegen. Zudem ist ein Zurückholen von Beschäftigten aus der Freizeit zu vermeiden.
Literatur
Von einer guten Schichtplanung profitieren Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.
Beide haben das gleiche Ziel: Schichtarbeit und Privatleben besser zu vereinbaren, um gesundheitliche Belastungen zu reduzieren. Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeitenden daher bei der Dienstplangestaltung mit einbeziehen, damit diese Möglichkeiten zur Mitgestaltung haben. Darüber hinaus sollten Arbeitgeber Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizin einbinden.