Fachkräfte warnen vor drohender Versorgungslücke beim Wundmanagement

Fachkräfte warnen vor drohender Versorgungslücke beim Wundmanagement

Für einige Wundauflagen, etwa für silberhaltige Produkte verlangt der Gemeinsame Bundesausschuss künftig einen Nutzennachweis. Für den gibt es allerdings bislang keine Kriterien. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed ) befürchte viele Hersteller, dass es zu einer Versorgungslücke kommen könnte.

Für Produkte zur Behandlung von Wunden sind Änderungen in Sicht. Für „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ müssen Hersteller künftig ein Bewertungsverfahren durchführen lassen und den Nutzen ihrer Produkte nachweisen. Nur dann werden die Kosten auch von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bisher jedoch nicht bekanntgeben, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit der Nutzen als erwiesen gilt. Diese Situation könnte dazu führen, dass zahlreiche Produkte ab Dezember nicht mehr von der GKV übernommen werden. Der BVMed schätzt, dass das neue Bewertungsverfahren für über 400 Produkte erforderlich wäre.  

Fachleute aus dem Wundmanagement und der Pflege befürchten daher, dass die lokale Wundtherapie verschlechtern könnte. In der Folge erwarten sie eine höhere Zahl von Patienten und Patientinnen, die stationär versorgt werden müssen, sowie mehr systemische Antibiotikagaben. Das hat eine Umfrage des BVMed ergeben, an der sich mehr als 250 Wundfachkräfte, Pflegekräfte sowie Ärzte und Ärztinnen beteiligt hatten. 

Wie intensiv werden die Wundauflagen aktuell genutzt? 

„Viele Wundauflagen mit antibakterieller Wirkung drohen nach den neuen Regelungen ab Dezember 2023 aus der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) herauszufallen – mit schlimmen Folgen für die Wundversorgung. Das dürfen wir nicht zulassen, indem wir die Evidenzkriterien der erforderlichen Studien an den Versorgungsalltag anpassen“, sagt BVMed-Wundexpertin Juliane Pohl.  
 
Denn so sieht der Versorgungsalltag aus: 80 Prozente der Fachkräfte gaben in der Umfrage an, dass sie für die lokale Therapie infizierter Wunden mit Empfehlungen von Wund-Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) oder der Initiative Chronische Wunden (ICW) arbeiten. 51 Prozent verwenden den Expertenstandard des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), 29 Prozent arbeiten nach internationalen Experten- beziehungsweise Konsensusempfehlungen, 26 Prozent nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und 25 Prozent nach Empfehlungen eines Wundzentrums oder Wundnetzes. 
 
Unterm Strich werden dabei für die meisten Patienten und Patientinnen Produkte mit antimikrobiellen silberhaltigen Beschichtungen benötigt (84 Prozent). 69 Prozent der Befragten setzen Wundverbände mit bakterienbindenden Eigenschaften ein. In 52 Prozent der Fälle kommen Wundauflagen mit Polihexanid (PHMB) zum Einsatz. Nur eine Minderheit von 13 Prozent verzichtet auf antimikrobielle Komponenten. In der Praxis gibt es verschiedene Kriterien, die anzeigen, ob Fachkräfte mit der Wundbehandlung auf dem richtigen Weg sind, unter anderem: 

  • Reduktion klinischer Infektionszeichen 

  • weniger Wundexsudat 

  • Abnahme der Schmerzen 

  • kleinere Wundfläche 

  • geringere Keimlast in der Wunde 

  • Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Betroffenen 

  • kompletter Wundverschluss 

 
Wenn Wundverbände mit antimikrobiellen Komponenten und Beschichtungen zukünftig nicht mehr im GKV-System erstattet würden, rechnen die Wundfachkräfte mit dramatischen Folgen: Die Mehrheit geht davon aus, dass sich die lokale Wundtherapie verschlechtert und damit auch die Lebensqualität der Betroffenen. Die Zahl der Antibiotikaverordnungen und der stationären Wundversorgungen dürfte ebenfalls nach oben gehen. Parallel wäre es im ambulanten Bereich vermutlich nötig, Wunden in kürzeren Intervallen zu versorgen. Insgesamt rechnen die Befragten daher mit deutlich höheren Kosten 

Der BVMed fordert daher eine schnelle gesetzliche Verankerung der Evidenzkriterien, um Versorgungsengpässe zu vermeiden 

Fachkräfte warnen vor drohender Versorgungslücke beim Wundmanagement
Die Autorin Dr. Christine von Reibnitz
Dr. Christine von Reibnitz, Referentin Gesundheitspolitik und Krankenkassenmanagement

Dr. von Reibnitz ist promovierte Gesundheitswissenschaftlerin und Hochschuldozentin im Bereich des Gesundheitsmanagement. Seit 2013 ist sie bei Dr. Ausbüttel zuständig für den Bereich Krankenkassenmanagement und Expertin für die Themen Abrechnung und Recht.