Strategien gegen Rezidive in der Wundversorgung: Prävention und Management

Strategien gegen Rezidive in der Wundversorgung: Prävention und Management

Treten Rezidive in der Wundversorgung auf, dann wird darunter das Wiederauftreten einer zuvor abgeheilten Wunde verstanden. 

Chronische Wunden haben im Vergleich zu akuten Wunden eine höhere Rezidivrate. Die sogenannten „rezidivierenden Wunden“ sind eine große Belastung für die davon betroffenen Menschen und stellen in der Versorgung oftmals eine Herausforderung für das betreuende Fachpersonal dar. Ein Hauptziel ist daher, das Wiederauftreten von Wunden zu verhindern, indem individuelle Risikofaktoren von Patienten und Kenntnisse über Wundursachen sowie -versorgung berücksichtigt werden.

Relevanz rezidivierender Wunden

Die Prävalenz (gesamte Anzahl der Krankheitsfälle zu einem bestimmten Zeitabschnitt) von chronischen Wunden in Deutschland ist bislang nur unzureichend erfasst.1Das Thema hat insbesondere in dem Versorgungsfeld der ambulanten Pflege eine besonders hohe Relevanz.2Chronische Wunden wie Ulcus cruris, Diabetische Fußwunde und Dekubitus sind hierbei die häufigsten Wundarten. Im Jahr 2019 waren entsprechend dem 6. Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) von insgesamt 82.285 Personen, der im Rahmen der Qualitätsprüfungen von ambulanten Pflegediensten untersuchten Personen 8.810 (rund 10,7 %) von einer chronischen Wunde betroffen.3

Insbesondere chronische Wunden zeigen eine hohe Rezidivrate. Daraus resultiert zum einen hohe finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem, zum anderen aber vor allem Belastung und Leidensdruck für die Betroffenen. Betroffene von chronischen Wunden leiden oftmals unter chronischen Grunderkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus, periphere arterielle Verschlusserkrankung (pAVK) oder der chronisch venösen Insuffizienz (CVI). 

Definitionen

Unter dem Begriff Prophylaxe werden Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, der Entstehung einer Krankheit oder daraus resultierenden Folgen vorzubeugen. 

Der Begriff Prävention kann gleichbedeutend, wie Prophylaxe mit Vorbeugen oder Verhüten verwendet werden. 

Maßnahmen zur Prophylaxe von Rezidiven

Zunächst ist es wichtig, Patienten zu identifizieren, bei denen das Risiko eines Wundrezidivs besteht. Dies kann im Rahmen des Wundassessments und durch die Auseinandersetzung mit der Krankengeschichte erfolgen. Es sollte hierbei erfasst werden, wie hoch die Rezidivanzahl ist bzw. ob es rezidivfreie Intervalle gab und wie lange diese jeweils anhielten. Dadurch sind möglicherweise Rückschlüsse auf Ursachen der Rezidive möglich und Maßnahmen der Prävention lassen sich leichter ableiten. Ist eine Wunde, unabhängig von der Ursache, abgeheilt, kann die Narbenpflege dazu beitragen, dass es zu einem Wiederauftreten der Wunde kommt. Frisches Narbengewebe sollte daher vor UV-Strahlung geschützt und so wenig Zug, Druck und Dehnung wie möglich ausgesetzt werden.4

Neben der Therapie der Grunderkrankung ist es von Bedeutung, die Betroffenen über das Risiko sowie über Maßnahmen zur Prophylaxe von Wundrezidiven zu beraten und zu informieren.

Die Beratung und Schulung von Menschen mit chronischen Wunden ist ein bedeutender Baustein in der Rezidivprophylaxe. Es ist wichtig, dass ein Verständnis für die Krankheit vorhanden ist, die für die Wunde ursächlich ist. Hierzu sollte zunächst erfasst werden, welches Wissen um die Krankheit und deren Auswirkung vorhanden ist. Daraus kann abgeleitet werden, dass noch Schulungsbedarf besteht. Die Betroffenen müssen nachvollziehen können, dass die Grunderkrankung, z. B. der arteriellen Blutgefäße, auch dann besteht, wenn keine Wunde vorhanden ist. 

Bei der Beratung gilt es zu beachten, dass nicht nur notwendige Maßnahmen vermittelt werden, sondern auch deren Wirkung verständlich erklärt wird. Hierbei sollte darauf geachtet werden auf welche Art und Weise Wissen vermittelt wird, ohne den Betroffenen zu überfordern. 

Eine Differenzierung möglicher Maßnahmen zur Prophylaxe von Wundrezidiven kann nach dem zugrundeliegenden Wundtypen erfolgen.

Die Rolle von Fachpersonal in der Rezidivprophylaxe

Dem Fachpersonal, zum Beispiel Pflegekräften, kommt in der Vermeidung von Wundrezidiven eine wichtige Rolle zu. Die Bedeutung liegt sowohl in der direkten Wundversorgung als auch darin, die Unterstützung der Betroffenen und deren Angehörigen sicherzustellen. Dabei geht es sowohl um die Anwendung von fachspezifischem Wissen rund um die Wundversorgung, als auch um die Fähigkeit Patienten zu beraten, zu schulen und anzuleiten. Diese Elemente sind unerlässlich um das Risiko von Wundrezidiven zu vermeiden und damit eine möglichst langfristige Stabilisierung und Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen. 

Es ist wichtig, das Selbstmanagement von Patienten zu fördern, sodass sie selbst zu einer Rezidivprophylaxe beitragen können. Wichtig für die aktive, positive Beteiligung ist es, die Zusammenhänge zwischen Wunde, Grunderkrankung und möglichen Risikofaktoren bedingt durch die individuelle Lebensweise zu vermitteln. 

Mögliche Inhalte für Beratung, Schulung und Anleitung können folgende sein:

  • Krankheitsspezifische Maßnahmen (z.B. Fußpflege, orthopädische Schuhversorgung, Kompressionsverbände/-strümpfe)
  • Konsequente Umsetzung ärztlich empfohlener Therapien 
  • Hautpflege und Hautbeobachtung (z.B. auf Rötung, Schwellung, Blasenbildung)
  • Auswirkungen schlechter Lebensgewohnheiten (z.B. Rauchen, Alkohol, mangelnde Bewegung)
  • Ernährung

Zu beachten ist, dass die vermittelten Inhalte individuell an den jeweiligen Patienten und seine persönliche Wund- bzw. Lebenssituation angepasst werden müssen. 

Maßnahmen nach Wundtypen

Ulcus cruris venosum (UCV)

Die sehr hohe Rezidivrate eines Ulcus cruris venosum (UCV) liegt zwischen 30-70 %.5 Dies macht die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Prävention deutlich. Eine Ursache ist hierbei neben den vorliegenden gefäßbedingten Störungen, dass die medizinische Kompressionstherapie nach dem Abheilen des UCV nicht fortgeführt wird.6

Die Ursache des Ulcus cruris venosum liegt in einer Rückflussstörung des venösen Blutes. Durch den dadurch entstehenden erhöhten Druck auf das umliegende Gewebe kann dieses geschädigt werden und eine Wunde entstehen. 

Die effektivste Maßnahme zur Rezidivprophylaxe eines UCV ist daher die Unterstützung des Rückflusses des venösen Blutes durch eine Kompressionstherapie. Diese sollte nicht nur während der Wundtherapie angewandt werden, sondern ein Leben lang. Wichtig ist hierbei die individuelle Anpassung des Kompressionssystems an den Träger. Um die tägliche Nutzung besser akzeptieren zu können, sollten Betroffene die Wirkung der Kompression auf das Gefäßsystem verstehen können. Das Verständnis dafür, dass die Kompression die gestörte Venenfunktion ersetzt, kann zu mehr Akzeptanz der Therapie verhelfen.7Die Akzeptanz und Anwendung nimmt mit Zunahme des Kompressionsdruckes ab, da dies von Betroffenen als unangenehm oder gar schmerzhaft empfunden wird.8

Verschiedene Studien erhoben zudem, dass die Rezidivrate von UCV durch die Kombination von operativer Therapie, zum Beispiel durch eine komplette oder teilweise Entfernung von Krampfadern und der Kompressionstherapie nochmals verringert werden kann. Der Effekt der Kombination steht hierbei jedoch in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Erkrankung des venösen Gefäßsystems.9

Weitere prophylaktische Maßnahmen mit dem Ziel der Entlastung der venösen Gefäße und der Förderung des venösen Rückflusses können sein:10

  • Reduzierung von Übergewicht
  • Meidung von hohen Temperaturen, da dies die Gefäße unnötig weitet
  • Vermeiden die Beine zu überkreuzen 
  • Kleidung und Schuhe anpassen, um Einschnürungen zu vermeiden 
  • Kaltes Abduschen der Beine
  • Wechselduschen, mit kalt enden
  • Venensport
  • Zeitweises Hochlagern der Beine, um den venösen Rückfluss zu fördern

Diabetische Fußwunde

Wunden vom Typ Diabetische Fußwunde liegt das diabetische Fußsyndrom zugrunde. Ursächlich für eine Wundentstehung sind Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen, motorische Störungen sowie trockene Haut. Diese Probleme resultieren aus den pathologischen Folgen durch die chronische Grunderkrankung Diabetes mellitus.11

Eine flächendeckende, angemessene medizinische Versorgung und Betreuung von Menschen mit einer Diabetischen Fußwunde liegt bislang in Deutschland nicht vor. So wird ein Großteil der Betroffenen (rund 90 %) nur durch den Hausarzt, nicht aber durch spezialisierte Zentren betreut. Neben einer adäquaten medizinischen Versorgung der betroffenen Patienten ist die aktive Beteiligung des Betroffenen zur Vermeidung von Erstwunden, aber auch von Rezidivwunden grundlegend.12

Bei der Beratung von betroffenen Personen sollte ein Augenmerk darauf gelegt werden, welche Folgen der Diabetes mellitus auf die Gefäße und Nerven hat und welche Probleme dies wiederum mit sich bringt. Ziel einer Schulung kann es beispielsweise sein, zu vermitteln, welcher Zusammenhang zwischen einer verminderten Wahrnehmung der Füße und Sensibilitätsstörungen oder -verlusten besteht.13 Sind sich Betroffene ihren Sensibilitätsstörungen nicht bewusst, kann dies dazu führen, dass zu enges Schuhwerk getragen wird, da die optimale Passform nicht mehr korrekt „erfühlt“ wird. Da die Schmerzwahrnehmung ebenfalls eingeschränkt sein kann, können somit auch Druckstellen oder Blasen möglicherweise nicht zeitnah wahrgenommen werden. 

Aufgrund der beschriebenen Problematik kann daher die individuelle Schuhversorgung einen entscheidenden Beitrag zur Prophylaxe von Erstwunden, aber auch Wundrezidiven leisten. Ziel ist es hierbei, eine effektive Entlastung von Druck und Scherkräften zu erreichen, um Druckstellen und Hautdefekte zu vermeiden.14

Seit 2006 ist die Schuhversorgung von Menschen mit einem diabetischen Fußsyndrom in einer Risikoklasseneinteilung festgelegt. Die Einteilung legt 7 Risikoklassen mit spezifischen Merkmalen fest und gibt Empfehlungen, welche orthopädische Spezialschuhversorgung angebracht wäre.15

Folgende weitere Maßnahmen können zur Senkung des Risikos eines Rezidivs einer Wunde vom Typ Diabetische Fußwunde genannt werden: 16

  • Ambulante Betreuung durch Chirurgen, Wundzentrum oder auch diabetologische Schwerpunktpraxis 
  • Aufnahme in das DMP Diabetes mellitus (Disease-Management-Programm)
  • Anleitung zur Selbstbeobachtung und -untersuchung der Füße
  • Sensibilisierung für Fußhygiene und -pflege
  • Vermittlung von Kontakt zu podologischer Fußpflege
  • Förderung der Selbstmanagementkompetenz durch Beratung, Schulung und Anleitung
Was sind Disease-Management-Programme (DMP)?

Disease-Management-Programme (DMP) sind speziell entwickelte Behandlungsprogramme für Menschen mit chronischen Erkrankungen und basieren auf den aktuellsten Erkenntnissen der Medizin (evidenzbasiert). Chronisch Erkrankte können sich über ihre Krankenkasse in ein solches Programm einschreiben lassen. Vorteile von DMP sind beispielsweise strukturierte Untersuchungsintervalle, eine kontinuierliche Dokumentation des Krankheitsverlaufs sowie Schulungen zur Erkrankung.

Dekubitus

Ein Dekubitus entsteht als eine örtlich begrenzte Verletzung von Haut und/oder des Gewebes darunter, besonders an Stellen mit Knochenvorsprüngen, verursacht durch anhaltenden Druck oder eine Kombination aus Druck und Scherkräften.17 Wunden vom Typ Dekubitalulzera entstehen häufig im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit, schweren Erkrankungen und andauernden Bewegungseinschränkungen.18 Da Betroffene oftmals dauerhaft unter diesen Risiken für einen Dekubitus leiden, ist die Gefahr eines Rezidives erhöht. Insbesondere an den Hautstellen an denen es bereits zu einem Dekubitus kam. Von daher ist bei Betroffenen neben der Dekubitusprophylaxe ebenfalls die Rezidivprophylaxe sehr wichtig. Der einmal von einer Wunde betroffene Körperbereich ist besonders gefährdet, da Haut und Gewebe empfindlich und anfälliger für Reizungen und Schädigungen sind. Das Risiko einer erneuten Schädigung erhöht sich deutlich, da dieser Bereich eine verminderte Toleranz gegenüber Belastungen hat und sich anfälliger bei Druck, Reibung und Scherkräften zeigt. Die Maßnahmen der Rezidivprophylaxe stehen in engem Zusammenhang mit den gemäß Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege geltenden Empfehlungen.

Maßnahmen zu Rezidivprophylaxe können sein:

  • Einschätzung/Evaluation des Dekubitusrisikos
  • Bewegungsförderung
  • Druckverteilung, zur Minimierung des Risikos für Haut- und Gewebeschäden an gefährdeten Stellen 
  • Ernährungsmanagement zur Förderung der Geweberegeneration und Reduzierung von Risikofaktoren 
  • Anpassung und Anwendung von Hilfsmitteln
  • Regelmäßige Hautkontrolle, um Anzeichen einer neuen Schädigung frühzeitig zu erkennen
  • Hautpflege und Hautschutz

Zusammengefasst ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen um den Betroffenen herum von großer Bedeutung. Ziel ist es hierbei, eine angemessene Versorgung, eine Kontinuität der Betreuung sowie eine adäquate Wundversorgung sicherzustellen und Rezidive zu vermeiden.19

Literatur

Die Autorin Maria Östreich

Maria Östreich ist exam. Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegewissenschaftlerin (M.Sc.) und Pflegesachverständige. Ihr Tätigkeitsfeld liegt seit vielen Jahren in der ambulanten Alten- und Krankenpflege sowie in der außerklinischen Intensivpflege. Seit Herbst 2022 ist sie als Moderatorin für Dr. Ausbüttel tätig.