Kompressionstherapie und Kompressionsverband
Die Kompressionstherapie ist eine physikalische Basismaßnahme zur Behandlung von Venenerkrankungen und Ödemen, bei der gezielte Druckausübung dazu beträgt, Gewebe zu entstauen und die Blutzirkulation zu fördern.
Die Kompressionstherapie ist eine Behandlungsmethode, bei der Druck auf bestimmte Körperregionen ausgeübt wird, um den Blut- und Lymphfluss zu verbessern. Sie wird hauptsächlich bei Erkrankungen des Venensystems und Ödemen eingesetzt. Der äußere Druck von unter anderem Kompressionsverbänden hilft, Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe zu reduzieren, den Rückfluss des venösen Blutes zu fördern und die Bildung von Ödemen zu verhindern. Die Kompressionstherapie findet auch Anwendung nach Operationen, als Thromboseprophylaxe bei mobilen Patienten oder der Narbenversorgung, insbesondere nach Verbrennungen.
Wirkweise und Ziele der Kompressionstherapie
Ziel der Kompressionstherapie ist es, den venösen Rückfluss bzw. den Lymphabfluss zu verbessern und Ödeme abzubauen bzw. ihnen vorzubeugen. Die Kompressionsmaterialien üben von außen auf das Gewebe und die darin gelegenen venösen Gefäße und Lymphbahnen aus.
Zum einen wird durch den erhöhten Druck im Gewebe überschüssige Flüssigkeit in die Gefäße verschoben, zum andern sorgt der Druck für einen besseren Flüssigkeitstransport in den Venen- und Lymphgefäßen. Durch die Entstauung wird die Durchblutung und die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen gesteigert. So werden Schmerzen und Missempfindungen in den Beinen gelindert und das Risiko zur Entstehung von Hautveränderungen und Ulzerationen minimiert. Bestehen bereits chronische Wunden an den Beinen, bekommen diese durch die Entstauung die Chance abzuheilen
Bei Menschen mit einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) verlangsamt sich aufgrund der „ausgeleierten“ Venen und beeinträchtigten Venenklappen der venöse Rückstrom zum Herzen. Das venöse Blut versackt in den Beinen. Durch den Kompressionsdruck verringert sich der Venendurchmesser, die Venenklappen können wieder effektiver schließen und das Blut kann besser fließen.
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Was versteht man unter Ruhedruck und Arbeitsdruck?
Um das Wirkprinzip eines Kompressionsverbandes bzw. -strumpfes zu verstehen, sind die Begriffe Ruhedruck und Arbeitsdruck wichtig.
Unter Ruhedruck ist der Druck zu verstehen, den das Kompressionsmaterial auf das Gewebe ausübt, wenn die Muskulatur nicht bewegt wird. Je elastischer ein Kompressionsmaterial ist, desto höher ist der Ruhedruck, da das hochelastische Material sich bei Entlastung im Ruhezustand zusammenzieht.
| Mit Arbeitsdruck wird der Widerstand bezeichnet, den das Kompressionsmaterial der Muskulatur bei Bewegung entgegensetzen kann. Je unnachgiebiger das Kompressionsmaterial ist, desto höher ist der Arbeitsdruck.
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Elastische Materialien wie Langzugbinden sorgen für einen niedrigen Arbeitsdruck und einen hohen Ruhedruck. Materialien mit geringem Dehnungsvermögen wie Kurzzugbinden führen zu einem hohen Arbeitsdruck und geringem Ruhedruck.
Um den venösen Rückfluss zum Herzen zu verbessern, sollten die verwendeten Kompressionsmaterialien einen hohen Arbeitsdruck und einen geringen Ruhedruck gewährleisten.
Anwendungsgebiete der Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie wird bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt, darunter:
- Chronisch venöse Insuffizienz (CVI)
- Adipositas mit funktioneller venöser Insuffizienz
- Lipödem
- Lymphödem
- Nach chirurgischen Eingriffen
- Vaskulitis
- Stauungssymptome in der Schwangerschaft
Kompressionsklassen (KKL)
KKL | Druck in mmHg | Intensität |
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I | 18-21 | Leicht |
II | 23-32 | Mittel |
III | 34-46 | Kräftig |
IV | 49 und größer | Sehr kräftig |
Übersicht über verschiedene Kompressionsprodukte und -maßnahmen
Es gibt verschiedene Kompressionsprodukte und -maßnahmen, die je nach Erkrankung, Zustand und Behandlungsziel eingesetzt werden:
- Kompressionsverbände: Kompressionsverbände sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich, darunter Kurzzugbinden und adaptive Kompressionsbandagen.
- Kompressionsstrümpfe: Komprimierende Strümpfe sind in verschiedenen Arten und Kompressionsklassen erhältlich. Bei der Kompressionstherapie kommen Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) zu Einsatz. Von diesen abzugrenzen sind Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) und Stützstrümpfe. MKS können als Maßanfertigung oder Konfektionsware in vier unterschiedlichen Kompressionsklassen, verschiedenen Strickungen (rundgestrickt oder flachgestrickt) und aus unterschiedlichen Materialien angeboten werden. Es stehen produktabhängig unterschiedliche Farben, Muster und Schmucksteine als Besatz zur Verfügung.
- Intermittierende pneumatische Kompressionstherapie: Pneumatische Kompressionsgeräte üben intermittierenden Druck durch aufblasbare Manschetten auf das Bein oder andere Körperteile aus. Diese Methode kann zur Ödemreduktion und Thromboseprophylaxe verwendet werden. Diese Methode ist kein Ersatz für die klassische Kompressionstherapie, sondern ergänzt diese.
Situationsabhängig können zusätzlich unterstützende Maßnahmen wie die manuelle Lymphdrainage oder entstauende Bewegungstherapie zur Anwendung kommen.
Phlebologische Kompressionstherapie bei CVI und UCV
Bei der Chronisch Venösen Insuffizienz (CVI), deren schwerste Ausprägung das Ulcus cruris venosum (UCV) darstellt, ist die Kompressionstherapie das zentrale Element der Behandlung.
Sie sorgt für eine effektive Reduktion von Ödemen. Die Ödemreduktion spielt bei der Therapie der CVI eine entscheidende Rolle, da eine Abheilung der CVI-typischen Hautläsionen nur bei vollständiger Entstauung des Gewebes erfolgen kann.
Die Kompressionstherapie bei CVI verläuft in drei Phasen, die ineinander übergehen.
Entstauungsphase
Erhaltungsphase
Prävention/Rezidivprophylaxe
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Klick dich schlauerEntstauungsphase
Zu Beginn der Therapie wird durch einen phlebologischen Kompressionsverband ein zügiges Ausschwemmen des Ödems und damit eine Verringerung des Beinumfangs erreicht. Bei konsequenter Umsetzung durch den Patienten oder die Patientin sollte die Entstauungsphase nach drei bis vier Wochen abgeschlossen sein. Geeignete Produkte sind Kurzzugbinden, Mehrkomponentensysteme und adaptive Kompressionsbandagen. Der notwendige Druck liegt zwischen 40 und 60 mmHg. Ärztlicherseits ist eine wöchentliche Erfolgskontrolle im Sinne von Messungen des Knöchel- oder Wadenumfangs wünschenswert. Bei Schmerzen und weiteren Grunderkrankungen kann die Therapie zunächst mit niedrigen Drücken von etwa 20 mmHg begonnen werden.
Kurzzugbinden
Mehrkomponentensysteme
Adaptive Kompressionsbandagen
Erhaltungsphase
Zu Beginn dieser Phase hat das Bein seinen physiologischen Umfang erreicht. Dieser Zustand sollte im Sinne der fortschreitenden Wundheilung stabil gehalten werden. Zur Zielerreichung werden andere Produkte als in der Entstauungsphase eingesetzt. Bei vorliegendem Ulkus haben sich spezielle Kompressionsstrümpfe, die Ulkus-Strumpfsysteme, bewährt. Diese bestehen aus zwei Einzelstrümpfen, die tagsüber übereinander gezogen werden. Der dünne Unterstrumpf, der den Wundverband fixieren kann, besitzt einen geringen Anlagedruck und wird Tag und Nacht getragen. Der tägliche Wechsel des Unterstrumpfes ist aus hygienischer Sicht sinnvoll. Der zweite Strumpf wird als medizinischer Kompressionsstrumpf bezeichnet. In Kombination mit dem Unterstrumpf sorgt der Kompressionsstrumpf tagsüber für den erwünschten Druck von etwa 40 mmHg.
Für den Anwender oder die Anwenderin bietet dieses System Vorteile wie erhöhte Beweglichkeit im Sprunggelenk, besseren Sitz im Straßenschuh und geringes Verrutschen am Bein. Zudem wird die Therapieadhärenz durch die Möglichkeit erhöht, dass Betroffene oder Angehörige die Strümpfe eigenständig anlegen können.
Prävention / Rezidivprophylaxe
Nach dem Abheilen der Wunde muss die Kompressionstherapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen (siehe Übersicht über die verschiedenen Kompressionsprodukte und -maßnahmen)) dauerhaft fortgesetzt werden. Dies verhindert das Wiederauftreten von Ödemen und in der Folge neuer Hautveränderungen und Wunden.
Zusammenfassung: Kompressionsprodukte für die phlebologische Kompressionstherapie bei CVI mit UCV
Produkte | Fehleranfälligkeit | Intervall für Verbandwechsel | Anwendung in der Entstauungsphase | Anwendung in der Erhaltungs-phase | Anwendung zur Prävention | Anwendung durch Betroffenen möglich |
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Kurzzugbinden | hoch | täglich | ja | nein | nein | nein |
Mehrkomponentensysteme | gering | merhrere Tage | ja | ja | nein | nein |
Adaptive Kompressionsbandagen | gering | merhrere Tage | ja | ja | nein | ja |
Zweiteilige Ulkus-Strümpfe | gering | merhrere Tage | nein | ja | nein | ja |
Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) | gering | Entfällt, da Wunde bereits abgeheilt | nein | nein | ja | ja |
Kontraindikationen der phlebologischen Kompressionstherapie und Warnzeichen
Zu den Kontraindikationen für die phlebologische bzw. medizinische Kompressionstherapie gehören:
- Fortgeschrittene pAVK (wenn einer dieser Parameter zutrifft: ABI < 0,5, Knöchelarteriendruck < 60 mmHg, Zehendruck < 30 mmHg oder TcPO2 < 20 mmHg am Fußrücken). Bei Verwendung unelastischer Materialien kann eine Kompressionsversorgung noch bei einem Knöchelarteriendruck zwischen 50 und 60 mmHg unter engmaschiger klinischer Kontrolle versucht werden.
- Dekompensierte Herzinsuffizienz (NYHA Stadium III + IV)
- Phlegmasia coerulea dolens
- Septische Phlebitis
Bei ausgeprägten nässenden Dermatosen, Unverträglichkeiten gegenüber Kompressionsmaterial, schweren Sensibilitätsstörungen der Extremität, fortgeschrittener peripherer Neuropathie (z. B. bei Diabetes mellitus) und primär chronischer Polyarthritis sollte die Therapieentscheidung unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko sowie der Auswahl des am besten geeigneten Kompressionsmittels getroffen werden.
Generell sollte nach der Anlage des Verbands etwa 20 Minuten abgewartet werden. Klagt die betroffene Person danach über eine der folgenden Beschwerden, ist der Verband sofort abzunehmen:
- Schweißausbruch und Kurzatmigkeit
- Taubheitsgefühle und Missempfindungen
- Blau- oder Weißfärbung der Zehen
- Stärker werdende Schmerzen
- Akute Bewegungseinschränkungen
Kompressionstherapie und periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Laut S2k - Leitlinie Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum sollte das frühere Dogma „keine Kompressionstherapie bei pAVK“ im klinischen Alltag nicht mehr gelten. Eine medizinische Kompressionstherapie ist bei fortgeschrittener pAVK kontraindiziert (siehe oben). Für Patienten mit UCV und einer weniger stark ausgeprägten pAVK ist die Kompressionstherapie aber in der Regel gut verträglich. Bei solchen Patienten kann es sinnvoll sein, weniger elastische oder unelastische Kompressionsmaterialien zu verwenden oder den Anlagedruck zu reduzieren (20 mmHg). Es sollte auf eine sorgfältige Unterpolsterung zur Vermeidung von Druckstellen geachtet werden.
Letztendlich ist für jeden Patienten und jede Patientin je nach vorliegenden Begleiterkrankungen individuell zu entscheiden, ob eine Kompressionstherapie angebracht ist.
Hautpflege bei der Kompressionstherapie
Unter einer Kompressionstherapie kommt es häufig zu Hauttrockenheit und uckreiz. Eine gute Hautpflege ist essenziell, um Juckreiz zu lindern und Hautschäden zu vermeiden. Bei Kompressionsverbänden sollte die Hautpflege nach Ablegen des Verbandes und dem Waschen der Beine erfolgen. Bei Verwendung von medizinischen Kompressionsstrümpfen ist die Haut regelmäßig 1-2 Mal täglich zu pflegen. Warten Sie mit dem Anziehen der Strümpfe, bis das Hautpflegemittel vollständig eingezogen ist. Hypoallergene, parfümfreie Produkte mit Feuchthaltefaktoren wie Urea (Harnstoff) oder Glycerin sind besonders geeignet. Die Kompressionstextilien werden durch die Hautpflegeprodukte nicht geschädigt.
Pflege von Kompressionsbinden
Kurzzugbinden sind für die mehrfache Verwendung vorgesehen. Diese sollten regelmäßig nach Angaben des Herstellers gewaschen werden. Nach 15 bis 20 Anwendungen sollten die Binden ausgetauscht werden. Produkte auf Mehrkomponentenbasis sind in der Regel herstellerabhängig als Einmalprodukt deklariert. Damit sind diese spätestens nach 7 Tagen durch ein neues Produkt zu ersetzen. Adaptive Bandagen sind für eine Verwendung von bis zu sechs Monaten vorgesehen. Sie können ebenfalls nach Herstellerangaben gewaschen werden.
Sigg-Verband anlegen: Kompressionsverband mit Kurzzugbinde
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Pütter-Verband anlegen: Kompressionsverband mit Kurzzugbinden
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