Fallbeispiel: Ulcus cruris venosum mit Lymphabflussstörung
Eine 64-jährige Patientin mit chronisch-venöser Insuffizienz litt an einem Ulcus cruris venosum. Der Ablauf der Wundtherapie wurde durch eine Depression mit ausgeprägter Antriebslosigkeit behindert. Wie die Patientin unterstützt und damit auch ihre Adhärenz gesteigert werden konnte, erfahren Sie in unserem neuen Fallbeispiel.
Geschlecht
Frau
Alter
64 Jahre
Führende Wundursache
chronisch-venöse Insuffzienz
Diabetes mellitus
nein
Risikofaktoren
Depression mit Antriebslosigkeit, Lymphabflussstörung
Lokalisation der Wunde
rechter Unterschenkel lateral
Wundart
chronisch
Wundgrund
Fibrin, Biofilm
Wundumgebung
sehr trocken, schuppig, Salbenreste
Wundrand
teilweise mazeriert
Exsudation
stark, serös, gelblich-klar, geruchlos
Ausgangssituation
Während eines Krankenhausaufenthalts aufgrund einer geplanten Stoma-Rückverlagerung fiel bei der 64-jährigen Patientin Frau T. eine Wunde am rechten, stark ödematösen Unterschenkel auf. Frau T. hatte die Wunde bisher nicht ärztlich abklären lassen, sondern diese stattdessen selbst versorgt. Die nun jedoch veranlasste Diagnostik im Krankenhaus ergab, dass es sich um ein Ulcus cruris venosum handelte, dessen Therapie daraufhin eingeleitet wurde.
Die Stoma-Rückverlagerung wurde unterdessen wie geplant durchgeführt und verlief komplikationslos. Bei ihrer Entlassung in die Häuslichkeit wurde Frau T. dringend geraten, ihr Ulcus cruris venosum weiterhin professionell behandeln zu lassen. Frau T. folgte dieser Empfehlung.
Anamnese
Diagnose
Therapie
Die Visuelle Analogskala dient der Messung subjektiver Empfindungsstärken, z.B. für Schmerzen oder Juckreiz. In diesem Fallbeispiel dient sie der Schmerzeinschätzung. Ein Wert von 0 entspricht dabei keinem empfundenen Schmerz, während 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung darstellt.
Dokumentierter Wundverlauf
Bei der Erstvorstellung zeigte sich die Wunde mit einer Länge von 7,4 cm und einer Breite von 6,8 cm (Foto 1). Die Wundumgebung erschien durch Salbenreste, verklebt mit Hautschuppen und Exsudat, weißlich. Die Wunde sonderte viel gelblich-klares, seröses und geruchloses Exsudat ab. Der Wundgrund war überwiegend mit Fibrin und Biofilm bedeckt und der Wundrand zeigte sich stellenweise mazeriert. Die Umgebungshaut war sehr trocken und schuppig. Zudem zeigten sich ausgeprägte Ödeme, sodass ein Lymphtherapeut hinzugezogen wurde. Die Lymphdrainage erfolgte, ebenso wie der Verbandwechsel, alle 2 Tage.
Nach drei Verbandwechseln waren die Salbenreste fast vollständig entfernt (Foto 2). Die Wunde wies nun eine Länge von 5,5 cm und eine Breite von 5 cm auf. Der Biofilm auf dem Wundgrund war deutlich weniger geworden, der Wundrand zeigte sich stellenweise noch mazeriert. Die Umgebungshaut war weiterhin verhärtet, trocken und schuppig. Auch die Exsudation war unverändert stark. Somit wurde die bisherige Therapie beibehalten.
4 Wochen später wies die Wunde eine Länge von 5,5 cm und eine Breite von 4,5 cm auf (Foto 3). Der Biofilm hatte weiter abgenommen und eine beginnende Granulation war zu erkennen. Der Wundrand war größtenteils intakt. Zwar war die Umgebungshaut etwas weniger trocken als zuvor, jedoch waren weiterhin mit Exsudat verklebte Hautschuppen erkennbar. Die Exsudation war weiterhin recht stark. Auch Ödeme waren nach wie vor vorhanden. Das Gewebe am Unterschenkel war nun jedoch etwas weicher als zuvor. Die Therapie wurde unverändert fortgesetzt.
Beim nächsten Termin, 4 Wochen später, zeigte sich die Wunde deutlich verkleinert mit einer Länge von 2,7 cm und einer Breite von 1,6 cm (Foto 4). Granulationsgewebe war gut zu erkennen, an einigen Stellen auch schon Epithelinseln. Der Wundrand war intakt. In der Wundumgebung waren vereinzelte mit Exsudat verklebte Hautschuppen zu erkennen. Das Hautbild hatte sich insgesamt etwas verbessert und die weiterhin gelblich-klare, seröse und geruchlose Exsudation hatte deutlich abgenommen.
Siehe auch:
Depression bei chronischen WundenInfolge der veränderten Wundsituation wurde die Wundversorgung zu diesem Zeitpunkt angepasst. Der Wundrandschutz erfolgte weiter mit einer Zinkcreme. Aufgrund der nun deutlich reduzierten Exsudation wurde statt eines Superabsorbers ein nicht klebender PU-Schaum gewählt, der mittels Mullbinde fixiert wurde. Darüber kam weiterhin der Mehrkomponentenkompressionsverband zum Einsatz. Die Lymphdrainage wurde dreimal wöchentlich durchgeführt.
Frau T. äußerte zu diesem Zeitpunkt, dass sie sich über die Behandlungserfolge und das Fortschreiten der Wundheilung kaum freuen konnte. Sie fühlte sich antriebslos und gab an, dass es sie große Überwindung kostete, überhaupt zu den Lymphdrainage- und Verbandwechselterminen zu erscheinen. So schaffte sie es in den darauffolgenden 2 Wochen leider nur zweimal wöchentlich, ihre Termine wahrzunehmen, sodass sich die Wundsituation wieder verschlechterte.
Mit einer Länge und Breite von 3,8 cm war die Wunde nun wieder größer als noch vor 2 Wochen (Foto 5). Über die Epithelinseln hatte sich angetrocknetes Exsudat gelegt. Auch die Umgebungshaut war durch die vernachlässigte Hautpflege wieder trockener mit vielen Hautschuppen. Die Exsudation und Ödeme hatten leicht zugenommen. Als Reaktion auf die Verschlechterung der Wundsituation wurde in der Folge wieder der Superabsorber eingesetzt. Davon abgesehen wurde die Therapie unverändert fortgesetzt.
Im Rahmen einer Beratung wurde mit Frau T. besprochen, welche Möglichkeiten sich ihr boten, um ihre Motivation wieder zu steigern und ihrer depressiven Grundstimmung entgegenzuwirken. Sie wünschte sich mehr soziale Kontakte außerhalb ihrer krankheitsbezogenen Termine und wurde ermutigt, wieder Kontakt zu ihren Nachbarn oder ehemaligen Arbeitskollegen herzustellen. Außerdem wurde sie auf die Angebote einer wohnortsnahen Seniorenbegegnungsstätte hingewiesen, um dort in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen.
Es tat Frau T. spürbar gut, über ihre Sorgen sprechen zu können und das Gefühl zu haben, mit ihren Problemen ernst genommen zu werden. Daraufhin nahm sie ihre Therapietermine wieder regelmäßig wahr. Sie gab jedoch an, für die ersten Schritte zu neuen Kontakten noch etwas Zeit zu brauchen.
3 Wochen später zeigte sich die Wunde infolge der gesteigerten Adhärenz wieder deutlich kleiner und war nur noch 1,6 cm lang und 1,4 cm breit. (Foto 6). Das Hautbild hatte sich signifikant gebessert und die Exsudation hatte deutlich nachgelassen. Die Wunde wies Granulationsgewebe auf und der Wundrand war intakt. Der Zustand der Haut hatte sich gebessert, auch wenn sie weiterhin trocken war. Die Wundversorgung konnte wieder vom Superabsorber auf den PU-Schaum umgestellt werden. Ansonsten blieb die Therapie unverändert.
Nach weiteren 2 Wochen hatte sich die Wunde weiter verkleinert und war nun 1,4 cm lang und 1 cm breit (Foto 7). Die Epithelisierung war gut vorangeschritten. Exsudation war kaum noch vorhanden. Die Wunde war von rosanem Epithelgewebe umgeben. Nach Rücksprache mit dem Lymphtherapeuten wurde Frau T. geraten, dauerhaft eine intermittierende Lymphdrainage mit einem geeigneten Gerät durchzuführen, auch nach abgeschlossener Wundheilung. Das Gerät wurde verordnet, so dass Frau T. es ausprobieren konnte. Die manuelle Lymphdrainage wurde daneben zunächst auf zweimal, im weiteren Verlauf auf einmal in der Woche reduziert.
Da die Wunde kurz vor ihrer Abheilung stand, wurde eine Versorgung mit Kompressionsstrümpfen geplant. Bis zur Ausmessung und Auslieferung der Strümpfe sollte weiterhin eine Kompressionstherapie mit einem Mehrkomponentenkompressionsverband durchgeführt werden. Nach Abheilung der Wunde konnte dieser bis zu einer Woche bzw. bis zur nächsten Lymphdrainage am Bein verbleiben. Zudem wurde Frau T. eine Vorstellung bei einem Gefäßmediziner empfohlen. Die Wichtigkeit der erlernten venengymnastischen Übungen und einer guten Hautpflege wurden in der Patientenedukation ebenso hervorgehoben wie die Wiedervorstellung im Falle einer neuen Wunde und das Tragen der Kompressionsstrümpfe.
Das Ulcus cruris venosum heilte kurze Zeit später vollständig ab. Frau T. hat inzwischen einen Tanzkurs in der Begegnungsstätte für Senioren gefunden und dort neue soziale Kontakte geknüpft. Sie freut sich darauf, nun mehr Zeit für Unternehmungen zu haben, und blickt deutlich positiver in die Zukunft.
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