Fallbeispiel: Pyoderma gangraenosum mit starken Schmerzen

Eine Patientin leidet seit mehreren Jahren an einer Unterschenkelwunde, die trotz Behandlung durch verschiedene Ärzte nicht abheilt. Die starken Schmerzen beeinträchtigen nicht nur ihre Lebensqualität, sondern erschweren auch die angemessene Therapie der Wunde. Wie der jahrelange Leidensweg der Patientin beendet und die Wunde schließlich doch geheilt werden konnte, lesen Sie im Fallbeispiel.

Geschlecht

weiblich

Alter

68 Jahre

Diabetes mellitus

nein

Risikofaktoren

keine

Lokalisation der Wunde

Unterschenkel rechts medial

Wundart

chronisch

Wundgrund

Biofilm, Fibrin

Wundumgebung

gerötet, ödematös

Exsudation

wenig, serös, geruchlos

Ausgangssituation

Frau P. leidet bereits seit mehreren Jahren an einer Wunde am rechten Unterschenkel und klagt inzwischen über sehr starke Schmerzen (VAS 10) vor allem beim Verbandwechsel. Aufgrund der Berührungsempfindlichkeit der Wunde toleriert sie keine Kompressionstherapie, die aufgrund von Ödemen an beiden Unterschenkeln eigentlich notwendig wäre. Wegen dieser Umstände rät ihre Hausärztin Frau P. dazu, eine auf die Versorgung von Wunden spezialisierte Praxis aufzusuchen. Zunächst zögert die Patientin wegen ihrer starken Schmerzen aus Angst vor der Wundversorgung. Schließlich entscheidet sie sich doch, vorstellig zur werden

Anamnese

Diagnose

Visuelle Analogskala (VAS)

Die Visuelle Analogskala dient der Messung subjektiver Empfindungsstärken, z.B. für Schmerzen oder Juckreiz. In diesem Fallbeispiel dient sie der Schmerzeinschätzung. Ein Wert von 0 entspricht dabei keinem empfundenen Schmerz, während 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung darstellt.

Der Wundverlauf auf einen Blick

Pyoderma gangraenosum, Fallbeispiel: Ausgangssituation
Foto 1: Ausgangssituation
Pyoderma gangraenosum, Fallbeispiel: Nekrosen und Fibrinbelag
Foto 2: Neben Biofilm und Fibrin sind auch Nekrosen zu erkennen
Pyoderma gangraenosum, verbesserte Wundsituation, beginnende Granulation
Foto 3: Verbesserte Wundsituation mit beginnender Granulation
Pyoderma gangraenosum, verkleinerte Wunde mit fortschreitender Granulation
Foto 4: Verkleinerte Wunde mit fortschreitender Granulation
Pyoderma gangraenosum, Granulation und Epithelisierung
Foto 5: Neben Granulation ist auch Epithelisierung zu erkennen
Pyoderma gangraenosum, abgeschlossener Heilungsprozess
Foto 6: Abgeheilte Wunde

Wundversorgung

Bei Frau P.s Erstvorstellung in der auf die Wundversorgung spezialisierten Praxis wird zunächst die Wundsituation begutachtet. Um die Schmerzen der Patientin möglichst gering zu halten, wird zu dem Termin außerdem ein ärztlicher Schmerztherapeut hinzugezogen. Dieser leitet auf Basis eines bereits vorliegenden Schmerztagebuchs eine medikamentöse Therapie ein.

Als der Verband entfernt ist, zeigt sich am rechtem Unterschenkel der Patientin eine 3,4 cm lange, 2,5 cm breite und 0,5 cm tiefe Wunde (Foto 1). Der Hautzustand der Umgebungshaut ist sehr gepflegt. Außerdem liegt eine schwache Exsudation vor. Der Wundrand ist livide und leicht geschwollen, die Wundumgebung gerötet. Der Wundgrund ist deutlich mit Biofilm und Fibrin belegt und äußerst berührungsempfindlich. 

Die Reinigung der Wunde erfolgt mit steriler Ringerlösung. Die Wunde wird mit Saugkompressen versorgt, welche mit einem Schlauchverband fixiert werden. Darüber kommt eine selbsthaftende Binde ohne Zug zum Einsatz, um eine leichte, für Frau P. tolerable Kompression zu ermöglichen. Der Verbandwechsel erfolgt zweimal wöchentlich in der spezialisierten Praxis statt. An den Tagen, an denen der Verbandwechsel vorgesehen ist, soll sie die inzwischen verordnete Bedarfsmedikation einnehmen, um die Schmerzen beim Verbandwechsel zu minimieren. Außerdem wird ein Termin in einer dermatologischen Ambulanz vereinbart, wo eine Biopsie erfolgen soll. Anlass hierfür ist die trotz korrekter Therapie durch die Hausärztin stagnierende Wundheilung, aufgrund derer andere, möglicherweise maligne Wundursachen in Betracht gezogen werden.

Etwa fünf Wochen nach der Erstvorstellung in der spezialisierten Praxis und eine Woche nach der Biopsie hat sich die Wundsituation deutlich verschlechtert (Foto 2). Die Wunde ist nun 4 cm lang, 3,2 cm breit und 0,9 cm tief. Während der Wundrand weniger ödematös, ansonsten aber unverändert ist, zeigen sich am Wundgrund neben Fibrin und Biofilm inzwischen auch Nekrosen. Die Exsudation hat zugenommen, ist gelblich und weist einen leichten Geruch auf. Trotz Schmerztherapie gibt die Patientin beim Verbandwechsel weiterhin starke Schmerzen an (VAS 8).

Aufgrund der Symptomatik, der Verschlechterung der Wundsituation und unter Einbeziehung des PARACELSUS-Score kommt der Verdacht auf, dass es sich bei der Wunde um ein Pyoderma gangraenosum handeln könnte. Die Therapie wird daraufhin angepasst, sodass nach einer sehr vorsichtigen Wundreinigung eine PHMB-haltige Salbe auf die Wunde aufgetragen wird. Anschließend erfolgt die Abdeckung der Wunde mit einem sanft haftenden PU-Schaum, um die Nekrosen nach und nach autolytisch zu entfernen. Frau P.s Hausärztin verordnet darüber hinaus immunsuppressive Medikamente. Das Verbandwechselintervall von zweimal wöchentlich bleibt unverändert. 

Die oben beschriebene leichte Kompression wird ebenfalls beibehalten. Ein Behandlungsziel besteht jedoch darin, zukünftig eine Kompressionstherapie mit einem Mehrkomponentenkompressionsverband zu ermöglichen, die derzeit noch zu schmerzhaft wäre. 

Nach weiteren 4 Wochen hat die Wunde eine Länge von 4,5 cm, eine Breite von 1,8 cm und eine Tiefe von 0,6 cm. Zwar ist der Wundrand etwas mazeriert, doch am Wundgrund sind keine Nekrosen mehr zu erkennen, dafür aber beginnende Granulation und noch etwas Fibrin. Das Wundexsudat ist nun klarer und geruchlos. Die Schmerzen haben unterdessen abgenommen und liegen beim Verbandwechsel bei VAS 4-5.

PARACELSUS-Score

Der PARACELSUS-Score dient der Diagnostik des Pyoderma gangraenosum. Dabei werden Punkte vergeben, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Liegt der Score für einen Patienten bei mindestens 10, ist das Vorliegen eines Pyoderma gangraenosum sehr wahrscheinlich. Mehr Informationen zum Score finden Sie zum Beispiel in der S1-Leitlinie „Pyoderma gangraenosum“.

Zur Leitlinie

Um den Wundrand zu schützen, wird nun ein Wundrandschutzfilm aufgetragen. Ansonsten bleibt die Wundversorgung unverändert. Allerdings soll die Kompressionstherapie ab jetzt versuchsweise mit einem Mehrkomponentenkompressionsverband erfolgen, solange die Schmerzen für Frau P. erträglich sind. Dieser wird vom Praxispersonal im Rahmen des Verbandwechsels angelegt.

Schon 11 Tage nach Beginn der Kompressionstherapie hat sich die Wunde weiter verkleinert und ist nun 1,8 cm lang, 0,8 cm breit und 0,3 cm tief (Foto 4). Es zeigen sich ein intakter Wundrand und gesundes Granulationsgewebe am Wundgrund. Eine kleine Stelle ist noch mit etwas Fibrin belegt. Die Exsudation hat spürbar abgenommen. Dasselbe gilt für die Schmerzen, die nun gut erträglich sind (VAS 2-3). Da die Wundbeläge größtenteils verschwunden sind, wird die PHMB-Salbe abgesetzt. Auch die restliche Versorgung wird angepasst und es kommt nun ein PU-Schaum zum Einsatz, der alle 5 Tage gewechselt wird. Da Frau P. den Mehrkomponentenkompressionsverband gut toleriert, wird dieser weiter eingesetzt. 

Nach weiteren 2 Wochen ist die Wunde noch 1,3 cm lang, 0,7 cm breit und 0,2 cm tief (Foto 5). Neben Granulationsgewebe ist nun auch eine fortschreitende Epithelisierung erkennbar. Schmerzen spürt die Patientin zu diesem Zeitpunkt kaum mehr, auch nicht beim Verbandwechsel. Die Versorgung wird unverändert beibehalten und es wird eine Versorgung mit einem Maßstrumpf eingeleitet.

Weitere 2 Wochen später ist die Wunde abgeheilt (Foto 6). Frau P. ist sehr erleichtert, dass die Wundheilung nach langer Leidenszeit endlich erreicht werden konnte. Bis zur Lieferung ihrer Maßstrümpfe wird sie in der spezialisierten Praxis weiterhin mit einem Kompressionsverband versorgt. Zudem wird sie mit ihrer Hausärztin besprechen, wie die immunsuppressive Therapie beendet werden soll. Ihr wird geraten, im Fall neu auftretender Wunden sofort wieder in der Praxis vorstellig zu werden.

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt. Beachten Sie zudem, dass wir nicht gewährleisten können, dass in den von uns dargestellten Fallbeispielen ausschließlich Produkte von DRACO® zur Anwendung gekommen sind.