Inkontinenz: Wenn Blasen- oder Darmfunktion nachlassen
Laut Deutscher Kontinenz Gesellschaft leiden mehr als neun Millionen Bundesbürger unter Inkontinenz und haben Schwierigkeiten, ihre Blase oder ihren Darm zu kontrollieren.
Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, da sich viele Betroffene aus Scham nicht an einen Arzt wenden. Gerade in der älteren Generation hält sich der Irrglaube, dass es sich um eine unvermeidbare Krankheit handelt. Dabei lässt sich in den meisten Fällen durch eine gezielte Behandlung eine Besserung erzielen. Hierbei können entsprechende Inkontinenzhilfsmittel behilflich sein.
Die Ursachen für Stuhl- oder Harninkontinenz können unterschiedlich sein. Damit ein Mensch Stuhlgang und Harndrang kontrollieren kann, müssen Zentren in seinem Gehirn, Rückenmark sowie beteiligte Muskeln und Nerven intakt sein.
40 Prozent der über 70-Jährigen sind inkontinent, u.a. weil die Elastizität des Gewebes mit zunehmendem Alter nachlässt. Dadurch tritt der Beckenboden tiefer und die Organe werden aufgedehnt. Das Risiko einer Inkontinenz steigt also mit dem Lebensalter.
Gerade bei älteren Menschen muss die Inkontinenz nicht unbedingt die Folge einer Erkrankung sein. Sie ist häufig Begleiterscheinung einer Demenz oder kann als Nebenwirkung verschiedener Medikamente auftreten. Die Behandlungsmethoden für ältere Inkontinenzpatienten können sich daher grundlegend von denen für jüngere Patienten unterscheiden.
Inkontinenz-Folgen
Die Folgen einer Inkontinenz – egal ob Harn- oder Darminkontinenz – können weitreichend sein. Die Betroffenen neigen aus Sorge vor einem „Missgeschick“ dazu, sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückzuziehen. Ihre Lebensqualität sinkt, da beispielsweise auf Hobbys verzichtet oder auch Treffen mit Freunden reduziert werden. Die soziale Isolation führt dann häufig zu Vereinsamung und kann sogar Angstzustände oder Depressionen nach sich ziehen.
Eine Inkontinenz kann aber auch physische Folgen haben. Denn unkontrollierbarer Urin- oder Stuhlverlust erhöhen das Risiko für die Entstehung eines Dekubitus oder Hautentzündungen im Genitalbereich. Eine weitere Folge kann eine sogenannte Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (kurz: IAD) sein, die durch ständigen Kontakt der Haut mit Stuhl oder Harn entsteht.
Eine einfühlsame Beratung ist vor allem dann wichtig, wenn es sich um eine besonders schwierige Situation für Patienten handelt. Oft sind ihnen Beschwerden unangenehm und aus Scham wird vermieden, diese zu beschreiben oder aktiv anzusprechen.
Empathische BeratungHarninkontinenz
Eine Harninkontinenz wird oft auch als Blasenschwäche bezeichnet. Dies kann insofern irreführend sein, da die Blase nicht immer für die Inkontinenz verantwortlich sein muss. Die Ursachen reichen von einer schwachen Beckenbodenmuskulatur, Blasensteine, einer vergrößerten Prostata, über Störungen im Nervensystem bis hin zu Erkrankungen wie Diabetes mellitus. Je nach Ursache lässt sich Harninkontinenz in folgende Arten aufteilen:
- Stressinkontinenz/Belastungsinkontinenz
- Dranginkontinenz
- Überlaufinkontinenz
- Neurogene Inkontinenz
- Mischinkontinenz
- Einnässen im Schlaf
Die häufigsten Arten der Harninkontinenz sind Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz. Aufgrund der Anatomie leiden deutlich mehr Frauen als Männer unter Belastungsinkontinenz. Die Form der Harninkontinenz entscheidet über weitere Behandlungsmöglichkeiten. Sie reicht von regelmäßiger Beckenbodengymnastik bei der Belastungsinkontinenz bis hin zur Medikamentengabe wie Anticholinergika. Vor allem bei der Dranginkontinenz sind diese häufig das Mittel der Wahl. In einigen wenigen Fällen hilft nur noch ein operativer Eingriff.
Merke: Welche Therapie infrage kommt, ist individuell unterschiedlich und hängt von der Inkontinenzform ab. Eine gründliche ärztliche Anamnese ist daher notwendig!
Stuhlinkontinenz
Wenn der Darm schwächelt, kann es zu unwillkürlichem Verlust von Darminhalt kommen. Es gibt auch hier Fälle, bei denen die Betroffenen zwar den Drang bemerken, es aber nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schaffen. Manche Patienten verspüren jedoch gar keinen Drang und können die Darmentleerung nicht bewusst steuern.
Unterscheidung von Stuhlinkontinenz in drei Schweregrade
- Grad: Unkontrollierter Abgang von Darmgasen und gelegentlich kleine Mengen Stuhl (Stuhlschmieren) bei Belastung.
- Grad: Es ist nicht möglich, Darmgase und dünnen Stuhl zu halten.
- Grad: Der Patient hat einen kompletten Kontrollverlust seiner Darmentleerung. Selbst das Zurückhalten von härterem, geformten Stuhl ist nicht mehr möglich.
Vor allem nach Geburten ist die Darmkontrolle bei jungen Frauen, beispielsweise nach einem Dammriss, oftmals beeinträchtigt. Wie schon bei der Harninkontinenz lässt die Fähigkeit, den Stuhl zu halten, generell im Alter nach. In seltenen Fällen führen aber auch Analfisteln, Analabszesse oder Tumore zu Stuhlinkontinenz.
Die Therapiemöglichkeiten gestalten sich ähnlich wie bei Harninkontinenz. Dazu gehören neben Übungen, die zum Ziel haben, die Blase und den Darm besser kontrollieren zu können, auch die Umstellung der Lebensgewohnheiten. Eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil können sich positiv auf die Blasen- und Darmfunktion auswirken. Aber auch hier können Medikamente oder in letzter Instanz eine OP helfen.
Pflegemaßnahmen bei Inkontinenz
Gerade Harninkontinenz ist ein pflegerelevantes Thema. Daher hat das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) einen Expertenstandard zum Thema „Förderung der Kontinenz“ entwickelt. Darin steht klar, dass als erstes die Kontinenz-Situation des Betroffenen von den Pflegekräften eingeschätzt werden muss, z.B. Berücksichtigung möglicher Risikofaktoren für eine Inkontinenz.
Anzeichen für Inkontinenz:
- Die Person riecht nach Urin oder Stuhl.
- Der Betroffene möchte nichts mehr unternehmen und zieht sich zurück.
- Die Kleidung des Betroffenen weist Flecken auf.
- Die Person benutzt auf einmal ungewöhnlicherweise Slipeinlagen oder Menstruationsbinden.
- Die betroffene Person wechselt auffällig oft die Kleidung und trinkt sehr wenig.
Die Pflegekraft berät den Patienten und ggf. seine Angehörigen über Maßnahmen zur Förderung seiner Kontinenz oder auch zum Umgang mit seiner Inkontinenz. Sie erarbeitet einen Maßnahmenplan und setzt diesen kontinuierlich um. Zur Prophylaxe gehört bei Jung und Alt das Beckenbodentraining, das Blasentraining und Entspannungsübungen.
Merke: Übergewicht gehört zu den Risikofaktoren sowohl bei Harn- als auch bei Darminkontinenz. Denn überflüssiges Körperfett schwächt die Beckenbodenmuskulatur zusätzlich.
Maßnahmen bei Inkontinenz:
- Ggfs. Gewichtsreduktion
- Toilettentraining nach Zeitplan
- Verzicht auf Kaffee sowie Alkohol und Nikotin
- Physiotherapie wie Beckenbodengymnastik, u.a. mit sogenannten Biofeedback-Übungen
- Medikamente nach ärztlicher Verordnung wie Anticholinergika oder Duloxetin sowie der Wirkstoff Desmopressin
- Pflanzliche Mittel wie Cranberry-Saft oder Globuli (Alumina, Kalium phosphoricum, Xerophyllum) bei Harninkontinenz
- Katheter
- Elektrostimulation
- Chirurgische Therapie in Form einer Operation
Durch Inkontinenz verursachte Wunden an schwierigen Körperstellen sind nicht immer zu vermeiden. Weiterführende Informationen:
Versorgung schwieriger KörperstellenEs gibt unterschiedliche Hilfsmittel für die Versorgung einer Inkontinenz, die das Leben der Betroffenen erleichtern und die Lebensqualität deutlich verbessern. Hierzu gehören u.a.
- aufsaugende Hilfsmittel wie Inkontinenzhosen oder -einlagen bzw. Windeln oder Bettunterlagen
- funktionell anatomische Hilfsmittel wie Inkontinenztampons, Harnröhren-Plus oder Penisbändchen oder
- ableitende Hilfsmittel wie Katheter oder Urinbeutel.
Siehe auch:
Blasenkatheter korrekt legen