Gangrän
Als Gangräne werden laut aktueller Definition der ICW (Initiative Chronische Wunden e.V.) abgestorbene Körperteile bezeichnet. Für die Behandlung gilt: Zunächst sollte das betroffene Areal ruhiggestellt und die Durchblutung wieder hergestellt werden. Erst danach kann eine Wundversorgung erfolgen.
Die Behandlung einer Gangrän hängt stark von deren Form ab - neben der trockenen gibt es die feuchte Gangrän. Auch die oftmals lebensbedrohliche, heute aber eher seltene Gasgangrän (auch bekannt als Gasbrand) gehört zu dieser Form der Gewebeerkrankung, die vor allem durch eine Störung der Durchblutung hervorgerufen wird. Entsprechend unterschiedlich können die Versorgungsansätze sein, die schlimmstenfalls mit einer Amputation des betroffenen Areals einhergehen.
Weiterführende Inhalte
- Veranstaltung: Grundlagen der Versorgung chronischer Wunden
- Video: Störenfriede auf der Wunde - Nekrose, Biofilm und Fibrin
- Fallbeispiel: Pyoderma gangraenosum nach harmloser Verletzung
Was ist eine Gangrän?
Eine Gangrän bezeichnet man auch als Gewebsnekrose.
Es handelt sich dabei um das Absterben von Gewebe durch eine länger andauernde Durchblutungsstörung. Besonders häufig kommt dies an den unteren Extremitäten vor, z.B. bei diabetischer Mikroangiopathie oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK).
Gangrän: Definition
Die begriffliche Definition einer Gangrän ist – gerade in Abgrenzung zur Nekrose – selbst in der Fachliteratur nicht immer ganz konsistent. So beschreibt der Pschyrembel etwa eine Gangrän als eine „Form der ischämischen Nekrose mit Autolyse des Gewebes und Verfärbung durch Hämoglobinabbau”.1 Dissemond et al. wiederum unterscheiden in ihrer Bestimmung die Gangrän von der Nekrose. Abgestorbenes, zuvor vitales Gewebe in einer Wunde wird als Nekrose und abgestorbene Körperteile als Gangrän bezeichnet.2 Dieser Definition folgt dieser Artikel.
Eine Gangrän kann entstehen, wenn die Blutversorgung dauerhaft eingeschränkt oder unterbrochen wird. Dadurch kommt es im betroffenen Areal zum Absterben und Autolyse der Zellen, das Gewebe zerfällt und verfärbt sich. Die Verfärbung entsteht durch den Abbau des Blutfarbstoffs Hämoglobin.
Das betroffene Areal einer Gangrän ist zudem meist mit Bakterien besiedelt. Daraus entstehen Infektionen, die das Absterben des Gewebes weiter beschleunigen. Verfärbungen, Rötungen, bläulich-livide verfärbte Areale, faulige Gerüche und Schmerzen sind die Regel.
Ursächlich für eine Gangrän können mehrere Aspekte sein, beispielsweise äußerliche Einflüsse wie thermische Faktoren (Erfrierungen, Verbrennungen), mechanische Abschnürung der versorgenden Blutgefäße, aber auch endogene Faktoren wie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Vaskulitiden (Gefäßentzündungen). Gangränen können in allen Körperregionen auftauchen, in denen die Durchblutung im Gewebe unterbrochen wurde. Häufig bilden sich Gangränen jedoch an den unteren Extremitäten, etwa im Zusammenhang mit diabetischen Angiopathien.
Ausführliche Informationen zu Nekrosen im Allgemeinen finden Sie im Artikel: Nekrose – Wundversorgung nekrotischer Wunden.
Eine seltene und schmerzhafte Autoimmunerkrankung, die u.a. mit Gefäßentzündungen sowie Gewebsnekrose einhergeht, ist Pyoderma gangraenosum (PG). Hierbei kommt es aufgrund einer überschießenden Reaktion des Immunsystems zu einer Aktivierung von Entzündungszellen.
Die Ähnlichkeit im Namen lässt einen Zusammenhang von PG und Gangrän vermuten, dabei unterscheidet sich diese Hauterkrankung nicht nur optisch, sondern auch pathologisch deutlich von einer Gangrän. So ist die Hautoberfläche beim Pyoderma gangraenosum offen, Entzündungen, Geschwüre oder zerklüftetes Gewebe werden sichtbar und kleinere oder größeren Blasen zeigen sich an verschiedenen Körperstellen.
Behandlung einer Gangrän und ihrer Unterformen
Der erste Schritt zur Behandlung einer Gangrän sollte die Wiederherstellung der Durchblutung sein. Erst dann kann eine Wundbehandlung erfolgen.
Zudem sollten Ursachen - dazu kann etwa Rauchen oder ein zu hoher Blutzucker gehören - therapiert werden. Die betroffenen Extremitäten sollten ruhig gestellt und, bei Bedarf und entsprechender Lokalisation, das Schuhwerk angepasst werden. Die Fuß- und Nagelpflege sollte durch geschultes Fachpersonal erfolgen.
Trockene und feuchte Gangrän, Gasgangrän
In der Pflege unterscheidet man die drei häufigsten Formen: die trockene Gangrän, die feuchte Gangrän sowie die Gasgangrän. Jede Form braucht eine passende Wundversorgung.
Trockene Gangrän
sieht lederartig aus, eher feste Beschaffenheit
Eine trockene Gangrän ist zumeist nicht infiziert, es werden keine Zerfallsprodukte an die darunterliegende Wunde abgegeben und die Wundheilung wird i.d.R. nicht negativ beeinflusst. Bei fester Abdeckung der Wunde bildet sie zunächst eine keimfreie Wundabdeckung.
Symptome
Frühe Anzeichen:
- Kälte- / Taubheitsgefühl im betroffenen Areal
- schwer oder nicht tastbarer Puls
- Schmerzen
späte Symptome:
- Wasserverlust lässt das Gewebe schrumpfen
- auf Dauer Mumifizierung (Eintrocknung) des Gewebes
- schwarz verfärbtes, totes Gewebeareal
- keine Schmerzen mehr
Behandlung
Gangrän deckt die Wunde fest ab:
- Solange trocken behandeln, bis sich die Gangrän löst oder zur Weiterbehandlung / Beurteilung entfernt werden muss
- Wichtig: keine feuchte Wundbehandlung, damit mögliche Keimbesiedlung verhindert wird
- chirurgisches Débridement
Gangrän löst sich von den Wundrändern:
- sollte zur Beurteilung der darunterliegenden Wunde entfernt werden
- Wichtig: keine feuchte Wundbehandlung
- bis zur Entfernung der Gangrän die Wunde mit Exsudat einschließenden Wundauflagen behandeln, um Feuchtigkeit zu entziehen
- chirurgisches Débridement
Feuchte Gangrän
sieht feucht aus, weiche Konsistenz, verflüssigtes Gewebe
Eine feuchte Gangrän ist in der Regel mit Bakterien besiedelt und setzt Zerfallsprodukte des Gewebes frei. Das beeinflusst die Wundheilung negativ. Zudem können die Bakterien in die Blutbahn gelangen und zu einer lebensgefährlichen Sepsis führen.
Symptome
- Infektionen entstehen und fördern das Absterben des Zellgewebes
- fauliger Geruch
- Rötung, Schwellung
- i.d.R. Schmerzen
- Gefahr einer Sepsis!
Behandlung
- zeitnahes chirurgisches Débridement
- Wichtig: keine feuchte Wundbehandlung
- antiseptische Wundbehandlung
- Falls unumgänglich: zeitnahe chirurgische Amputation der feuchten Gangrän
Gasgangrän
(auch Gasbrand genannt)
flüssigkeitsgefüllte Bläschen, Wunde “knistert” bei Druck
Hierbei kommt es zu einer durch Bakterien ausgelösten Blasenbildung unter der Haut. Da sich die Erreger schnell ausbreiten, schreitet die Infektion in der Regel rasch voran.
Symptome
- Bakterien (sog. gasbildende Clostridien) verursachen Blasen unter der Haut (Gewebeablösung)
- rot-braun verfärbte Haut
- Wunde stinkt verfault
- starke Schmerzen
- Erreger und Toxine breiten sich rasch aus: schnelles Fortschreiten der Infektion mit Ausbildung einer Sepsis
Behandlung
- ernster medizinischer Notfall
- umgehende chirurgische und medikamentöse Behandlung (Sanierung des Wundgebietes mit Débridement und Gewebespaltung [führt zu einer Druckentlastung mit verbesserter Durchblutung], Spülungen und Drainagen, Antiobiose, nach Möglichkeit hyperbare Sauerstofftherapie)
- Falls unumgänglich: Amputation
Die Fourniersche Gangrän gilt als eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis und betrifft den Leisten- und Genitalbereich. Sie beginnt meist mit einer bakteriellen Infektion im Urogenitalsystem und breitet sich entlang der Faszienräume weiter aus. Eine frühe Diagnose, die chirurgische Entfernung der betroffenen Gewebeteile und eine Antibiose können im besten Fall ein weiteres Voranschreiten der Gangrän, Organverlust oder im schlimmsten Fall die Todesfolge durch eine entstandene Sepsis verhindern.
Bei einer nekrotisierenden Fasziitis handelt es sich um eine nekrotische Infektion der Haut und Unterhaut, die sich rasch entlang einer Faszie ausbreitet und zu einer Sepsis führen kann. Sie fällt auf durch erhöhte Entzündungsparameter und beginnt akut mit Ödembildung und Rötung bei ausgeprägten Schmerzen. Betroffen sind vor allem Patienten mit einer chronischen Grunderkrankung (z.B. periphere Durchblutungsstörungen, Lymphabflussstörungen, Immundefizienz, Patienten mit Diabetes mellitus). Wichtig ist ein schnelles radikales Débridement der betroffenen Weichteile sowie eine rasche Behandlung der Sepsis, falls vorhanden. Das nekrotische Gewebe und die Faszie müssen komplett abgetragen und die Wunde gereinigt und gespült werden. In einigen Fällen ist nur noch die Amputation der betroffenen Gliedmaße möglich, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden.
Komplikationen
Neben den typischen Beschwerden, die eine Gangrän beim Patienten auslöst – dazu gehören die Verfärbung der Haut, aber auch Juckreiz und Schmerzen –, können Bakterien und Viren in die Blutbahn gelangen. Eine dadurch ausgelöste Sepsis muss umgehend behandelt werden, in diesem Fall ist eine Antibiotika-Gabe indiziert.
Zudem kann eine Gangrän sich ausweiten. Kleinere Regionen können dabei oftmals operativ entfernt werden, schlimmstenfalls ist jedoch eine Amputation unumgänglich.
Heilt eine Gangrän nur schlecht aus, kann es außerdem zu weiteren Folgeerkrankungen kommen. Dazu gehört etwa eine offene Ulzera, aber auch Phlegmone (diffuse, bakterielle Entzündung der Haut und des weichen Bindegewebes) sowie eine Lymphangitis (Entzündung der Lymphgefäße).
Prophylaxe
Um eine Gangrän vorzubeugen, kommt es vor allem darauf an, durchblutungsstörende Faktoren so weit wie möglich zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise ein Verzicht auf Nikotin. Auch starkes Übergewicht erhöht die Gefahr für eine Gangrän, sodass eine Gewichtsreduzierung das Risiko verringern kann.
Gerade für Diabetiker ist es darüber hinaus wichtig, neben den Blutzuckerwerten auch die Blutfettwerte zu prüfen und diese unter Kontrolle zu haben. Da Gangräne häufig an den Füßen auftreten, ist es bei diesen Patienten zudem hilfreich, wenn die Fußpflege nur von Experten übernommen wird. Zudem kann richtiges Schuhwerk, das Druckstellen etc. verhindert, bei der Vorsorge unterstützen.
Rötungen und Schwellungen sollten generell beobachtet werden, sodass die Ausbildung einer Gangrän frühzeitig erkannt werden kann.