Fallbeispiel: Wundheilungsstörung nach Hautkrebs
Bei einem Patienten mit onkologischer Vorgeschichte wurde ein Basalzellkarzinom (Form von Hautkrebs) der Kopfhaut diagnostiziert und entfernt. Die so entstandene Wunde heilte jedoch nicht ab und die behandelnden Ärzte standen zunächst vor einem Rätsel. Wie wurden die multiplen Wunden am Schädel des Patienten behandelt? Konnte am Ende ein Heilungserfolg erzielt werden? Alles zu Anamnese, Therapie und Heilungsverlauf lesen Sie in unserem Fallbeispiel inklusive Bildern.
Geschlecht
Mann
Alter
58 Jahre
Führende Wundursache
Fragilität der Haut, Scherkräfte
Diabetes mellitus
nein
Risikofaktoren
onkologische Vorgeschichte
Lokalisation der Wunde
Schädel
Infizierte Wunde
nein
Wundart
chronisch
Wundgrund
Granulation
Wundumgebung
trocken, teilweise schorfig
Wundrand
intakt, beginnende Epithelisierung
Exsudation
stark, klar, serös, geruchlos
Abstrichentnahme
nein
Ausgangssituation
Herr B. stellte sich im November 2019 auf Anraten seines Dermatologen erstmals in einer spezialisierten pflegerischen Einrichtung vor. Damals war vor allem die linke Schädelhälfte betroffen, an der multiple Ulzerationen zu einer Wundfläche von etwa 10 cm Länge und 8 cm Breite zusammenliefen (Foto 1). Weitere kleine Ulzerationen fanden sich im gesamten Schädelbereich. Die Wunden waren alle oberflächlich, sauber und sonderten viel klares, seröses und geruchloses Exsudat ab. Von den unauffälligen Wundrändern aus war an vielen Stellen Epithelisierung erkennbar. Die Wundumgebung und die Umgebungshaut waren trocken und an einigen Stellen schorfig. Schmerzen hatte Herr B. zu diesem Zeitpunkt nicht.
Anamnese
Diagnose
Therapie
Das Basalzellkarzinom (Basaliom, umgangssprachlich „weißer Hautkrebs“) ist ein maligner (bösartiger) Tumor der Haut. Es entwickelt sich in den Basalzellen der Oberhaut (Epidermis) und entsteht bevorzugt in Hautregionen, die häufig der Sonne ausgesetzt sind. Metastasen werden von Basalzellkarzinomen nur selten gebildet.
Artikel: BasalzellkarzinomDokumentierter Wundverlauf
Schon nach 3 Wochen wurde die Versorgung umgestellt, da die Exsudation deutlich nachgelassen und die Wundflächen sich erheblich verkleinert hatten (Foto 2). Die Wunden wurden jetzt nach Reinigung zunächst mit mehreren kleinen PU-Schaum-Wundauflagen versorgt, später mit Silikonwunddistanzgitter und sterilen Kompressen. Die Fixierung erfolgte mit einem Folienverband. Das Versorgungsintervall konnte auf alle 3 Tage, im Verlauf auf alle 4 Tage verlängert werden. Zum Ende des Jahres waren die Wunden fast abgeheilt, allerdings fiel auf, dass immer wieder kleinere Einrisse entstanden, die Exsudat absonderten und entsprechend versorgt werden mussten.
Im April 2020 verschlechterte sich die Wundsituation deutlich. Es war eine Wunde von 6,5 cm Länge und 5 cm Breite zu sehen (Foto 3). Der Wundgrund wies sauberes Granulationsgewebe auf, der Wundrand war großteils intakt und an einigen Stellen lederte sich entstandenes Epithelgewebe ab. Das wenige Exsudat war klar und geruchlos. Auch an anderen Stellen des Schädels waren kleinere Ulzerationen erkennbar. Nach dem Gespräch mit Herrn B. und Konsultation mit dem Dermatologen wurde zum einen vermutet, dass die Hautsituation bei Herrn B. aufgrund der Vorschädigung inzwischen so fragil war, dass durch die Versorgung mit sterilen Kompressen über dem Silikondistanzgitter oder auch bei den nicht abgedeckten Stellen durch Unebenheiten in der Kopfbedeckung Scherkräfte entstanden, die die Haut verletzten. Zum anderen trug Herr B. inzwischen keine Mütze mehr, sondern ein Basecap, an dem sich auch festere Kanten befanden.
Die Wundversorgung fand nun wieder alle 2 Tage statt. Die Wundabdeckung erfolgte zunächst wieder mit einem PU-Schaum, fixiert mit einem Folienverband. Wieder stellte sich sehr schnell eine Besserung ein. Bereits nach 2 Wochen konnte die Versorgung wieder auf ein viertägiges Intervall umgestellt werden. Die Wunde wurde in der Folge mit einem Silikondistanzgitter, über das allerdings aufgrund der vorherigen Erfahrung sterile weiche Vlieskompressen gelegt wurden, versorgt. Die Fixierung erfolgte weiterhin mit Folie, da diese sich verletzungsarm entfernen ließ. Die Pflege der Umgebungshaut funktionierte gut, Herr B. wurde aber noch einmal dahingehend beraten, immer möglichst weiche Kopfbedeckungen, z.B. eine Baumwoll-Mütze, zu tragen oder eine Kappe entsprechend abzupolstern.
Im Juni 2020 konnte die Versorgung von Herrn B. beendet werden, da alle Wunden abgeheilt waren (Foto 4).
Die Non-Hodgkin-Lymphome sind eine Reihe maligner Erkrankungen des lymphatischen Systems. Sie können überall im Lymphgewebe entstehen. Am häufigsten betreffen Non-Hodgkin-Lymphome dabei die Lymphknoten. Es können aber auch Organe wie Lunge, Leber, Milz oder das Knochenmark betroffen sein.
Leider stellte sich Herr B. im Februar 2021 erneut mit einem Rezidiv vor. Die neue Wunde war ca. 2,5 x 2,5 cm groß, der Wundgrund bestand überwiegend aus Granulationsgewebe und zentral waren abgestorbene Hautreste erkennbar (Foto 5). Der Wundrand war unauffällig und die Umgebungshaut wies wenige kleine Kratzer und Ulzerationen auf. Das wenige Exsudat war klar und geruchlos. Schmerzen hatte Herr B. auch diesmal nicht. Die Wundversorgung erfolgte wieder mit einem PU-Schaum und Folie. Wie im ersten Heilungsprozess kann die Versorgung auch diesmal zwischenzeitlich auf Silikondistanzgitter und Vlieskompressen umgestellt werden. Die Versorgungsintervalle variieren je nach Wundsituation. Eine Wundheilung kann dieses Mal nicht erzielt werden.
Im Dezember 2021 wies die weiterhin oberflächliche Wunde eine Länge von 1,5 cm und eine Breite von 2,8 cm auf, die Epithelisierung vom Wundrand schritt fort und die Exsudation hatte weiter nachgelassen (Foto 6). In der Umgebungshaut fanden sich multiple schorfige Stellen, insgesamt schien die Situation stabil.
Im Mai 2022 zeigte sich dann eine Wundvergrößerung mit einer zweiten Wunde und trockener bis schuppiger Umgebungshaut (Foto 7). Die Versorgung erfolgte weiterhin mit Silikondistanzgitter und Vlieskompressen. Herrn B. wurde dringend geraten, außerhalb der regelmäßigen Kontrolltermine bei seinem Dermatologen und Onkologen vorstellig zu werden, um auszuschließen, dass es sich um ein Rezidiv des Basalzellkarzinoms oder des Non-Hodgkin-Lymphoms handelte. Alle Untersuchungen blieben unauffällig.
Im Januar 2023 hatte sich der Befund deutlich verschlechtert. Eine 2,5 cm lange und 4,6 cm breite Wunde wies dunkelrotes, sauberes Granulationsgewebe und einen überwiegend intakten Wundrand auf (Foto 8). In der Umgebung waren allerdings multiple borkig-schuppige Stellen zu erkennen, die nach gründlicher mechanischer Wundreinigung auch als offene Wunden versorgt werden mussten. Die Versorgung erfolgte alle 2 Tage mit PU-Schaum und Folie. Im Gespräch mit Herrn B. zeigte sich, dass er in Bezug auf die Wundheilung inzwischen sehr resigniert war. Das führte zeitweise dazu, dass er die Hautpflege nicht mehr gewissenhaft durchführte und insgesamt weniger darauf achtete, sich nicht zu verletzen. Zudem neigte er dazu, seine Termine zur Versorgung nicht mehr zuverlässig wahrzunehmen, wodurch sich die Intervalle der Versorgung unerwünscht verlängerten. Obwohl weiterhin außer der fragilen Hautsituation keine Ursache für die Wundheilungsstörung ermittelt werden konnte, schien allein das etwas intensivere Gespräch ihn etwas zu motivieren, die empfohlenen Maßnahmen zu beachten und Termine wieder pünktlich wahrzunehmen.
Aktuell (Stand Juni 2023) ist die Wundfläche zwar immer noch recht groß, aber es zeigen sich überall sauberes Granulationsgewebe und intakte Wundränder (Foto 9). Aufgrund der vorhandenen Exsudation der Wunde Richtung Hinterkopf wird dort weiterhin ein PU-Schaum eingesetzt. Die Wunden im Stirnbereich werden mit Silikondistanzgitter und Vlieskompressen versorgt. Das Versorgungsintervall ist auf alle 3 Tage festgesetzt. Herr B. muss unbedingt weiterhin regelmäßig die Hautpflege durchführen und darauf achten, sehr weiche Kopfbedeckungen zu tragen. Der Kontakt zu seinem Bruder mit Familie hat sich in den letzten Wochen intensiviert, was Herrn B. zu motivieren scheint. Er nimmt auch seine Kontrolltermine beim Dermatologen und Onkologen zuverlässig wahr und hofft darauf, dass sich die Wundsituation im Verlauf zumindest wieder so stabilisiert, dass er möglichst selten verbunden werden muss.
Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.