Stütz- und Wundverbände anlegen

Stütz- und Wundverbände anlegen

Für medizinisches Fachpersonal gehört das Anlegen von Verbänden zum Alltag. Verbände finden bei der Wundversorgung, der Ruhigstellung von Gelenken und Extremitäten oder der Prävention von Erkrankungen Verwendung.

Die Auswahl an Verbandmaterial und Anlegetechniken ist dementsprechend groß. Der folgende Artikel liefert eine Übersicht über die wichtigsten Verbandsstoffe und Fixiertechniken.

Der Stütz- und Bewegungsapparat des Menschen

Der menschliche Stütz- und Bewegungsapparat sorgt dafür, dass der Körper in seiner festgelegten Form bleibt, aber trotzdem zielgerichtet fortbewegt werden kann.

Der Stütz- und Bewegungsapparat, kurz Bewegungsapparat, ist ein Organsystem aus festen und beweglichen Organen. Zu den festen Organen gehören Knochen, Gelenke, Bänder und Bandscheiben. Bewegliche Organe sind Muskeln, Sehnen und Faszien. Ohne den Stütz- und Bewegungsapparat wären der aufrechte Gang, Mobilität oder Halten und Greifen nicht möglich. Zusätzlich schützt der Bewegungsapparat die inneren Organe und dient der Blutbildung im Knochenmark.

FunktionStabilisierung des Haltungs- und Bewegungsapparates
Indikationakute oder chronische Überlastungen; komplette oder auch unvollständige Kontinuitätstrennungen, d.h. Trennung des Gewebezusammenhangs von Knochen oder auch Weichteilstrukturen, z.B Klavikulafraktur, Muskelfaserriss oder knöcherne Fissuren; Folgezustände bei Weichteil- und Knochenverletzungen wie Prellungen; Venenleiden, Lymphödeme
KontraindikationSchwere periphere arterielle Verschlusskrankheit, Sensibilitätsstörungen (Druckstellen werden nicht bemerkt)
MaterialElastische Binde, Schlauchbinde, Pflasterbinde (funktioneller Verband, Tape-Verband), Zinkleimbinde
Draco-SortimentElastische Stütz-, Kompressions- und Zinkleimbinden sowie Tapes von Draco®
VerbandtechnikSchildkrötenverband am Ellenbogen oder Knie (siehe Abbildung 1), Rucksackverband, Desault-Verband, Gilchrist-Verband

Anlegen eines Stützverbandes

Ziel beim Anlegen von Stützverbänden mit elastischen Binden oder Pflasterbinden (Tape-Verband) ist, das Gelenk der Patientin oder der Patienten aktiv in einer bestimmten Position zu halten. Die das Gelenk überziehenden Sehnen sollten sich in derselben Position wie bei einer funktionellen Belastung befinden. Dadurch können schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und Druckschäden durch ein gestörtes Sehnenspiel in Folge vermieden werden. Die Häufigkeit der Verbandwechsel hängt von der Hautbelastbarkeit wie z. B. der Schweißneigung und vom korrekten Sitz des Verbands ab.

Schildkrötenverband
Abb. 1: Schildkrötenverband am Ellenbogen oder Knie

Zur Stabilisierung von winklig stehenden Gelenken wie dem Ellenbogen oder Knie eignet sich der Schildkrötenverband (siehe Abbildung 1). Es handelt sich dabei um einen achtförmig angelegten Rollbindenverband, der über einer Wunde an Knie oder Ellenbogen eine dachziegelförmige Struktur bildet.

Der Schildkrötenverband kann als Kompressions- und als Stützverband genutzt werden.

Gilchrist-Verband: Frau mit Arm in Schlinge
Abb. 2: Gilchrist-Verband

Der Gilchrist-Verband ist ein spezieller Verband, der zur Immobilisierung oder Stabilisierung der Hand, des Arms oder des Schulterbereichs verwendet wird. Der Verband besteht aus einer elastischen Binde, die vom Handgelenk bis zum Ellbogen bzw. bis zur Schulter gewickelt und dann über der gegenüberliegenden Schulter befestigt wird. Dies sorgt für eine feste Unterstützung und Immobilisierung des betroffenen Bereichs.

Stützverband: Tape-Verband am Sprunggelenk
Abb. 3: Tape-Verband am Sprunggelenk

Ein funktioneller Tape-Verband soll die betroffene Gliedmaße meist nicht vollständig immobilisieren, sondern nur stützen und entlasten. Muskelzerrungen oder Sehnenscheidenentzündungen sind klassische Indikationen für einen Tape-Verband. Ein Tape-Verband wird häufig aus Pflasterstreifen hergestellt. Vor dem Anlegen des Verbands sollte die Haut gereinigt und getrocknet, jedoch nicht eingecremt  werden. 

Hartverbände

Funktion

Ruhigstellung von Gelenken und Extremitäten
IndikationKnochenbrüche, Zerrungen, Prellungen, operative Eingriffe an Sehnen und Bändern
MaterialFiberglasverband, Gipsverband, Schiene

Mit einem Hartverband kann ein Gelenk oder eine Extremität ruhig gestellt werden. Ein Hartverband setzt sich meist aus vier Schichten zusammen: Unterzug, Polsterung, Hartmaterial (meist Gips oder Kunststoff) und Überzug.

Wundverbände und Fixierverbände

FunktionSchutz einer Wunde vor möglichen Infektionen und Förderung der Heilung
IndikationAkute und chronischen Wunden
Material

Wundauflagen: Mull-, Saug- oder Aktivkohlekompresse, Wundgaze, Aktivkohlekompresse, Alginat, Hydrogel, Hydrofaserverband, Schaumstoffwundauflage, Hydrokolloide Wundauflage, Wundfolie, Pflaster

Fixierung: elastische Fixierbinde, Fixiervlies, Schlauch- und Stülpverband, Netzverband

Draco-SortimentModerne und klassische Wundauflagen von Draco®
VerbandtechnikAchtergang, Kornährenverband, Kreisgang, Schraubengang, Spiralgang (siehe Abbildungen 4-7)

Die richtige Wahl von Fixierverbänden und Binden

Zur Wundauflagenfixierung stehen eine Vielzahl moderner Fixierhilfen zur Verfügung:

  • Elastische Fixierbinden lassen sich schnell und unkompliziert anbringen. Sie eignen sich hervorragend zum Fixieren von Wundauflagen an Gelenken oder konischen und runden Körperteilen.
  • Selbstklebende Fixiervliese ermöglichen eine zuverlässige und rutschfeste Verbandfixierung. Aufgrund ihrer Dehnbarkeit und Elastizität fixieren sie Wundauflagen auch an schwierigen Körperstellen optimal. Die vollflächige Fixierung bietet einen hohen Tragekomfort.
  • Schlauch- und Stülpverbände ermöglichen eine einfache und zeitsparende Verbandfixierung. Durch Dehnen lässt sich der Schlauch weiten und durch Ziehen in Längsrichtung wieder verengen. Aufgrund dieses Wechselspiels passt sich der Schlauchverband allen Körperteilen glatt und faltenlos an. Auch bei starker mechanischer Beanspruchung lockert der Verband nicht.
  • Grobmaschige Netzverbände lassen sich insbesondere in Querrichtung gut dehnen und können an jeder beliebigen Stelle und in jede Richtung eingeschnitten werden, ohne dass Laufmaschen entstehen oder Schnittstellen einreißen.

Binden richtig anlegen

Anlegen einer Fixierbinde
Abb. 4: Anlegen einer Fixierbinde
  1. Der aufgerollte Bindenteil befindet sich oben und weist nach außen (siehe Abbildung 4).
  2. Fixierrichtung: Meist wird der Bindenverband von links nach rechts und herzwärts angebracht. Der herzwärts gewickelte Verband wird auch als aufsteigend – ascendens – bezeichnet. Er führt beispielsweise von der Hand zum Ellenbogen.
  3. Die Bindenbreite sollte den Durchmesser des zu versorgenden Körperteils besitzen

Kreisgang: Der Kreisgang dient der Befestigung des Bindenanfangs. Dafür wird die Binde schräg an den zu versorgenden Körperteil angelegt und mit einem Kreisgang fixiert. Dabei entsteht ein Zipfel, der mit einem weiteren Kreisgang befestigt wird.

Kreisgang zur Befestigung des Bindenanfangs
Abb. 5: Kreisgang zur Befestigung des Bindenanfangs

Schraubengang/Spiralgang: Die einzelnen Bindengänge werden schraubenförmig übereinander gewickelt. Der Schraubengang eignet sich zur Versorgung größerer Körperregionen wie der Extremitäten.

Wickeltechnik: Ansteigender Schraubengang
Abb. 6: Ansteigender Schraubengang

Achtergang: Mit dem Achtergang werden oft Hand- oder Fußgelenke versorgt. Namensgebend ist die achterförmige Kreuzung der einzelnen Bindengänge. Die Kreuzungsstelle der „8“ befindet sich an der Beugeseite des Gelenkes.

Wickeltechnik: Achtergang
Abb. 7: Achtergang

Besonderheiten von Wundkompressen

Kompressen werden in der Wundversorgung meist als Primärverband, Salbenträger oder Polsterung verwendet. Unterschieden wird bei Kompressen zwischen Mull- und Vlieskompressen sowie Saugkompressen.

Mull- und Vlieskompressen bestehen meist aus Baumwoll- und/oder Viskosefasern. Sie sind mehrfach gefaltet und fusseln kaum. Mullkompressen eignen sich zur klassischen äußeren (Erst)-Versorgung von Wunden und als Salben- oder Medikamententräger.

Saugkompressen weisen eine hohe Aufnahmefähigkeit auf, da sie einen starken Saugkörper besitzen. Dadurch eignen sie sich zur Abdeckung von stark exsudierenden, blutenden, infizierten oder chronischen Wunden.

Druckverbände

FunktionBlutstillung
IndikationErste Maßnahme bei starken Blutungen an den Extremitäten
Material

Sterile Wundauflage

Fixierung: Dreiecktuchkrawatte, Fixierbinde

Anlegen eines Druckverbandes

Die Extremität mit der stark blutenden Wunde sollte zunächst hochgelagert werden. Dann wird die Wunde mit einer sterilen Wundauflage (z. B. Kompresse oder Tuch) abgedeckt. Anschließend wird ein (Druck)-Verband über den vorhandenen Verband gewickelt. Die Binde sollte straff, aber nicht zu fest sitzen. Zusätzlich kann ein Druckpolster, beispielsweise ein Verbandspäckchen oder ähnliches über der verbundenen Wunde platziert und ebenfalls mit der Binde fixiert werden.

Zur Kontrolle des Blutverlustes sollte die Blutungsmenge auf dem Ursprungsverband mit einem Stift markiert werden. Permanentmarker wie Edding sind dafür ungeeignet, da die Farbe durch den Verband drückt. Vergrößert sich die Blutungsmenge zeitnah, muss der Verband gelöst und andere blutungshemmende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören spezielle, blutstillende Wundauflagen. In manchen Fällen muss ein stark blutendes Gefäße ärztlich verschlossen werden.

Für einen Druckverband eignet sich unter anderem das sogenannte Dreiecktuch, welches üblicherweise Bestandteil eines Verbandskastens ist und die Form eines Dreiecks besitzt. Für den Einsatz als Druckverband muss das Dreieckstuch zunächst krawattenförmig gefaltet werden. Umgangssprachlich ist diese Art Druckverbands als „Dreiecktuchkrawatte“ bekannt.

Kompressionsverbände

FunktionPumpfunktion der Venen anregen
IndikationVenenleiden, Lipödemen und/oder Lymphödemen
MaterialZinkleimbinde, Kurzzugbinde, Pütterbinde, Kompressionsbinde
Draco-SortimentElastische Stütz-, Kompressions- und Zinkleimbinden von Draco®
VerbandtechnikSigg-Verband, Pütterverband

Anlegen eines Pütter-Verbands mit zwei Kurzzugbinden am Unterschenkel

  1. Vor dem Anlegen der Kurzzugbinde muss das betroffene Bein entstaut sein. Dies kann durch Bettruhe und Hochlagern der Beine erreicht werden. Die Patientin oder der Patient bleibt dafür morgens vor dem Aufstehen bis zum Anlegen des Verbandes liegen oder legt sich tagsüber für etwa 20 Minuten hin.
  2. Mithilfe von Polsterwatte und Schlauchverband werden Unebenheiten bzw. dünne Körperstellen wie Schienbein oder Knöchel geschützt.
  3. Die Kurzzugbinde wird so in die Hand genommen, dass der aufgerollte Bindenteil oben liegt und nach außen zeigt (siehe Abbildung 4).
  4. Beginnend am Zehengrundgelenk wird der Vorfuß in Spiraltouren gewickelt. Das Sprunggelenk ist in einer 90°Stellung. Die Bindengänge überlappen sich dabei um mindestens ein Drittel. Es folgen Bindengänge um die Ferse und ober- und unterhalb des Fußgelenks. In Spiraltouren wird das Bein dann weiter herzwärts gewickelt.
  5. Beim Wickeln dürfen keine Lücken entstehen.
  6. Der Druck, den der Verband ausübt, muss im Bereich der Fessel am stärksten sein und zum Oberschenkel hin langsam abnehmen. 
  7. Der fertige Verband wird mit Pflasterstreifen befestigt.
  8. Der Schlauchverband wird über die Kurzzugbinde gezogen. Dabei dürfen keine Knoten an den Zehen durch ein Drehen des Verbandes oder durch das Überstülpen selbst entstehen. Der Verband sollte so angelegt werden, dass er einige Zentimeter am Fuß übersteht, um dann auf dem Fußrücken mit Klebestreifen fixiert zu werden. 

Weiterführende Informationen finden Sie im Hauptartikel:

Kompressionsverband, Kompressionstherapie
DracoLastic Poster

Sigg-Verband anlegen: Kompressionsverband mit Kurzzugbinde

Video: Sigg-Verband, Kompressionsverband mit Kurzzugbinde

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Pütter-Verband anlegen: Kompressionsverband mit Kurzzugbinden

Video: Pütter-Verband, Kompressionsverband wickeln

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Grundsätzlich spielt es keine Rolle, welche Verbandtechnik - ob Pütter oder Sigg - angewendet wird, solange die Anwendung korrekt beherrscht wird.

Hygienestandards beim Anlegen von Wund- und Stützverbänden

Vor dem Anlegen von Wundverbänden sollte das Pflegepersonal Schmuck ablegen, die Haare zurückbinden oder mit einer Haube bedecken, die Hände waschen und desinfizieren sowie korrekte Schutzkleidung anlegen. Dazu gehören Einmalhandschuhe, Einmalschürze bzw. Einmalschutzkittel, die nach jedem Patientenkontakt gewechselt werden. Bei besonders infektionsgefährdeten und infizierten Wunden bzw. bei Erkältungen des Pflegepersonals ist das zusätzliche Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes erforderlich. 

Gegenstände, die Kontakt mit der Wunde haben oder haben könnten, sollten keimfrei sein. Deshalb ist es wichtig, sterile Wundversorgungsprodukte auch nur mit sterilen Materialien zu berühren, beispielsweise mit sterilen Handschuhen oder mit einer sterilen Pinzette. Steriles Material sollte von unsterilem Material strikt getrennt werden (siehe Tabelle 1).

Material für Stütz- und Kompressionsverbände wie die Kurzzugbinde kann für eine mehrfache Verwendung vorgesehen sein. Diese sollten regelmäßig nach Angaben des Herstellers gewaschen werden. Je nach Herstellerangaben werden die Binden nach 15 bis 20 Anwendungen ausgetauscht.

Sterile MaterialienUnsterile Materialien
EinmalhandschuheSchutzkleidung
Tücher zum Abdecken des WundgebietesHändedesinfektionsmittel
Kompressen in verschiedenen Größen, evtl. Kugeltupfer, SchlitzkompressenAbwurfbeutel
Anatomische Pinzetten, SchereVerbandschere
Spülflüssigkeit und 20 ml-SpritzeFixiermaterial wie Pflaster, Klebevlies, Schlauchverband, Binde oder Netzverband

Weiterführende Informationen finden Sie im Hauptartikel: 

Hygienemaßnahmen bei der Versorgung chronischer Wunden

Umgang mit Verbandmitteln

  • Verfallsdatum beachten
  • Bestimmungsgemäße Lagerung 
  • Sterile Materialen bei direktem Wundkontakt
  • Angebrochene sterile Materialien dürfen nicht für einen nächsten Verbandwechsel verwendet werden, da sie nicht mehr steril sind.
  • Packungsbeilage bezüglich Anwendungsgebiets und Umgangs mit Verbandmittel lesen und befolgen
  • Verbandmittel müssen steril aufbewahrt werden
  • Verbandwechselintervalle richten sich dem Zustand der Wund und Herstellerinformationen in der Packungsbeilage

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.