Fixateur externe

Fixateur externe

Fixateurs externes spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung komplexer Frakturen. Allerdings können sich Komplikationen wie Pin-Track-Infektionen entwickeln. Mit effektiven Pflegemaßnahmen kann das Infektionsrisiko vermindert werden.

Was ist ein Fixateur externe?

Ein Fixateur externe (oder: äußerer Spanner) ist ein Osteosyntheseverfahren, mit dem insbesondere komplizierte Frakturen stabilisiert werden. Das Grundprinzip des Fixateur externe besteht in einer indirekten, geschlossenen Reposition der Knochenfragmente mithilfe der axialen Zugkraft (Ligamentotaxis). Dazu werden vorübergehend Metallstabkonstruktionen mit perkutan eingebrachten Knochennägel oder -schrauben (sogenannten „Pins“) in den zu stabilisierenden Knochen verankert. Man unterscheidet verschiedene Typen des Fixateur externe, zum Beispiel:1,3-5

  • Unilaterale Rahmensysteme (nur eine Seite betreffend)
  • Bilaterale Rahmensysteme (von zwei Seiten ausgehend)
  • Ringsysteme

Sie bestehen jedoch immer aus drei Grundelementen:5

  • Zum Fixieren der Knochenfragmente: Stifte, Schrauben und/oder Drähte mit externen Enden
  • Äußere Fixationselemente: Metallstäbe oder -rohre, mehrgelenkige Stabilisationssysteme oder Gewindestangen
  • Verbindungselemente zwischen Knochenfixationselementen und den externen Fixationselementen
Wichtig zu wissen

Fixateurs externes werden häufig zur Erstversorgung komplexer Frakturen (Notfall) eingesetzt.1

Bei welchen Indikationen werden Fixateurs externes eingesetzt?

Für einen Fixateur externe bestehen neben der Erstversorgung viele weitere Indikationen für eine Vielzahl von Lokalisationen, zum Beispiel:1,5

  • Offene Frakturen
  • Geschlossene Frakturen mit schwerem Weichteilschaden
  • Frakturen mit Knochen- und Weichteilverlust
  • Frakturen mit begleitenden Gefäßverletzungen
  • Defekt- und Trümmerfraktur
  • Polytrauma
  • Schaftfrakturen
  • Gelenkfrakturen
  • Beckenfrakturen
  • Verletzungen der Halswirbelsäule
  • Weichteil- und Knocheninfektionen
  • Infektpseudarthrosen (Infektionsgeschehen verhindert Knochenheilung)

Zu den Kontraindikationen zählen Adipositas per magna (Body Mass Index ≥ 40 kg/m²), massive Osteoporose sowie eine mangelnde Bereitschaft des Patienten, bei der Behandlung mitzuarbeiten (Non-Adhärenz).1

Vor- und Nachteile des Fixateur externe

Im Vergleich zu anderen Osteosyntheseverfahren, wie beispielsweise mit Platten oder Marknägel, bietet der Fixateur externe verschiedene Vor-, aber auch Nachteile.1,6

Tab. 1: Vor- und Nachteile des Fixateur externe

VorteileNachteile 
  • Weichteilschonend
  • Geschlossene Reposition (primär geringe Kontaminationsgefahr)
  • Nachreposition problemlos möglich
  • Dynamisierung ohne erneute OP
  • Freie Pinplatzierung
  • Metallentfernung ambulant möglich
  • Einfach anwendbar
  • Preisgünstig
  • Pin-Infektionen sind relativ häufig
  • Längere Behandlungszeit 
  • Mitarbeit des Patienten erforderlich
  • Tägliche Pflege
  • Unkomfortabel

Fixateur externe am Bein, Ringsystem und Pins
Fixateur externe am Bein, Ringsystem und Pins

Wie sieht die Behandlung mit dem Fixateur externe aus?

Das Operationsvorgehen zum Anbringen eines Fixateur externe hängt von der Lokalisation und vom Behandlungsziel ab. Es muss entsprechend der jeweiligen Fraktursituation präoperativ sorgfältig geplant werden, um Komplikationen zu vermeiden. Entscheidend ist die richtige Positionierung der Pins. Dabei gilt es, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:1

  • Stabilisierung der Fraktursituation (möglichst orthograd/ in physiologischer Richtung zur Achse des Knochens anbringen)
  • Beeinträchtigung der benachbarten Gelenke und die anschließende Pflege berücksichtigen

Dazu werden die Pins (oder Schanz-Schrauben) möglichst komplikationsarm in einer sogenannten „sicheren Zone“ platziert, mit welcher der Verlauf von Muskeln, Sehnen, Nerven und Gefäßen berücksichtigt wird. Die sichere Zone hängt von der jeweils betroffenen Körperregion ab. An den Unterschenkeln verläuft sie zum Beispiel anteromedial.1

Das Anbringen des Fixateur externe verläuft nach dem folgenden Grundprinzip:

  1. Nach einer ausreichend großen Hautinzision wird das darunterliegende Gewebe mit einer Klemme oder Schere gespreizt.
  2. Danach werden die Pins, die später nach außen ragen sollen, in den Knochen eingebracht. Bei nicht selbstbohrenden Pins wird der Knochen vorgebohrt. Dabei ist es wichtig die Lokalität zu kühlen, um eine Überhitzung und damit eine Hitzenekrose zu vermeiden.
  3. Falls sich nach dem Einbringen des Pins lokale Irritationen oder eine Hautspannung zeigt, muss die Haut durch eine Inzisionsvergrößerung oder ein Umsetzen des Pins entlastet werden.
  4. Die extern herausragenden Elemente des Pins werden über sogenannten „Universalbacken“ mit den Stangen des Fixateur externe verbunden und verspannt.1

Während der Tragedauer wird der Heilungsfortschritt regelmäßig mit Röntgenaufnahmen kontrolliert.7 Nach dem Entfernen des Fixateur externe werden die Inzisionen nicht verschlossen, sondern heilen sekundär ab mit einer gegebenenfalls späteren Narbenkorrektur.1

Was gilt für die Pflege bei Patienten mit Fixateur externe?

Bei Patienten mit einem Fixateur externe besteht über einen längeren Zeitraum eine offene Wunde. Es liegt also auf der Hand, dass eine sorgfältige Pflege unter aseptischen Bedingungen unerlässlich ist, um das Risiko für Infektionen, insbesondere Pin-Track-Infektionen (Englisch; Pin: Stift; Track: Weg; Bohrloch-Osteomyelitis), zu vermeiden.2 Allerdings fehlt es dazu an Studiendaten, welche Pflegemaßnahmen bei Fixateur externe am besten geeignet sind, um Komplikationen zu vermeiden.8

Empfehlungen zur Pin-Pflege

In Deutschland haben sich die folgenden Pflegemaßnahmen für Patienten mit Fixateur externe etabliert.2

Positionierung der Patienten mit Fixateur externe2

  • Die betroffene Extremität hochlagern (Hochlagerungsschiene, Kissen).
  • Zur Spitzfußprophylaxe das Fußgelenk in einem circa 90°-Winkel positionieren und auf eine Freilagerung von Ferse und Achillessehne achten.
  • Stellen mit oberflächlichen Nerven wie das Wadenbeinköpfchen zusätzlich polstern, um Nervenschädigungen zu vermeiden.
  • Möglicherweise ist eine Aufpolsterung des Fixateurs mit Schaumstoff oder Kissen ratsam, damit sich der Patient nicht daran verletzt. Außerdem können spezielle Kunststoffkappen für die Schrauben vor Verletzungen schützen.
Fixateur Externe am Arm
Fixateur externe am Arm, Verband
Fixateur externe nach Fraktur, Ellbogen
Fixateur externe am Arm, Draufsicht Ellbogen

Verbandwechsel bei Fixateur externe

  • Der Verbandwechsel findet täglich statt.
  • Idealerweise führen zwei Pflegekräfte den Verbandwechsel durch.
  • Um Pin-Track-Infektionen zu vermeiden, sollten Verbände bei Patienten mit Fixateur externe unter aseptischen Bedingungen gewechselt werden.
  • Erforderliche Materialien (siehe Kasten „Materialliste für den Verbandwechsel bei Patienten mit Fixateur externe) bereitlegen.
  • Den gesamten Fixateurs externes reinigen.
  • Verbände auf Blut, Eiter und Flüssigkeiten prüfen.
  • Pin-Eintrittsstellen auf Entzündungszeichen untersuchen, eine Kontrolle von Durchblutung, Motorik und Sensorik (DMS) durchführen.
  • Die Patienten nach Schmerzen fragen und auf Auffälligkeiten wie Druckstellen achten.
  • Gegebenenfalls ist die Entnahme eines Wundabstrichs an der Pin-Eintrittsstelle erforderlich.
  • Auf den Hautzustand abgestimmte Hautpflegemittel nutzen.
  • Bestehende Weichteilverletzungen entsprechend der Wundheilungsphasen versorgen.
  • Eintrittswunden der Pins mit Schlitzkompressen/Kompressen abdecken und diese mit Mullbinde um die Pins herum fixieren.2

Der Verbandwechsel bei Patienten mit Fixateur externe kann anspruchsvoll sein, wenn die Pin-Stellen ungünstig lokalisiert sind. Der Beitrag „Versorgung schwieriger Körperstellen“ enthält praktische Tipps für viele Sondersituationen. 

Pin-Track-Infektionen frühzeitig erkennen

Wichtig ist zudem, die Anzeichen für eine Pin-Track-Infektion frühzeitig zu erkennen. Dazu gehören:2

  • Rötungen der Haut um die Pin-Eintrittsstellen
  • Seröse Sekretion aus den Eintrittsstellen
  • Schmerzen
  • Allgemeine Entzündungszeichen

Das Risiko für Pin-Track-Infektion kann mit Pflegemaßnahmen reduziert werden, bei denen die Patienten von Anfang an mit eingebunden werden sollten. Wichtige Maßnahmen der Pin-Pflege sind:1

  • Krusten abtragen
  • Sekretverhalt vermeiden
  • Trockene Wundbehandlung
  • Gegebenenfalls lokale Antiseptika anwenden

Bei der Wundversorgung von Patienten mit Fixateur externe gelten höchste Anforderungen an die Hygiene. Empfehlungen dazu finden sich im Beitrag „Hygienemaßnahmen bei der Versorgung chronischer Wunden“. 

Materialliste für den Verbandwechsel bei Patienten mit Fixateur externe2

  • Unterlagen, Abwurf, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe
  • Physiologische Kochsalzlösung, Haut-/Schleimhautdesinfektionsmittel
  • Sterile Tupfer / Watteträger
  • Sterile Pinzette (oder Handschuhe)
  • Sterile Kompressen, Schlitzkompressen
  • Bei Bedarf: Abstrichröhrchen
  • Abhängig vom Einzelfall: Weitere Materialien zur Wundbehandlung nach ärztlicher Anordnung
  • Mullbinde oder elastische Binde (bei großen Abständen der Pin-Eintrittsstellen)

Beratung der Patienten mit Fixateur externe

Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung mit einem Fixateur externe ist die Kooperation der Patienten.1 Pflegekräfte können sie zusammen mit ihren Angehörigen beraten, hinsichtlich:2

Wichtig zu wissen

Eingeschränkt mobile Patienten mit einem Fixateur externe an den Beinen oder der Hüfte haben ein erhöhtes Risiko für ThrombosenDekubitus, Pneumonien und Obstipationen. Daher sollte bei der Pflege auf entsprechende Prophylaxe-Maßnahmen geachtet werden.2

Tragedauer des Fixateur externe

Die Tragedauer eines Fixateur externe hängt vom Einzelfall ab.9 In der Literatur finden sich dennoch einige orientierende Angaben:1,9

  • Als passagere Notfallversorgung bleibt er höchstens zehn Tage, bevor auf ein anderes Osteosyntheseverfahren wie zum Beispiel Nagelosteosynthese, Plattenosteosynthese oder Fixateur interne umgestellt wird (Verfahrenswechsel).1
  • Für einige orthopädische Prozeduren ist die Tragedauer des Fixateur externe auf 4,5 Wochenstandardisiert. Dazu gehören intertrochantäre Osteotomien bei Kindern sowie Arthodesen (operative Gelenkversteifung) des Knie- und Sprunggelenks.9
  • Bei akuten Frakturen hängt die Verweildauer vom individuellen Heilungsverlauf ab. Im besten Fall bleibt der Fixateur externe sechs Wochen. Falls weitere Operationen erforderlich sind, kann es bis zu 20 Wochen dauern.9

Für die Tragedauer gilt der Grundsatz: Der Fixateur externe bleibt, solange er notwendig ist – aber nicht länger.9

Belastbarkeit des Fixateur externe

Nach dem Anbringen des Fixateur externe kann die betroffene Extremität in der Regel von Beginn an teilbelastet werden. Eine Ausnahme sind überbrückende Anwendungen im Notfall. Im weiteren Heilungsverlauf wird die Belastung langsam bis zur Vollbelastung gesteigert.5

Mögliche Komplikationen im Zusammenhang mit einem Fixateur externe

Bei der Behandlung mit einem Fixateur externe kann es zu leichten bis schweren Komplikationen kommen.

Tab. 2: Mögliche Komplikationen des Fixateur externe1

Schweregrad / KomplikationTherapiemöglichkeit
Leicht: PininfektKonservativ: Pin-Pflege und antiseptische Verbände
Mittelschwer: Pin-LockerungOperativ: Austausch des Pins

Schwer

  • Pin-Track-Infektionen (Bohrloch-Osteomyelitis)
  • Ostitis  
  • Pseudarthrose
  • Gefäß-/Nervenverletzungen

Verfahrenswechsel:

  • Operative Revision, Neuanlage
  • Aufbohrung, bei Infektfreiheit zum Beispiel Nagelosteosynthese, Spongiosaplastik, operative Revision

Pin-Eintrittsstellen: Hotspots für Komplikationen

Besonders vulnerabel sind die Eintrittsstellen der Pins:1

  • Bei zu engen Inzisionen kann es zu Hautspannungen und in der Folge zu Hautnekrosen kommen.1
  • Die Inzisionen sind potenzielle Eintrittspforten für Krankheitserreger mit nachfolgenden Pin-Infektionen bis hin zur Bohrloch-Ostitis oder Bohrloch-Osteomyelitis (Pin-Track-Infektionen).1,10 Dieses Infektionsrisiko steigt, je mehr Bewegungen / Verschiebungen der Haut und der Unterhaut an den Pins auftreten.1

Pin-Track-Infektionen bei Fixateur externe

Selbst bei einem korrekten Anbringen des Fixateur externe kommt es in bis zu 40 % der Fälle zu einer Pin-Track-Infektion, die durch geeignete Pin-Pflege verhindert werden kann (siehe Was gilt für die Pflege bei Patienten mit Fixateur externe?). Leichte Pin-Infektionen lassen sich häufig durch sorgfältige Pin-Pflege, Inzisionserweiterung und Antiseptikatherapie beherrschen. Hingegen ist bei einer manifesten Pin-Track-Infektion ein umfassender operativer Eingriff erforderlich:1

  • Pin-Entfernung
  • Bohrlochkürettage und -spülung (gegebenenfalls das Einbringen eines Antibiotikastabs)
  • Neupositionierung des Pins in ausreichender Entfernung von der Pin-Infektion

Ein konsequentes Eingreifen ist bei Pin-Track-Infektionen wichtig, da sie einen lebensgefährlichen Verlauf nehmen können. In der Literatur wird über Fälle des toxischen Schocksyndroms beziehungsweise der nekrotisierenden Fasziitis im Zusammenhang mit einem Fixateur externe berichtet.11

Stichwort: Toxisches Schocksyndrom

Das toxische Schocksyndrom (Englisch: Toxic-Shock-Syndrom) wird von Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken verursacht, die Enterotoxine bilden können, die vom Körper als Superantigene identifiziert werden. Das Abwehrsystem reagiert mit einer fulminanten Zytokinausschüttung. In der Folge entwickeln sich sehr rasch Symptome wie ein Schock mit scharlachartigem Exanthem bis hin zum Multiorganversagen. Das toxische Schocksyndrom muss sehr schnell intensivmedizinisch behandelt werden.12

Stichwort: Nekrotisierende Fasziitis

Bei der nekrotisierenden Fasziitis handelt es sich um eine aggressive Haut- und Weichteilinfektion, die eine Nekrose der Muskelfaszie und des subkutanen Gewebes verursacht. In etwa 80 % aller Fälle wird die nekrotisierende Fasziitis durch eine bakterielle Infektion – meist mit Staphylococcus aureus und Streptokokken – verursacht, die durch eine Verletzung der Haut entstanden ist. Patienten mit einer nekrotisierenden Fasziitis müssen unverzüglich intensivmedizinisch versorgt werden.13

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.