Onkologische Wunden
Die Pflege von onkologischen Wunden ist eine besondere Herausforderung – die Wundvielfalt ist groß und die psychischen Begleitumstände der Patienten müssen berücksichtigt werden.
Im fortgeschrittenen Stadium einer bösartigen Tumorerkrankung leiden bis zu 10 Prozent aller betroffenen Patientinnen und Patienten unter „exulzerierenden Wunden“. Neben starken Schmerzen gehen diese Tumorwunden mit einer deutlichen psychischen Belastung einher. Hautverletzungen sind eine häufige Nebenwirkung der Krebstherapie. Chemotherapien und Bestrahlungen können die Haut mitunter stark beanspruchen und Schmerzen, Jucken, Spannungsgefühle oder Brennen verursachen. Zu den Hauptnebenwirkungen gehören das Hand-Fuß-Syndrom, Exantheme und Hautschäden durch Strahlentherapie.
Tumore
Unter einem Tumor versteht man eine örtlich begrenzte Zunahme des Gewebevolumens, auch Geschwulst genannt.
Die Volumenzunahme von Gewebe kann auf ein unkontrolliertes Wachstum körpereigener Zellen, örtliche Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) oder Schwellungen durch beispielsweise Entzündungen zurückzuführen sein. Tumore werden klassischerweise in gutartig (benigne) und bösartig (maligne) unterteilt.
Benigne Tumore
Gutartige (benigne) Tumore sind Geschwulste, die nicht über die Gewebegrenzen hinauswachsen. Zudem wachsen sie langsam, zerstören kein umliegendes Gewebe und bilden keine Tochtergeschwulste (Metastasen). Beispiele für gutartige Tumore sind Lipome, Hämangiome oder Adenome.
Maligne Tumore
Bösartige (maligne) Tumore metastasieren und wachsen über Gewebegrenzen hinaus in umgebendes Gewebe hinein. Daraus resultieren strukturelle und funktionelle Schäden. Im schlimmsten Fall durchbricht die Geschwulst die Hautschichten und eine exulzerierende Tumorwunde entsteht.
Exulzierende Tumore
Laut Definition der British Columbia Cancer Agency sind exulzerierende Tumorwunden maligne Läsionen der Haut, verursacht von primären Hauttumoren (z.B. Melanom), Hautmetastasen eines anderen primären Tumors (z.B. Mammakarzinom) oder durch den Durchbruch eines Tumors aus tieferen Gewebeschichten (Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Exulzerierende Tumorwunden, 2014, S.3).
Durch ungehemmtes Zellwachstum zusammen mit einem Zusammenbruch der tumoreigenen Blutversorgung entwickeln sich massivste Gewebeschädigungen. Oftmals gehen exulzerierende Tumore von Drüsengewebe aus. So gehören Mamma-, Plattenepithelkarzinome, Haut- und Weichteiltumore, T-Zell-Lymphome, Lymphmetastasen und Tumore der Speicheldrüse zu den häufigsten exulzerierenden Tumorgruppen.
Durchbricht eine Tumor die Körperhülle, wird das Fortschreiten der Tumorerkrankung für die Patientin oder den Patienten und das Umfeld „sichtbar“. Unweigerlich werden Körpergefühl und -bild der betroffenen Person gestört. Durch eine bakterielle Besiedlung des Tumorgewebes oder durch Tumorzerfall entsteht oftmals Wundgeruch. Zudem kann eine starke Exsudation mit Mazeration der Wundränder und der Umgebungshaut auftreten. Die Mazeration wiederum unterstützt die Infiltration durch Bakterien oder Pilze. Bei zunehmender kutaner Infiltration klagen viele Erkrankte über starken Juckreiz (Pruritus).
Vermehrte Geruchbildung, Juckreiz und starke Wundexudation werden von vielen Menschen als beschämend erlebt. Soziale Isolation und Gefühle des Kontrollverlust und der Hilflosigkeit können die Folgen sein. Die Versorgung von Tumorwunden setzt nicht nur pflegerische Kompetenz voraus. Es wird ein hohes Maß an Sensibilität und Empathie gefordert, damit Würde und Selbstbestimmung der Patientin oder des Patienten gewahrt werden.
Hauptziele bei der Pflege von exulzerierender Wunden sind die Lebensqualität der betroffenen Personen zu verbessern und eine Optimierung des Allgemeinzustandes. Die von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) Sektion Pflege veröffentlichte Leitlinie „Exulzerierende Wunden“ sowie die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“ geben Therapieempfehlungen für die Versorgung exulzerierender Wunden. Demnach sollte eine Wundbehandlung individuell, der Wundsituation entsprechend, gestaltet werden. Detaillierte Informationen bieten die Artikel Tumorwunden: Exulzerierende Tumore. sowie Palliativmedizin.
5-10 Prozent aller Personen mit einer fortgeschrittenen oder finalen Tumorerkrankung leiden an exulzerierenden Wunden. Diese Läsionen können sich am gesamten Körper manifestieren.
Die palliativversorgte Patientin litt unter einem bösartigen Mammatumor (Brustkrebs). Der Fokus der Behandlung lag darauf, die Belastung und Schmerzen der Patienten durch ihre Erkrankung zu minimieren. Im Vordergrund des Fallbeispiels steht dabei die Versorgung der Tumorwunde.
Fallbeispiel lesenReaktionen bei/nach Strahlentherapie
In der Vergangenheit führte eine Bestrahlung meist zu starken Hautreaktionen, da nicht nur Tumorstellen, sondern auch das umgebende gesunde Gewebe mit bestrahlt wird.
Bei Überschreiten der Gewebetoleranzgrenzen können schnell bleibende Schäden entstehen. Heutzutage treten Reaktionen an der Hautoftmals nur noch auf, wenn die Haut zum Zielgebiet gehört. Typische Nebenwirkungen sind die Radiodermatitis, Hyperpigmentierung oder Epitheliolyse (Ablösung des Epithels der Haut). Pergamenthaut kann auch eine Nebenwirkung der Strahlentherapie sein.
Die Hautreaktion hängt von der Einzel- und Gesamtdosis und dem Gesamtbehandlungszeitraum ab. Strahlenschäden der Haut können nach der Einteilung der „Radiation Therapy Oncology Group European Organisation for Research and Treatment of Cancer (RTOG/EORTC) klassifiziert werden:
Stadium 1: schwaches Erythem, trockene Desquamation, Haarausfall, verringertes Schwitzen
Stadium 2a: ausgeprägtes Erythem
Stadium 2b: feucht schuppende Effloreszenz, moderates Ödem
Stadium 3: flächenhafte Desquamation, ausgeprägte Ödeme
Stadium 4: Ulzeration, Hämorrhagie, Nekrose
Die S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) gibt Empfehlungen zur Versorgung von Nebenwirkungen einer Bestrahlung. Cremes mit Corticoiden, Sucralfat und feuchte kühlende Umschläge können Erleichterung bei Radiodermatitis verschaffen.
Eine akute Strahlenreaktion äußert sich üblicherweise immer durch ein Ödem, meistens in der zweiten bis vierten Bestrahlungswoche.
Hand-Fuß-Syndrom
Das Hand-Fuß-Syndrom, auch palmar-plantare Erythrodysästhesie genannt, ist eine schmerzhafte Schwellung und Rötung an den Handflächen und Fußsohlen.
Es tritt als Nebenwirkung einer Chemotherapie mit Zytostatika wie Doxorubicin, Docetaxel oder Cytarabin auf. Taubheitsgefühle, Kribbeln oder eine Ablösung der Haut sind weitere Symptome. Die genaue Pathogenese des Hand-Fuß-Syndroms ist ungeklärt. Die Diagnose des Hand-Fuß-Syndroms ist einfach. Schon im frühen Stadium verspüren Patientinnen oder Patienten beispielsweise Irritationen oder leichte Schmerzen beim Öffnen einer Flasche.
Zur Behandlung des Hand-Fuß-Syndroms sind harnstoffhaltige Cremes, lokale Glukokortikoide oder Schmerzmittel geeignet. Ebenso lindert eine Kühlung der betroffenen Körperstellen die Symptome vorübergehend.
Üblicherweise klingen die Beschwerden des Hand-Fuß-Syndroms nach Beendigung der Chemotherapie schnell ab.
Akneiforme Exantheme
Akneiforme oder papulopustulöses Exantheme sind Nebenwirkungen von Medikamenten, die gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) gerichtet sind.
Die Hautreaktionen nehmen üblicherweise einen charakteristischen Verlauf. Eine sterile Akne-ähnliche Dermatitis einhergehend mit rötlichen Papeln oder Pusteln tritt in den ersten Wochen nach Therapiebeginn auf. Oftmals sind das Gesicht oder die vordere und hintere Schweißrinne (Brust, Rücken) betroffen. Hautstellen, die an Sonnenlicht gelangen, sind besonders anfällig. Im Therapieverlauf wird die betroffene Haut sehr trocken und kann stark jucken.
Das Leitlinienprogramm Onkologie: Merkblatt Exanthem-Pruritus, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und Stiftung Deutsche Krebshilfe gibt Handlungsempfehlungen für Exantheme abhängig von der Schwere der Erkrankung. Bei leichten Hautreaktionen haben sich Antibiotika als Tabletten oder als Salbe bewährt. Mäßige Hautreaktionen können zusätzlich mit kortikoidhaltigen Salben behandelt werden. Bei schweren Hautreaktionen stehen zusätzlich kortikoidhaltige oder Isotretinoin-Tabletten zur Verfügung.
Bei schmerzhaften Hautreaktionen können Schmerzmedikamente Linderung verschaffen.
Komplikationen
Zu den häufigsten Komplikationen von Tumorwunden zählen Infektionen und kleinere Blutungen, hervorgerufen durch mechanische Säuberung. Seltener treten arterielle Blutungen auf, die mitunter zu lebensgefährlichen Blutverlusten führen können.
Tumorwunden sind sehr empfindlich. Durch mechanische Säuberung, Verbandwechseln oder zu enganliegender Kleidungen können schnell Spontanblutungen auftreten. Durch Erstmaßnahmen wie die Komprimierung durch einen Druckverband oder eine Verwendung von Tamponaden können kleinere Blutungen meist schnell gestoppt werden.
Weitaus problematischer sind arterielle Blutungen. Wächst ein Tumor in ein arterielles Gefäß ein kann dieses infolge schnell instabil werden und ruptieren. Arterielle Blutungen treten zwar eher selten auf, können aber innerhalb von kürzester Zeit zu einem immensen Blutverlust führen. Die Patientin oder der Patient verliert aufgrund des Blutverlusts meist rasch das Bewusstsein und verstirbt bei schweren Verläufen. Deshalb sollte das Behandlungsteam im Vorfeld zusammen mit der betroffenen Person Absprachen über eine Vorhersehbarkeit von arteriellen Blutungen treffen. Ein Notfallplan oder eine Notfallbox mit Materialien für den Fall einer Blutung sollten griffbereit sein. Sollte diese Extremsituation eintreten, dürfen Patienten niemals alleingelassen werden. Bei Angst und Unruhezuständen kann die Tumorwunde auch mit dunklen Tüchern abdeckt werden.
Vorbeugung von Hautschäden durch eine Chemo- oder Strahlentherapie
Vorerkrankungen der Haut wie Entzündungen, stark verhornte Hautstellen oder Fehlstellungen, die eine ungleiche Druckbelastung der Haut bewirken, sollten idealerweise schon vor der Therapie behandelt werden.
Während der Therapie sollte die Haut mit feuchtigkeitsspendenden Cremes oder Lotion behandelt werden. Auf das Tragen von enger Kleidung oder Schmuck sollte verzichtet werden. Ebenso sollten heißes Waschen der Hände und Füße, starke mechanische Belastung oder handwerkliche Tätigkeiten gemieden werden. Während einer Anti-EGFR-Therapie sollte die Haut konsequent vor ultravioletter Strahlung geschützt werden. Die gute Beratung zur Hautpflege und Hautschutz in der Praxis oder auch in der Apotheke, kann eine echte Unterstützung für den Patienten sein.
Eine wirksame Prophylaxe von Hautschäden während einer Krebstherapie ist die Vermeidung von mechanischen Belastungen und eine geeignete Körperpflege.