Fleischwunden: Umgang mit einem ungenauen Begriff

Fleischwunden: Umgang mit einem ungenauen Begriff

Der Begriff „Fleischwunde“ wird umgangssprachlich für eine Vielzahl meist akuter Wunden verwendet.

Für die Verwendung in medizinischen Fachkreisen ist der Begriff Fleischwunde jedoch zu ungenau und sollte vermieden werden. Dementsprechend existiert auch keine wissenschaftliche Definition dieses Begriffs. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über verschiedene Wundarten, die umgangssprachlich unter "Fleischwunde" verstanden werden könnten.

Was ist eine Fleischwunde?

Als Fleischwunde kann eine Verletzung verstanden werden, bei der das rohe Fleisch sichtbar wird, was in der medizinischen Praxis beinahe auf jede akute Wunde zutreffen kann. Denn der Begriff Fleischwunde beschreibt lediglich, dass das Fleisch verletzt wurde. Das Wort Fleisch wiederum wird im Sprachgebrauch für das von Bindegewebe umgebene weiche Muskelgewebe des menschlichen und tierischen Körpers genutzt. 

Welche Wunden können unter die Bezeichnung „Fleischwunde“ fallen?

Zu den Wundarten, die umgangssprachlich als "Fleischwunden" bezeichnet werden könnten, gehören insbesondere Wunden, die durch mechanische Verletzungen entstanden sind. Dazu gehören Folgende:

  • Schnittwunden: Diese entstehen oft unbeabsichtigt im Alltag, etwa beim Hantieren mit scharfen Gegenständen oder durch Glasscherben. Sie können oberflächlich oder tief sein und mitunter Sehnen, Muskeln oder Knochen in Mitleidenschaft ziehen.
  • Risswunden und Platzwunden:  Diese Verletzungsarten treten häufig gemeinsam und zusammen mit Quetschwunden auf und werden durch stumpfe Gewalteinwirkung verursacht. Die Grenzen zwischen ihnen sind fließend..
  • Stichwunden: Verursacht durch spitze Objekte wie Schraubenzieher können diese Wunden äußerlich harmlos erscheinen, aber in der Tiefe erhebliche Schäden anrichten. Die tatsächliche Verletzungstiefe ist oft schwer einzuschätzen.
  • Schusswunden: Entstehen durch eindringende Projektile und hinterlassen einen sich erweiternden Wundkanal im Körpergewebe. Die Schädigung nimmt in Schussrichtung zu.
  • Bisswunden: Eine Kombination aus Platz-, Riss- und Quetschwunden. Sie bergen ein hohes Infektionsrisiko aufgrund der Keime in der Mundhöhle des Angreifers. Ärztliche Behandlung ist ratsam, um Infektionen vorzubeugen.
  • Pfählungsverletzungen: Hierbei dringen längliche Gegenstände in den Körper ein, oft bei Unfällen oder Stürzen. Große Fremdkörper sollten nicht entfernt werden, um Blutungen zu vermeiden. Besonders bei Verletzungen im Rumpfbereich besteht die Gefahr von Organschäden..

Anhand der verschiedenen Wundarten wird deutlich, dass der Begriff „Fleischwunde“ sehr vage ist, und keine Auskunft gibt über die Tiefe, den Schweregrad oder das betroffene Gewebe. Eine genaue Klassifizierung ist jedoch notwendig, um die Wunde adäquat zu versorgen und das Risiko von Infektionen oder anderen Komplikationen zu minimieren.

Beispiel aus der Praxis

Ein Elternteil ruft besorgt in der Praxis an und berichtet, dass das Kind eine „Fleischwunde“ hat. Die erste und häufig richtige Reaktion der Eltern ist, das Kind sofort in der Arztpraxis oder Klinik vorzustellen. Doch bevor diese losstürzen, ist es wichtig, einige präzisierende Fragen zu stellen:

  1. Wo befindet sich die Wunde?
    • Die genaue Lage der Wunde kann entscheidend sein. Eine Wunde am Kopf oder am Bauch erfordert möglicherweise sofortige ärztliche Hilfe, während eine Wunde am Arm oder Bein weniger kritisch sein könnte.
  2. Wie tief ist die Wunde?
    • Oberflächliche kleine Verletzungen benötigen oft weniger eine ärztliche Behandlung als tiefe Schnitte, die möglicherweise genäht werden müssen.
  3. Wodurch wurde die Wunde verursacht?
    • Die Ursache der Wunde kann Hinweise auf das potenzielle Infektionsrisiko geben. Ein Schnitt durch ein sauberes Messer ist anders zu bewerten als eine Wunde durch einen rostigen Nagel oder einen Tierbiss, die immer ärztlich versorgt werden sollten.

Fazit: In der beispielhaften Situation ist die Bezeichnung „Fleischwunde“ nicht hilfreich und bedarf der weiteren Präzision, um die Situation richtig einschätzen zu können. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Kind die bestmögliche Versorgung erhält.

Fleischwunde wird genäht
"Fleischwunde", hier eine Schnittwunde beim Nähen
Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.