Recap EWMA Paris 2022: Der Lebenswandel ist entscheidend für die Wundheilung

Recap EWMA Paris 2022: Der Lebenswandel ist entscheidend für die Wundheilung

Ende Mai fand die Joint EWMA & Journées Cicatrisations Conference in Paris statt. Die wichtigsten Ergebnisse haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Eine ganzheitliche Sicht auf Patienten und Patientinnen wird immer wichtiger. Das ist auch beim Treffen der Wund-Experten in Paris deutlich geworden. Diskutiert haben die Teilnehmenden zudem über zusätzliche Therapiemöglichkeiten zur Verbesserung der Wundheilung.

Wundheilung und der Lifestyle der Patienten

Der individuelle Lebenswandel hat großen Einfluss auf die Gesundheit und kann bei Wundpatienten erheblich zur Behandlung beitragen, auch wenn es bislang verhältnismäßig wenig Studien zu diesem Bereich gibt. Verschiedene Faktoren können die Wundheilung fördern – oder behindern.

Stress 

Chronischer Stress befeuert Entzündungsprozesse im Körper und kann die Nährstoffaufnahme des Organismus verschlechtern. All das beeinträchtigt die Wundheilung. Zudem führen Stresshormone auf lange Sicht dazu, dass Muskeln abgebaut werden und es parallel zu vermehrten Fettanreicherungen kommt. Trotzdem ist dieser Aspekt in der Forschung bislang kaum untersucht worden. 

Das seelische Befinden der Patienten wird bei Studien zur Wundheilung meistens gar nicht erhoben oder nur im Zusammenhang mit Symptomen wie Schmerzempfinden. Dabei gibt es auch für psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen Hinweise darauf, dass sie die Wundheilung verschlechtern können.1 

Für Betroffene entsteht in Bezug auf Stress womöglich ein Teufelskreis: Die körperlichen Beeinträchtigungen können zu einer finanziell belastenden Situation führen oder eine soziale Isolation auslösen oder verstärken. Das wiederum verstärkt den seelischen Druck auf die Patienten, sodass sich die Wundheilung womöglich weiter verschlechtert.
 

Schlafmangel

Wer zu wenig schläft, setzt den Körper unter Stress 2 – mit den soeben beschriebenen Folgen. Schlafmangel erhöht außerdem die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, weswegen sowohl ein guter Schlafrhythmus als auch eine hohe Schlafqualität zur Wundheilung beitragen können.


Bewegung

Regelmäßige Bewegung fördert auf vielfältige Weise die Gesundheit. Für Betroffene von venösen Beingeschwüren (UCV) gibt es sogar sehr deutliche Hinweise darauf, dass körperliche Aktivität die Wundheilung unterstützt. Für das Diabetische Fußsyndrom (DFS) gilt: lieber gehen als stehen. Das sollte aber in einem normalen Umfang erfolgen. Denn übertriebene Bewegung kann in diesem Fall schädlich sein.
 

Ernährung

Eine ausgewogene Ernährung stellt die Versorgung des Körpers mit allen wichtigen Nährstoffen sicher. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass komplexe Prozesse wie die Wundheilung reibungslos funktionieren. Ein Nährstoffmangel beeinträchtigt daher auch die Wundheilung 3 . Bei Menschen mit chronischen Wunden verschlechtert sich allerdings oftmals die Ernährung. Das hängt eventuell mit einer eingeschränkten Lebensweise zusammen. Zudem können Schmerzen dazu führen, dass der Appetit nachlässt. Umso wichtiger ist es, bewusst auf eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung zu achten.
 

Alkohol

Alkohol fördert Entzündungsreaktionen im Körper. Sein Einfluss ist so massiv, dass sich schon ein Glas Bier negativ bei der Wundheilung bemerkbar macht. Die gute Nachricht lautet, dass sich die Mechanismen schnell regenerieren. Schon nach acht Wochen Abstinenz normalisiert sich die Wundheilung anderthalbmal.
 

Rauchen und Drogenkonsum

Rauchen verengt die Gefäße. In der Folge gelangen weniger Sauerstoff und Nährstoffe ins Gewebe – die Wundheilung verschlechtert sich. Das Risiko für ein Druckgeschwür ist bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern sogar anderthalbmal so hoch. Entwöhnungsmaßnahmen wie Nikotinpflaster sind hier eventuell eine Hilfe. Noch eklatanter sind die Auswirkungen beim Drogenkonsum. Er kann die Wundentstehung sogar fördern.

Eine gute Kommunikation ist unverzichtbar

Der Einfluss dieser Faktoren auf die Wundheilung zeigt: Es ist wichtig, den Menschen und seine Lebensweise in die Behandlung einzubeziehen und nicht nur die Wunde zu betrachten. 

Ärzte und Pflegende sollten zum Beispiel fragen: „Welche Tätigkeit war Ihnen wichtig, die Sie jetzt mit der Wunde nicht mehr ausüben können?“ Im nächsten Schritt können Fachkräfte gemeinsam mit den Betroffenen einen Plan erarbeiten, um sich diesem Ziel wieder anzunähern. Für das medizinische Personal ist in dieser Hinsicht ein Umdenken gefragt. Denn die Heilung der Wunde ist für Patienten und Patientinnen nicht immer das oberste Ziel. Gelingt es, ihre tatsächlichen Bedürfnisse  zu erkennen, erhöht das die Motivation und die praktische Mitarbeit (Compliance) der Betroffenen.

Das setzt natürlich voraus, dass sich die Fachkräfte eingehend mit den Wundpatienten auseinandersetzen und sich ihre individuelle Geschichte erzählen lassen. Eine gute Kommunikation sollte aber auch interdisziplinär erfolgen: Scheuen Sie bei Unsicherheiten in der Versorgung oder zu konkreten Wundauflagen nicht davor zurück, Experten um Rat zu fragen.

Beratung durch das Wundkompetenzteam

Ein Blick auf verschiedene Therapieoptionen

Die Behandlung chronischer Wunden erfordert zudem ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen.

Einige Techniken oder Methoden und ihr genauer Einfluss auf die Wundheilung werden aktuell näher untersucht oder sie sind im Alltag noch nicht umfassend etabliert. Probiotische Bakterien beeinflussen beispielsweise den Biofilm bei Wunden, während die Fotobiomodulation mit blauem Licht die Reepithelisierung von Wunden fördert.

Auch Hyaluronsäure (Matrixmolekül) wird in der Wundbehandlung eingesetzt. Es handelt sich um ein körpereigenes Molekül, das natürlicherweise in der Umgebung der Zellen (Extrazellulärmatrix) vorkommt, wo es eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielt. Wird diese Hyaluronsäure als Therapiemaßnahme von außen hinzugefügt, kann das deutliche Effekte haben: Forschende haben beobachtet, dass sich der Wundheilungsprozess verändert und das chronische Stadium endet. Besonders positiv soll die Wirkung bei chronischen Wunden von Diabetikern sein. 4, 5

Die Elektrochemotherapie (ECT) hingegen ist für die Krebsbehandlung gedacht. Bei diesem Verfahren kombinieren Ärzte eine Chemotherapie mit elektrischen Impulsen. Das elektrische Feld, das durch Elektroden erzeugt wird, führt dazu, dass die Zellmembranen durchlässiger werden für die injizierten Wirkstoffe. Tumoren und Metastasen lassen sich damit lokal behandeln. Die ECT verbessert die Lebensqualität der Patienten und trägt dazu bei, die Versorgung der Wunden zu erleichtern.6