Arzneimittel und ihre Applikationsformen

Arzneimittel und ihre Applikationsformen

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die zur Diagnose, Vorbeugung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder krankhafte Beschwerden im oder am Körper angewendet werden. Sie können in verschiedenen Arzneiformen vorliegen und auf unterschiedliche Weisen verabreicht werden.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über Arzneimittel im Allgemeinen, die gängigsten Applikationsformen sowie Wirkungen von einigen Arzneimittelgruppen. Der Umgang mit Arzneimitteln in der Praxis sowie Zugang zu Arzneimitteln wird im Artikel Zugang zu Arzneimitteln beschrieben.

Was ist ein Arzneimittel?

Arzneimittel sind gemäß § 2 Absatz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) definiert als „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen“.

Obwohl die Begriffe Arzneimittel und Medikament im Alltag häufig synonym verwendet werden, bedeuten diese nicht dasselbe. Kontrastmittel und Blutpräparate sind z.B. Arzneimittel, aber kein Medikament. 

Medikamente dienen der Heilung, Linderung oder der Vorbeugung von Krankheiten, sind aber nicht zu Diagnosezwecken bestimmt. Begriffsbestimmungen und Beispiele für spezielle Arten von Arzneimitteln gemäß Richtlinie 2001/83/EG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft) fasst Tabelle 1 zusammen.

Informationen zu in Deutschland verfügbaren Arzneimitteln können den Arzneimittelverzeichnissen „Rote Liste“ sowie „Gelbe Liste“ entnommen werden. Die Rote Liste® enthält prägnante, kurz gefasste Produktinformationen und Informationen zu Wirkstoffgruppen, die an Indikationen in 88 Hauptgruppen orientiert sind. Die Gelbe Liste enthält wie die Rote Liste wichtige Informationen zu z.B. Anwendungsgebieten, Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Dosierungen, setzt lediglich den Schwerpunkt des Informationsgehalts etwas anders.

Die medizinische Terminologie einiger Arzneimittelgruppen anhand der Gelben Liste ist in Tabelle 2 erläutert. Die Gruppen werden anhand der im Arzneimittel enthaltenen Wirkstoffe eingeteilt, die die arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels sind.

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Tabelle 1: Begriffsbestimmung spezieller Arzneimittelarten

BezeichnungDefinition gemäß Richtlinie 2001/83/EG
Immunologisches ArzneimittelJedes Arzneimittel bestehend aus Impfstoffen, Toxinen und Seren sowie Allergenen. Z.B. Impfstoffe; Wirkstoffe, die der Diagnose des Immunzustands dienen; Allergene
Homöopathische ArzneimittelJedes Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den derzeit offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren aus Substanzen hergestellt worden ist, die homöopathische Ursubstanzen genannt werden. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.
Radioaktives ArzneimittelJedes Arzneimittel, das in gebrauchsfertiger Form ein oder mehrere für medizinische Zwecke aufgenommene Radionuklide (radioaktive Isotope) enthält.
Arzneimittel aus menschlichem Blut oder BlutplasmaGewerblich von staatlichen oder privaten Einrichtungen zubereitete Arzneimittel, die sich aus Blutbestandteilen zusammensetzen; zu diesen Arzneimitteln gehören insbesondere Albumin, Gerinnungsfaktoren und Immunglobuline menschlichen Ursprungs.

Tabelle 2: Medizinische Terminologie einiger Arzneimittelgruppen (Wirkstoffgruppen)

ArzneimittelgruppeDefinition gemäß Gelber Liste
AnalgetikaAnalgetika (von griech. algos = Schmerz) sind schmerzstillende oder schmerzlindernde Arzneimittel, die zur Behandlung chronischer oder akuter Schmerzen eingesetzt werden. Je nach Wirkort und Wirkstärke werden Analgetika in verschiedene Untergruppen aufgeteilt.
AntiallergikaWirkstoffe, die zur Behandlung von allergischen Erkrankungen eingesetzt werden. Dazu gehören u.a. die Wirkstoffgruppen der Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren, Glucocorticoide, Sympathomimetika, Leukotrien-Antagonisten, Antikörper, Immuntherapien mit Allergenen.
AntiarrhythmikaDie Wirkstoffgruppe der Antiarrhythmika umfasst verschiedene Wirkstoffe, die zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) angewendet werden. Man unterteilt nach Vaughan Williams in Klasse IA-, IB-, IC-, II-,III- und IV-Antiarrhythmika.
AntiasthmatikaUnterschieden in Beta-2-adrenerge Rezeptoragonisten (Beta-2-Sympathomimetika) und inhalative Glucocorticoide. Beta-2-Sympathomimetika sind eine Klasse von Wirkstoffen, die zur Behandlung von Asthma und COPD eingesetzt werden. Man unterscheidet hierbei die langwirksamen LABA (Long-Acting Beta-2-Agonists) von den kurzwirksamen SABA (Short-Acting Beta-2-Agonists).

Glukokortikoide sind Steroidhormone mit einem breiten Anwendungsspektrum. Es gibt eine Vielzahl von synthetisch hergestellten Glukokortikoiden, die sich strukturell von dem Nebennierenrindenhormon Cortisol ableiten.
AntibiotikaAntibiotika sind Arzneimittel, die den Stoffwechsel von Mikroorgansimen hemmen. Antibiotika können entweder bakteriostatisch oder bakterizid wirken.
AntidementivaWirkstoffe, die zur symptomatischen Behandlung von Demenzerkrankungen zugelassen sind, z.B. Cholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin), NMDA-Antagonisten (Memantin) und Antikörper. 
AntidepressivaDie Wirkstoffgruppe der Antidepressiva umfasst Verbindungen, die zur Behandlung von Depressionen angewendet werden. Darüber hinaus können die Wirkstoffe auch bei Angst- und Zwangsstörungen, Panikattacken, Schlafstörungen, prämenstruellem Syndrom, Ess-Störungen und chronischen Schmerzen verwendet werden.
AntidiabetikaAntidiabetika sind Arzneimittel, die zur Behandlung des Diabetes mellitus eingesetzt werden. Die Wirkstoffgruppe besteht aus unterschiedlichen Vertretern, die über unterschiedliche Mechanismen den Blutzucker senken. Zu den Antidiabetika zählen bspw. Insuline, Biguanide, alpha-Glucosidase-Inhibitoren, Glinide, Gliptine, Glitazone oder Sulfonylharnstoffe.
AntiemetikaAntiemetika sind Arzneimittel, die zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Klassen von Antiemetika, die auf unterschiedliche Weise wirken und je nach Ursache und Schweregrad der Übelkeit und des Erbrechens eingesetzt werden.
AntiepileptikaAntiepileptika, auch Antikonvulsiva genannt, dienen der symptomatischen Behandlung verschiedener Epilepsieformen. Sie besitzen unterschiedliche Wirkungsmechanismen.
AntihypertonikaWirkstoffe, die den Blutdruck senken. Dazu gehören u.a. die Wirkstoffgruppen ACE-Hemmer, Alphablocker und Betablocker
AntikoagulanzienDie Wirkstoffgruppe der Antikoagulanzien umfasst Verbindungen, die zu einer Hemmung der Blutgerinnung beitragen und zur Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Ereignisse angewendet werden.
AntiphlogistikaEntzündungshemmende Arzneimittel, wie z.B. die Wirkstoffgruppen der Glucocorticoide oder nicht-steroidalen Entzündungshemmer bzw. Antirheumatika (NSAR).
AntipyretikaFiebersenkende Wirkstoffe, z.B. Paracetamol oder nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR).
AntitussivaHustenreizlindernde Wirkstoffgruppen wie z.B. opioide Antitussiva oder NMDA-Antagonisten. NMDA-Antagonisten hemmen durch den N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (gehört zu den Glutamatrezeptoren) vermittelte Signalübertragungen.
DiuretikaDiuretika ist eine Wirkstoffgruppe verschiedener Vertreter wie die Thiazide, Carboanhydrase-Inhibitoren, Schleifendiuretika, Aldosteron-Antagonisten oder Kaliumsparende Diuretika, die eine vermehrte Wasser- und Salzausscheidung (Diurese) bewirken.
HypnotikaArzneimittel, die zur Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen indiziert sind. Dazu gehören u.a. pflanzliche Arzneimittel, die Wirkstoffgruppen der Antihistaminika, Benzodiazepine oder Z-Drugs.
ImmunsuppressivaDie Wirkstoffgruppe der Immunsuppressiva umfasst Wirkstoffe, die vor allem bei Autoimmunerkrankungen und bei Organtransplantationen angewendet werden. Durch ihren Wirkmechanismus führen die Arzneimittel zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.
KardiakaUmfasst eine große Gruppe von Wirkstoffen zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z.B. Herzglykoside, Antiarrhythmika, Antihypertonika oder Antihypotonika.
KontrazeptivaArzneimittel zur Empfängnisverhütung.
LaxanzienWirkstoffe zur Förderung der Darmentleerung.
LipidsenkerLipidsenker sind Arzneimittel zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen. Sie reduzieren den Cholesterin- und/oder Triglycerid-Plasmaspiegel.
LokalanästhetikaWirkstoffgruppen, die zur lokalen Betäubung eingesetzt.
NeuroleptikaEine große Gruppe unterschiedlicher Wirkstoffe, die zur Behandlung von psychischen Störungen eingesetzt werden.
SpasmolytikaWirkstoffe, die die glatte Muskulatur entspannen und z.B. bei Magen-Darm-Krämpfen sowie Koliken eingesetzt werden.
TuberkulostatikaAntibiotika, die zur Behandlung von Tuberkulose eingesetzt werden.
ZytostatikaWirkstoffe, die im Rahmen einer Chemotherapie zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden, da sie das Zellwachstum verlangsamen oder stoppen, indem sie deren Zellteilung hemmen. Darüber hinaus finden sie auch Anwendung bei der Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen.

Wie werden Arzneimittel verabreicht?

Arzneimittel können auf unterschiedliche Weise verabreicht (appliziert) werden. Abhängig vom Wirkstoff und dem Zielort, an dem die Wirkung erzielt werden soll, wird die Art der Applikation gewählt. Einige häufige Applikationsarten sind in Tabelle 3 zusammengestellt.

Tabelle 3: Häufige Applikationsarten

ApplikationsformenBeschreibungBeispiel
Aurikulär/auralIn das Ohr, am Ohr (zum Ohr gehörend)Ohrentropfen
BuccalÜber die MundschleimhautBuccaltabletten
Dermal/kutanAuf die HautSalben
InhalativInhalation in die LungeAsthmamittel
IntraarteriellIn die ArterieInjektion
IntramuskulärIn den MuskelInjektion (z.B. Impfstoff)
IntravenösIn die VeneInjektion, Infusion
KonjunktivalAn die AugenbindehautAugentropfen
Nasal/intranasalIn die Nase/über die NasenschleimhautNasenspray
Oral/peroralÜber den Mund und VerdauungstraktTabletten
ParenteralUmgehung des VerdauungstraktsInjektion
RektalIn das RektumSuppositorium (Zäpfchen)
SubkutanIn das UnterhautgewebeInsulin
SublingualUnter die Zunge, in den BlutkreislaufSublingualtabletten
TopischÄußerlich, lokalSalbe
TransdermalÜber die Haut in den BlutkreislaufTransdermales Pflaster
VaginalIn die VaginaVaginaltablette

Was ist eine Arzneiform?

Die Arzneiform, auch als Arzneimittelform oder Applikationsform bezeichnet, ist eine Zubereitung aus einem oder mehreren Wirkstoffen und Hilfsstoffen. Erst durch das Hinzufügen von Hilfsstoffen entsteht ein gebrauchsfertiges Arzneimittel in der gewünschten Arzneiform und der benötigten Dosis. Da dieser Prozess Galenik heißt, wird die Arzneiform auch galenische Form genannt.

Galenische Formen sind z.B. Tabletten oder Pulver als feste Arzneiformen, Lösungen (Säfte) als flüssige Arzneiformen und Salben oder Cremes als halbfeste Arzneiformen. Die Arzneiform wird bestimmt durch Eigenschaften des Wirkstoffs, z.B. Löslichkeit oder Geschmack und die Art der Applikation. Eine Übersicht über gängige Arzneiformen und ihre häufigsten Applikationsarten geben Tabelle 4 bis Tabelle 6 in den folgenden Abschnitten.

Feste Arzneiformen

Feste Arzneiformen werden meistens über den Mund (peroral) verabreicht. Tabletten, Kapseln und Dragees können auch magensaftresistent überzogen sein, so dass diese den Magen unversehrt passieren können und der Wirkstoff erst im Darm freigesetzt und resorbiert wird. Kapseln und Dragees können bei peroraler Applikation den Vorteil bieten, dass durch die Kapselhülle bzw. den Überzug übler Geruch oder übler Geschmack des Wirkstoffs „versteckt“ werden können. Eine Übersicht über feste Arzneiformen gibt Tabelle 4.

Tabelle 4: Feste Arzneiformen und ihre Bestandteile

BezeichnungBeschreibung, ggf. weitere Differenzierung
TabletteTabletten Z.B. Brausetabletten, Lösungs- oder dispergierbare Tabletten, Lutschtabletten oder Filmtabletten. Außerdem differenziert nach nicht-überzogenen und überzogenen sowie magensaftresistenten Tabletten.
KapselBesteht aus einer Kapselhülle und einer Füllung. Die Kapsel besteht häufig aus Gelatine oder Cellulose und kann magensaftresistent überzogen sein. Kapseln werden unterschieden in Hartkapseln und Weichkapseln. Hartkapseln sind häufig mit festen Füllungen (z.B. Pulvern oder Granulate) gefüllt. Weichkapseln sind häufig mit flüssigen Zubereitungen oder Pasten gefüllt.

Kapseln werden meist peroral, aber auch rektal oder vaginal appliziert. Bei peroraler Verabreichung ist ein Vorteil, dass übelriechende oder -schmeckende Wirkstoffe durch die Kapsel verdeckt werden und diese dadurch geruchs- sowie geschmacksneutral eingenommen werden können. Nachteil gegenüber kleineren Tabletten ist, dass Kapseln schwieriger zu Schlucken sind.
DrageeSind mit einem Überzug versehene Tabletten oder Granulate. Der Überzug besteht aus Zucker und ggf. weiteren Stoffen, die das Dragee magensaftresistent machen. Vorteile des Überzugs sind, dass übler Geruch oder Geschmack verdeckt werden und der Wirkstoff vor Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit oder Sauerstoff geschützt ist.
PulverWerden häufig zur Zubereitung von Lösungen verwendet, die dann z.B. peroral, kutan, inhalativ, nasal oder konjunktival appliziert werden können.
GranulateSind körnige Aggregate aus Pulverpartikeln. Häufig werden Granulate in Kapseln, Dragees oder Instantpulver eingearbeitet.

Flüssige Arzneiformen

Flüssige Arzneiformen werden in Emulsionen, Lösungen und Suspensionen unterschieden (Tabelle 5) und meist peroral (z.B. Hustensaft) oder kutan (z.B. Lotion oder Tinktur) appliziert. Als Lösungsmittel dienen meist Wasser oder Alkohole.

Tabelle 5: Flüssige Arzneiformen und ihre Bestandteile

BezeichnungWeitere Differenzierung
EmulsionMehrphasiges Stoffsystem (disperse Systeme) aus nicht mischbaren Flüssigkeiten. Emulsionen werden unterschieden in Öl-in-Wasser (O/W) und Wasser-in-Öl (W/O) Emulsionen. Butter ist z.B. eine W/O-Emulsion. Milch hingegen ist ein Beispiel für eine O/W-Emulsion. Lotionen sind ebenfalls flüssige O/W-Emulsionen.
LösungLösungen bestehen aus mindestens zwei Stoffen, wobei einer in dem anderen (dem Lösungsmittel) gelöst ist. Ein Saft ist z.B. eine Lösung. Diese werden z.B. bei Kindern und Menschen mit Schluckbeschwerden bzw. -störungen oder Ernährungssonden appliziert. Sirup ist ebenfalls eine Lösung, die auf einer eingedickten Zuckerlösung basiert und daher meist von Kindern gut angenommen wird. Auch Tinkturen (z.B. alkoholische Kräuterauszüge oder Jod-Lösungen) sind Lösungen.
SuspensionIm Gegensatz zur Lösung ist der zugesetzte Stoff nicht vollständig im Lösungsmittel gelöst, d.h. es sind Feststoffpartikel vorhanden. Deshalb spricht man auch von grobdispersen Systemen eines festen Stoffes in einer Flüssigkeit. Suspensionen müssen immer vor Gebrauch geschüttelt werden, um die Feststoffpartikel wieder gleichmäßig zu verteilen.

Halbfeste Arzneiformen

Halbfeste Arzneiformen bestehen aus einer fetthaltigen (lipophilen) und einer wässrigen (hydrophilen) Phase und werden z.B. in Form von Salben oder Cremes hauptsächlich kutan angewendet. Zu den halbfesten Arzneiformen gehören aber auch Suppositorien (Zäpfchen), die rektal oder vaginal angewendet werden. Eine Übersicht über halbfeste Arzneiformen gibt Tabelle 6.

Tabelle 6: Halbfeste Arzneiformen und ihre Bestandteile

BezeichnungWeitere Differenzierung
CremeIm Gegensatz zu Salben sind Cremes mehrphasige Stoffsysteme aus Öl-in-Wasser (O/W) oder Wasser-in-Öl (W/O). Hydrophobe Cremes (W/O) sind nicht mit Wasser abwaschbar, während amphiphile Cremes und hydrophile Cremes (O/W) mit Wasser abwaschbar sind.
GelGele entstehen durch den Zusatz von Gelbildnern, die ein Gerüst ausbilden, in dem die Flüssigkeit immobilisiert wird. Unterschieden wird zwischen Hydrogelen (Gelbildner + Wasser), die durch Verdunstung von Wasser kühlen und Oleogelen (Gelbildner + lipophiler Stoff).
PastePasten basieren auf einer Salbengrundlage, in die feine Pulver eingearbeitet sind. Unterschieden wird zwischen Suspensionssalben mit Feststoffanteil < 10 %, Pasten mit einem Feststoffanteil > 10 % und harten Pasten mit einem Feststoffanteil > 50 %.
SalbeSalben sind streichfähige, wasserfreie Zubereitungen aus nur einer Phase und können in hydrophobe Salben und wasseraufnehmende Salben unterschieden werden.
Suppositorium (Zäpfchen)Suppositorien basieren entweder auf fetthaltigen Zubereitungen, die knapp unter der Körpertemperatur schmelzen, oder auf wasserlöslichen Zubereitungen, die sich in Körperflüssigkeiten auflösen sollen. Appliziert werden Suppositorien rektal oder vaginal. Dies ist z.B. bei Kindern und Menschen, die Schluckbeschwerden bzw. -störungen, oder Ernährungssonden haben ein Vorteil gegenüber anderen peroralen Applikationsformen.

Wie wirken Arzneimittel?

Um eine Wirkung zu erzielen, muss der im Arzneimittel enthaltene Wirkstoff seinen Zielort erreichen. Bei einem abschwellenden Nasenspray z.B. soll der Wirkstoff in den Zellen der Nasenschleimhaut wirken und wird daher direkt in die Nase gesprüht. Ein Diuretikum wiederum soll in der Niere wirken und die Harnausscheidung (Diurese) erhöhen. Daher wird ein Diuretikum in Tablettenform peroral eingenommen und gelangt nach Passage durch den Verdauungstrakt an seinen Zielort.

Viele Arzneimittel werden peroral appliziert. Das Arzneimittel passiert dann den Verdauungstrakt und der enthaltene Wirkstoff wird in der Leber metabolisiert. D.h. nach der Leberpassage steht nur noch wenig aktiver Wirkstoff zur Verfügung. Dieser Effekt wird First-Pass-Effekt genannt. Das ist für peroral applizierte Arzneimittel quasi eingeplant. Der peroral applizierte Betablocker Metoprolol z.B. hat durch seinen hohen First-Pass-Effekt nur eine Bioverfügbarkeit von etwa 50 %. Deshalb enthalten peroral angewendete Arzneimittel entweder entsprechend viel Wirkstoff, so dass nach der Leber-Passage noch ausreichend aktiver Wirkstoff übrigbleibt. Oder das Arzneimittel ist so entwickelt, dass erst durch die Leberpassage ein aktiver Metabolit, also aktiver Wirkstoff entsteht.

Es gibt aber auch Arzneimittel, bei denen die Leber-Passage unerwünscht ist und der First-Pass-Effekt zu unwirksamen Metaboliten des Wirkstoffs führen würde. Solche Wirkstoffe werden dann nicht peroral, sondern parenteral verabreicht. Parenteral bedeutet, dass der Wirkstoff am Verdauungstrakt vorbei in den Körper gelangt und dadurch der First-Pass-Effekt umgangen wird. Mögliche Applikationsarten sind dann Injektionen (z.B. Midazolam) oder die Aufnahme über die Haut oder Schleimhaut (z.B. Glyceroltrinitrat-Spray). Auf diese Weise gelangt der Wirkstoff direkt in das Blutgefäßsystem bzw. über Resorption des Wirkstoffs über die Haut oder Schleimhaut in das Blutgefäßsystem und umgeht den First-Pass-Effekt.

Während Injektionen hauptsächlich mittels Spritzen und Kanülen verabreicht werden, können Wirkstoffe über die Haut lokal z.B. mittels Salbe oder Creme oder systemisch mittels transdermalen Pflastern (z.B. Estradiol aus der Gruppe der Östrogenen) appliziert werden. Über die Schleimhäute werden z.B. Sublingualtabletten oder Buccaltabletten verabreicht, bei denen die Wirkstoffaufnahme über die Mundschleimhaut unter der Zunge (sublingual) bzw. der Wange (buccal) stattfindet. Auch Suppositorien ermöglichen die Wirkstoffaufnahme über die Schleimhaut des Enddarms oder der Vagina.

Injektionen als Applikationsform
Injektionen Abbildung

Injektionen sind eine mögliche Form der Applikation für Arzneimittel. Möchtest du mehr darüber erfahren?

Injektionen verabreichen

Wie unterscheiden sich Wirkung, Nebenwirkung und Wechselwirkung von Arzneimitteln?

Bezüglich der Wirkung von Arzneimitteln wird unterschieden zwischen Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen (Tabelle 7). Während die Wirksamkeit die gewünschte Wirkung des Arzneimittels ist, sind Nebenwirkungen unbeabsichtigt und meist schädlich, und Wechselwirkungen als unerwartete Wirkungen in Kombination mit anderen Arzneimitteln oder Nahrungsmitteln zu verstehen. Einige Beispiele für erwünschte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen gibt Tabelle 8

Tabelle 7: Bedeutung von Wirksamkeit, Nebenwirkung und Wechselwirkung

BezeichnungDefinition
WirksamkeitDie gewünschte Wirkung eines Arzneimittels.
NebenwirkungEine Reaktion auf das Arzneimittel, die schädlich und unbeabsichtigt ist.*
WechselwirkungUnerwartete, häufig auch unerwünschte Wirkung eines Arzneimittels bei gemeinsamer Einnahme von anderen Arzneimitteln, Lebensmitteln oder Getränken. Die Wirkung sowie Nebenwirkung können z.B. verstärkt, abgeschwächt oder anderweitig verändert werden.

*Definition gemäß Richtlinie 2001/83/EG

Gibt es einen Unterschied zwischen Applikationsform und Arzneiform?

Ja. Die Applikationsform, auch Darreichungsform genannt, ist die Form, in der das Arzneimittel verabreicht werden soll. Die Arzneiform ist die Form der Zubereitung und muss nicht unbedingt der Applikationsform entsprechen. Bei vielen Arzneimitteln sind Arzneiform und Applikationsform identisch, z.B. bei Hustensaft, Schmerztabletten oder Cremes. Einige Arzneimittel müssen kurz vor der Applikation aus der Arzneiform jedoch erst in die Applikationsform gebracht werden. Beispiele hierfür sind Lösungstabletten oder Instantpulver, die erst in einer Flüssigkeit gelöst werden müssen.

Tabelle 8: Beispiele für erwünschte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkung bei einigen Arzneimittelgruppen

ArzneimittelgruppeDefinitionNebenwirkungWechselwirkung
AntibiotikaAbtötung oder Hemmung des Wachstums von Bakterien bei bakteriellen Infektionen (z.B. Scharlach, Borreliose, eitrige Hautentzündungen)Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Pilzinfektionen, Reaktionen der Haut (z.B. Rötungen, Juckreiz)Einige Antibiotika schwächen die Wirkung der Antibaby-Pille ab. Milchprodukte verringern die Wirksamkeit von Antibiotika
Schmerzmittel (auch Kombinationspräparate bei Erkältungskrankheiten)SchmerzlinderungÜbelkeit, Benommenheit, Schwindel. Bei längerer Einnahme sind Organschäden (z.B. Leber, Niere) möglich.Verstärkung unerwünschter Wirkungen durch Alkoholkonsum. Abschwächung von blutdrucksenkenden Arzneimitteln
BlutdrucksenkerSenkung des Blutdrucks durch Reduzierung des GefäßwiderstandsSchwindel, Benommenheit, Schwellung der Haut und Schleimhaut (Angioödem)Verstärkung der Wirkung durch Abführmittel
Diabetesmedikamente bei Typ-2 DiabetesSenkung des Blutzuckers z.B. durch verzögerte Zuckeraufnahme im Darm oder Steigerung der ZuckerausscheidungMagen-Darm-Beschwerden, Geschmacksveränderungen, Infektionen, Entzündung der BauchspeicheldrüseVerstärkung der Wirkung durch Blutdrucksenker oder Antibiotika
Magen-Darm-Medikamentez.B. Förderung oder Hemmung der Magen-Darm-Tätigkeit, Unterdrückung von Übelkeit und BrechreizKopfschmerzen, Schwindel, Geschmacksstörungen, Hautausschläge, Juckreiz, Durchfall, VerstopfungVerminderte Wirkung durch einige Antiepileptika sowie Antibiotika

Wechselwirkungen von Arzneimitteln sind besonders bei älteren Patientinnen und Patienten problematisch. Etwa jeder zweite Mensch über 70 Jahren erhält eine sogenannte Polymedikation, bei der mindestens fünf Arzneimittel gleichzeitig dauerhaft eingenommen werden. In vielen Fällen ist das aufgrund mehrerer zu behandelnden Erkrankungen auch notwendig. Dennoch birgt eine Polymedikation (teils lebensbedrohliche) Gefahren durch Arzneimittelwechselwirkungen.

Daher haben Patientinnen und Patienten, die dauerhaft drei oder mehr verordnete Medikamente einnehmen, Anspruch auf einen vom Arzt erstellten Medikationsplan nach § 31a SBG V. Häufig therapieren sich Menschen jedoch zusätzlich mit frei verkäuflichen Arzneimitteln selbst, ohne dass die Ärztin oder der Arzt davon Kenntnis hat. Daher sollten insbesondere unter Arzneimitteltherapie stehende Patientinnen und Patienten in der Arztpraxis gut darüber aufgeklärt werden, welche Folgen eine Eigenmedikation haben kann und ausschließlich in Absprache mit ärztlichem oder Apothekenpersonal erfolgen sollte.

Dosierung und Einnahmemodalitäten

Die Dosis ist die definierte Menge eines Arzneimittels, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einzunehmen ist. Die Dosierung bezeichnet die bestimmte Menge eines Arzneimittels in einer bestimmten Häufigkeit (und über eine bestimmte Dauer). Die Dosierungsempfehlungen von Fertigarzneimitteln sind auf dem Beipackzettel angegeben. Bei bestimmten Erkrankungen, z.B. der Leber oder Niere, können zusätzliche Dosisanpassungen erforderlich sein.

Damit ein Arzneimittel die gewünschten Wirkungen möglichst nebenwirkungsarm vermitteln kann, sollten die Dosierungen unbedingt strikt eingehalten werden. Gleiches gilt für die sogenannten Einnahmemodalitäten, die Beschreiben, wie genau das jeweilige Arzneimittel einzunehmen ist. Beispiele hierfür sind Angaben, dass die Einnahme zusammen mit Wasser, mit einer Mahlzeit oder nüchtern erfolgen sollte oder zu beachtende Zeitabstände zwischen der Einnahme verschiedener Arzneimittel. Jede Nichtbeachtung kann abgeschwächte oder verstärkte Wirkungen, Auftreten von Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen zur Folge haben.

Von einer Überdosierung spricht man, wenn die vorgeschriebene oder erlaubte Dosis eines Arzneimittels überschritten wird. Als Folge können (lebensbedrohliche) Vergiftungen oder unerwünschte Wirkungen auftreten. Die Gründe für eine Überdosierung von Arzneimitteln sind vielfältig und können unbeabsichtigt z.B. durch falsch verstandenen Arztinformationen oder ärztliche Fehler sowie beabsichtigt z.B. bei Suizidversuchen herbeigeführt werden.

Patientenmitwirkung

Ein Arzneimittel dient der Diagnose, Vorbeugung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden und soll auch nur bestimmungsgemäß verwendet werden.

Zusätzlich ist die Therapieadhärenz, d.h. die Mitarbeit der Patientin bzw. des Patienten von großer Bedeutung. Dies kann durch Kommunikation auf Augenhöhe, Patientenedukation und daraus resultierendes Verständnis und Motivation erreicht werden. 

Die aktive Mitwirkung der Patientin oder des Patienten vermittelt ein Verantwortungsgefühl der direkten Einflussnahme zur Verbesserung der eigenen Situation und kann so den Therapieerfolg maßgeblich unterstützen. Dazu gehören z.B. das Erlernen in der Praxis, wie man sich zu Hause selbst Augen-, Ohren- oder Nasentropfen korrekt verabreicht oder Dosieraerosole bzw. Asthmamittel allgemein richtig anwendet

Literatur

Die Autorin Steffi, MFA/Wundexpertin (ICW)
Steffi Blog

Nach der Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer dermatologischen Praxis für 5 Jahre im Praxisalltag als MFA, seit 2014 bei Dr. Ausbüttel (DRACO®). Wundexpertin (ICW) und bloggende MFA mit Leidenschaft.

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