Fallbeispiel: Ulcus cruris venosum mit moderat ausgeprägter pAVK

Eine mobilitätseingeschränkte Patientin mit CVI und pAVK zog sich eine Schürfwunde am Schienbein zu, die zu einem Ulcus cruris führte. Im Fallbeispiel erfahren Sie, wie dieses Unterschenkelgeschwür versorgt und die Kompressionstherapie gestaltet wurde. Wundfotos veranschaulichen den Heilungsverlauf.

Hinweis: Dieses Fallbeispiel hieß vormals “Ulcus cruris mixtum bei eingeschränkter Mobilität”, wurde jedoch umbenannt, um der Nomenklatur der aktuellen Leitlinie zu folgen.

Geschlecht

Frau

Alter

72 Jahre

Führende Wundursache

venöse Insuffizienz und arterielle Durchblutungsstörung

Diabetes mellitus

nein

Risikofaktoren

eingeschränkte Mobilität

Lokalisation der Wunde

rechter Unterschenkel, Schienbein

Wundart

chronisch

Wundgrund

Granulation und Biofilm

Wundumgebung

trocken, ödematös

Wundrand

unregelmäßig, leicht gerötet, stellenweise mazeriert

Exsudation

mäßig, klar, serös

Ulcus cruris venosum, Vorher-BildUlcus cruris venosum, Nachher-Bild

Ausgangssituation

Die Patientin Frau S. war vor 3 Monaten in ihrem Badezimmer ausgerutscht, wobei sie sich eine Schürfwunde am Schienbein zugezogen hatte. Diese hatte sie zunächst mit sterilen Pflastern selbst versorgt, sodass die Wunde langsam zu heilen begann. Die baldige Stagnation der Wundheilung bewegte Frau S. jedoch dazu, nun bei ihrem Arzt vorstellig zu werden. Dort wurde nach gründlicher Wundreinigung eine 3,8 cm lange, 2,7 cm breite und 0,4 cm tiefe Wunde am rechten Unterschenkel festgestellt.

Anamnese

Diagnose

Therapie

In diesem Fallbeispiel wurde das Ulcus cruris gemäß der vorgeschlagenen Nomenklatur der S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum klassifiziert. Durch die fortgeschrittene CVI und moderate pAVK wird die Wunde zu den Ulcus cruris venosum gezählt und nicht mehr als Ulcus cruris mixtum betitelt.

Zur Leitlinie

Dokumentierter Wundverlauf

Die Wunde zeigte sich anfangs mit einer Länge von 3,8 cm, einer Breite von 2,7 cm und einer Tiefe von 0,4 cm (Foto 1). Der überwiegend aus blassrosa Granulationsgewebe bestehende Wundgrund war mit Biofilm belegt. Der Wundrand war unregelmäßig und leicht gerötet und wies stellenweise Mazerationen auf. Die Umgebungshaut war recht trocken, die Exsudation geruchlos, klar und serös. Schmerzen gab Frau S. nur bei der Wundreinigung an und auch hier waren sie gut aushaltbar (VAS 2-3). 

Die Unterschenkel von Frau S. waren leicht ödematös. Aufgrund der vorliegenden Diagnosen wurde der Knöchel-Arm-Druck-Index (KADI) bestimmt. Dieser lag bei 0,8, was einer leichten pAVK entspricht. 

Nach der Wundreinigung und Hautpflege wurde die Wunde mit einem PU-Schaum versorgt, welcher mittels Mullbinde fixiert wurde. Anschließend erfolgte die Kompressionstherapie mit einer wiederverwendbaren Schaumstoffbinde, über der eine selbsthaftende Fixierbinde angelegt wurde. Der Verbandwechsel erfolgte alle 2 Tage.

Ulcus cruris venosum, Foto 1
Foto 1 (16.02.2016)

Nach 3 Wochen zeigte sich die Wunde deutlich verkleinert (Foto 2). Sie war nun 1,4 cm lang, 0,7 cm breit und 0,2 cm tief. Der Wundgrund bestand nun fast vollständig aus Granulationsgewebe. Das Wundexsudat war weiter geruchlos, klar und serös. Am immer noch teilweise mazerierten Wundrand gab es Einblutungen und es waren Reste angetrockneter Lymphflüssigkeit zu sehen. Die Umgebungshaut war weiterhin trocken und auch die Ödeme am Unterschenkel waren unverändert. 

Ulcus cruris venosum, Foto 2
Foto 2 (08.03.2016)

Die Wundreinigung erfolgte nun mit steriler Ringerlösung. Zudem wurde ab diesem Zeitpunkt ein Hautschutzfilm als Wundrandschutz aufgebracht. Anschließend kam ein Superabsorber zum Einsatz, da die Exsudation etwas zugenommen hatte. Die bisherige Kompressionstherapie wurde beibehalten, die manuelle Lymphdrainage erfolgte weiterhin zweimal pro Woche und auch das Verbandwechselintervall von 2 Tagen blieb unverändert. Außerdem hatte der Kostenträger inzwischen das Gerät zur intermittierenden Kompression genehmigt, sodass Frau S. nun zweimal täglich die Entstauung mit dem Gerät durchführte.

Intermittierende Kompressionstherapie

Die intermittierende Kompressionstherapie ist eine alternative Behandlungsmöglichkeit zu Kompressionsverbänden und -strümpfen. Bei dieser Behandlungsform wird eine Manschette, welche eine oder mehrere Luftkammern besitzt, um Arme oder Beine gelegt. Die Manschette ist mit einem Kompressor verbunden, der bei Aktivierung die einzelnen Luftkammern der Manschette nach und nach mit Luft füllt. Nachdem alle Kammern gefüllt sind, wird die Luft in den Luftkammern abgelassen, bis ein neues Wechseldruckintervall beginnt. Die Druckstärke der einzelnen Kammern lässt sich über den Kompressor individuell einstellen.

Angewendet wird die intermittierende Kompression beispielsweise zur Thromboseprophylaxe bei eingeschränkter Mobilität, aber auch zur Entstauung bei phlebologischen Erkrankungen (z. B. Lymph- und Lipödem). Ein weiteres Einsatzgebiet findet sie in der Ulcusbehandlung, da sich die wechselnde Kompressionsintervalle positiv auf den venösen und arteriellen Blutfluss auswirken und somit die Wundheilung fördern sollen. Weitere Informationen zu den unterschiedlichen Indikationen sowie Geräten können Sie hier nachlesen.

2 Wochen später war die Wunde noch 0,9 cm lang und 0,5 cm breit (Foto 3). Am Wundgrund zeigte sich neben Granulationsgewebe eine deutlich fortschreitende Epithelisierung. Die Exsudation hatte wieder abgenommen und war nun kaum noch vorhanden. Der Wundrand war nun, bis auf eine verschorfte Stelle, intakt und die Umgebungshaut weiter trocken. Es bestanden weiter leichte Ödeme am Unterschenkel. 

Nach der Wundreinigung mit steriler Ringerlösung und der Hautpflege wurde wieder ein nichtklebender PU-Schaum aufgebracht und mit einer Mullbinde fixiert. Da das Verbandwechselintervall auf 4 Tage verlängert wurde, erfolgte die Kompression nun mit einem Mehrkomponentenkompressionssystem. Die manuelle Lymphdrainage sollte noch 2 Wochen fortgesetzt werden.

Ulcus cruris venosum, Foto 3
Foto 3 (24.03.2016)

Zu einer vollständigen Abheilung der Wunde kam es nicht mehr, da Frau S. leider unerwartet in Folge eines Schlaganfalls verstarb.

Visuelle Analogskala (VAS)

Die Visuelle Analogskala dient der Messung subjektiver Empfindungsstärken, z.B. für Schmerzen oder Juckreiz. In diesem Fallbeispiel dient sie der Schmerzeinschätzung. Ein Wert von 0 entspricht dabei keinem empfundenen Schmerz, während 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung darstellt.

Siehe auch:

Schmerzskalen

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.