Neurofibromatose
Was ist Neurofibromatose? Neurofibromatose ist eine überwiegend gutartige Tumorerkrankung, die durch das Wachstum von Tumoren auf oder unter der Haut gekennzeichnet ist. Diese Tumoren entstehen durch Veränderungen im Nervengewebe und können in verschiedenen Formen auftreten, je nach Lokalisation am Körper.
Eine Neurofibromatose lässt sich in drei Typen klassifizieren, die sich in ihrer Ausprägung und in ihrem Verlauf unterscheiden. Typ 1 (NF1) ist die häufigste Form der Neurofibromatose, bei der etwa 70 Prozent der Betroffenen kaum gesundheitliche Auswirkungen spüren. Nur bei etwa 10 Prozent der Patienten zeigen sich schwerere Verläufe.1 Typ 2 (NF2) und Typ 3 (NF3) treten deutlich seltener auf.1 Neurofibromatosen sind chronische Erkrankungen und die Behandlung erfolgt symptomatisch.
Weiterführende Informationen
Definition, Ursache und Symptome
Die Neurofibromatose (NF) beschreibt verschiedene genetische Erkrankungen, die sich in ihrer Symptomatik ähneln, jedoch unterschiedliche Pathologien haben.
Es wurden 8 Typen beschrieben, wobei der Bundesverband Neurofibromatose e.V. auf die Typen 1-3 eingeht.1,10 Dabei entstehen zumeist Neurofibrome (bestimmte Nerventumore), welche i.d.R. gutartig sind, Schwannome (bestimmte Nerventumore) und Café-au-lait-Flecken. Die Diagnose erfolgt klinisch und molekulargenetisch. Neurofibromatose ist nicht ansteckend, jedoch vererbbar. Sie gehört zu den seltenen Erkrankungen: Für das Jahr 2022 werden in Deutschland etwa 813 Fälle prognostiziert.6
Eine Neurofibromatose kann sich als neurokutanes Syndrom äußern, das vor allem die Nerven sowie die Haut betrifft. Ursächlich ist eine Mutation bestimmter Gene. Etwa die Hälfte der Fälle treten spontan auf, die andere Hälfte durch Vererbung (NF1/2: 50:50; NF3: 20:80).2 Bei einer Neurofibromatose Typ 1 ist vor allem das periphere Nervensystem betroffen. Eine Typ 2 Erkrankung wirkt sich eher auf das zentrale Nervensystem aus. Bei einer Neurofibromatose Typ 3 entwickeln sich häufig Tumore entlang der Wirbelsäule, es kann zu Schmerzen und neurologischen Ausfallerscheinungen kommen.
Typische Symptome sind Wucherungen unter der Haut oder in anderen Körperteilen, die von verändertem Nervengewebe ausgehen. Zudem können sogenannte Cáfe-au-lait-Flecken, die in ihrer Farbe an Milchkaffee erinnern, auf der Haut auftreten (Typ 1). Weitere Symptome, die auf eine Neurofibromatose hinweisen können, sind Fehlbildungen der Knochen, aber auch Schwierigkeiten innerhalb der Koordination/Gleichgewicht, einhergehend mit Probleme beim Sehen und Hören sowie ein Gefühl der Schwäche (Typ 2 und 3).
Behandlung und Ansätze in der Wundversorgung
Grundsätzlich sind Neurofibromatosen nicht heilbar.
Es gibt keine ursächliche Therapie, sodass die Behandlung symptomatisch erfolgt. Primäres Ziel ist es dabei, mögliche Tumore - z.B. Neurofibrome - schnell zu erkennen und diese bei Bedarf nach Möglichkeit zu entfernen. Bilden sich bösartige Geschwüre, kann zudem eine Chemotherapie durchgeführt werden.
Wurde ein Neurofibrom einmal erfolgreich entfernt, bedeutet das nicht, dass in der behandelten Region (oder anderen Körperstellen) nicht ein zweites Mal ein Neurofibrom wachsen kann.
Entfernung von Neurofibromen und deren Wundversorgung
Besonders häufig müssen Neurofibrome bei Erkrankungen des Typs 1 entfernt werden. Dies kann aus kosmetischen Gründen gewünscht oder – aufgrund der Schwere der Symptome – auch medizinisch indiziert sein.
In der Regel entfernt ein Chirurg die einzelnen Neurofibrome operativ mit einem Skalpell. Sind sie noch sehr klein, können auch ein Laser oder Elektrokauter (kleines Brenneisen mit einer sehr feinen Drahtschlinge an der Spitze, das zur Gewebeentfernung dient) eingesetzt werden.2 Eine Laserbehandlung eignet sich vor allem für solche Neurofibrome, die im Hautniveau liegen; für solche, die größer sind und über diesem Niveau liegen, kommt eher das Skalpell als Instrument der Wahl zum Einsatz.
Nach der Entfernung ist es Aufgabe der postoperativen Wundversorgung und -pflege, den Prozess der Heilung bestmöglich zu unterstützen. Dabei unterscheidet man nach primär- sowie sekundär-heilenden Operationswunden.
Primär heilende OP-Wunden: Wenn die Wunde nach der OP nicht sezerniert, kann sie mit geeigneten Wundschnellverbänden oder Kompressen steril abgedeckt werden. Diese schützen in der ersten Heilungsphase vor einer Kontamination und absorbieren Wundsekret. Sind diese Wundauflagen durchnässt oder verschmutzt, sollten sie umgehend getauscht werden. Ansonsten genügt ein Wechsel alle zwei bis drei Tage. Dabei ist auf Sterilität zu achten (mittels Non-Touch-Technik und/oder sterilen Handschuhen).
In den späteren Wundheilungsphasen kommen weitere Wundauflagen zum Einsatz, um die Wunde je nach Phase gezielt zu versorgen. Nach dem Wundverschluss können zudem Narbenpflege oder Narbenmassage zu einer unauffälligen Narbenbildung beitragen.
Sekundär heilende OP-Wunden: Hierzu kann es kommen, wenn etwa ein großer Gewebeverlust oder eine bakterielle Wundinfektion vorliegt – dann kann eine offene bzw. sekundäre Wundversorgung notwendig oder sinnvoll sein. Ziel der Versorgung ist es dann, einen schnellen Wundverschluss zu erzielen. Dafür ist eine regelmäßige Wundreinigung (u.a. zur Infektionsvorbeugung) essentiell. Möglicherweise ist zudem ein Débridement notwendig, um avitales Gewebe oder Beläge zu entfernen und damit bessere Voraussetzungen für die Wundheilung zu schaffen. Gerade sekundär heilende OP-Wunden sollten regelmäßig auf Wundbeläge und Anzeichen einer Infektion kontrolliert werden.
Mit Blick auf die Wundabdeckung sollte darauf geachtet werden, dass sie ein idealfeuchtes Wundmilieu und einen atraumatischen Verbandwechsel ermöglicht. Zudem sollte sie undurchlässig für Wasser und Bakterien sein.
- Hauptartikel mit Details zu Operationswunden und deren Versorgung
- Fallbeispiel: Postoperative Wundheilungsstörung mit Infektionen
Video: Narben verhindern - Narben pflegen
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Problematische Narben stellen in der Therapie nach Operationen oder Verbrennungen eine funktionelle Einschränkung dar und können die geplanten Rehabilitationsmaßnahmen verzögern. Neben Schmerzen und teilweise quälendem Juckreiz kann dies für Betroffene auch zu einem ästhetisch-kosmetischen Problem werden.
Formen der Neurofibromatose
Generell lassen sich bis zu 8 verschiedenen Typen einer Neurofibromatose unterscheiden. Die folgende Beschreibung orientiert sich an der Definition des Bundesverbandes Neurofibromatose.
Typ 1 (NF1), peripherer Typ - “Morbus Recklinghausen”
Die häufigste Form der Neurofibromatose ist der Typ 1, synonym auch als Morbus Recklinghausen bezeichnet. NF1 ist eine progrediente, chronische Erkrankung, das heißt, dass die Anzahl und Größe der Merkmale kontinuierlich steigen kann. Typ 1 Neurofibromatosen treten in der Regel bereits im Säuglings-/Kindesalter auf. Dabei zeigt sich bei diesen Kindern, dass sie in Teilen ihrer Entwicklung – etwa motorisch und sprachlich – verzögert sind. Bei etwa 50 Prozent der Kinder manifestiert sich das in Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen.
Die Bezeichnung Morbus Recklinghausen geht auf den deutschen Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen zurück, der die Erkrankung erstmals im 19. Jahrhundert ausführlich beschrieb. Daher wird die Neurofibromatose Typ 1 auch nach ihm benannt.
Kernsymptome sind:
- Cáfe-au-lait-Flecken (> 6 Flecken)
- Freckling: sommersprossenähnliche Flecken im Bereich der Achseln oder Leiste
- kutane oder subkutane Neurofibrome: Kleine Beulen, die beim Auftreten auf der Haut eher weich, unter der Haut eher fest sind, Farbe: hautfarben bis bläulich schimmernd, unterschiedliche Größen möglich,3
- Plexiforme Neurofibrome: zeigen ein netzartiges Wachstumsverhalten entlang der Nerven, die Haut ist in diesem Bereich meist verdickt, dunkler und behaart, Druck löst meist Schmerzen aus.2 Sie können sehr groß werden und auf Nerven und andere Strukturen einwirken.
- Optikusgliom: Tumor am Sehnerv. Die meiste Zeit verursacht das Geschwür keinen Schaden, kann aber zu Problemen mit dem Sehen (Einschränkungen des Gesichtsfeldes, Verlust der Sehkraft) sowie zum Hervortreten des Auges und Sekretabsonderungen führen.
- Lisch-Knötchen: harmlose Erhebungen auf dem Auge (Regenbogenhaut), um die Pupille herum angeordnet, weiß oder pigmentiert
- Knochenveränderungen, etwa einhergehend mit einer Skoliose
Neben diesen typischen Merkmalen kann es zu weiteren variierenden Symptomen, etwa einem Aneurysma oder auch einer Leukämie, kommen. Diese zählen aber nicht zu den primären Symptomen der Neurofibromatose Typ 1.
Gerade die plexiformen Neurofibrome, die sich auch entlang der Spinal- oder Hirnnerven bilden können, sorgen für Beschwerden. Hier kommt es häufig zu neurologischen Defiziten.
Typ 2 (NF2), zentraler Typ
Diese Form der Neurofibromatose ist wesentlich seltener als Typ 1. NF2 verursacht vor allem Tumore am Gleichgewichtsnerv, aber auch im Gehirn sowie den Meningen (Bindegewebsschichten, die das gesamte zentrale Nervensystem (ZNS) umschließen). Die ersten Symptome treten bei Typ 2 häufig erst im Erwachsenenalter auf.
Typische Ausprägungen sind:
- unilaterales oder bilaterales Vestibularisschwannom (veraltet auch Akustikusneurinom): Tumor des Gleichgewichtsnervs, der zu den Schwannomen zählt. Das Vestibularisschwannom kann zu Hörschäden/Hörverlust oder einem Tinnitus führen; oftmals ist auch das Gleichgewicht gestört, es zeigt sich ein unsicheres Gangbild, der Betroffene kann unter Schwindel oder Kopfschmerzen leiden
- posteriorer subkapsulärer Katarakt (Form des Grauen Stars): krankhafte Veränderung der Augenlinse, die zu einer ausgeprägten Veränderung der Sehkraft führt
- Multiple Meningeome: aus der Hirnhaut entstehender Tumor, der meist gutartig ist und eher langsam wächst
- Gliom: primärer Tumor des ZNS, der in der Regel mit einer ungünstigen Prognose einhergeht
- Haut-Symptome: subkutane Hauttumore, sensomotorische Defizite
Typ 3 (NF3), Schwannomatose
Hierbei handelt es sich um die seltenste der drei Formen der Neurofibromatose. Früher wurden Schwannomatosen zur Neurofibromatose Typ 2 gezählt. Aufgrund unterschiedlicher klinischer Erscheinungsbilder und genetischer Ursachen wird mittlerweile jedoch eine separate Einteilung vorgenommen. Bei der Schwannomatose entwickeln sich aus Schwann-Zellen bestehende Wucherungen. Bilden sich Schwannome, auch Nervenscheidentumor, an den Nerven, kommt es zu tastbaren und/oder sichtbaren Schwellungen; diese können – unter Druck – zu Schmerzen führen.1 Schwannome können fast jeden Nerv des Körpers betreffen, außer den Hörnerv. Sie zeigen sich meist erst im Erwachsenenalter.
Typische Symptome der Schwannomatose sind:
- Schwannome: spezielle Nerventumore, die aus den Nerven umhüllenden Schwann-Zellen entstehen; treten häufig spinal (entlang der Wirbelsäule) auf
- (teils sehr starke) chronische Schmerzen
- Neurologische Auffälligkeiten wie Taubheitsgefühl, Missempfindungen
- Sehstörungen
- Kopfschmerzen
Die genannten Symptome entwickeln sich dann, wenn Schwannome die Nerven in Kopf, Wirbelsäule oder Rumpf einklemmen.