Erysipel: Diagnostik und Therapie

Erysipel: Diagnostik und Therapie

Bei einem Erysipel handelt es sich um eine bakterielle Entzündung der oberflächlichen Dermis (Lederhaut) und der Lymphgefäße.

Das Erysipel ist umgangssprachlich auch unter den Namen Wundrose oder Rotlauf bekannt. Klinisch präsentiert sich das klassische Erysipel mit einer schmerzhaften, scharf begrenzten Rötung.

Ursachen und Risikofaktoren

Bei einem Erysipel dringen in den meisten Fällen ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes), in selteneren Fällen auch Gruppe C oder G Streptokokken und Staphylokokken, über einen Hautdefekt in den Körper ein. Ein Erysipel wird als eine nicht-eitrige Infektion der Dermis unter Einbezug der Lymphgefäße beschrieben. Dadurch sind bei einem Erysipel flammenartige Ausläufer zu beobachten.
Jegliche Faktoren, die zur Schädigung der Haut führen, können das Auftreten eines Erysipels begünstigen. Dazu zählen z. B. Ulcera, Pilzinfektionen und traumatisch-bedingte Gewebsschädigungen.1Auch andere Einflussfaktoren, wie ein hohes Lebensalter, Mangel-/Unterernährung, Alkoholabusus, AIDS oder Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Adipositas oder chronische Ödeme können das Risiko für ein Erysipel erhöhen.1,3

Häufigkeit

Laut einer slowenischen Studie zählt das Erysipel zu einer sehr häufigen dermatologischen Erkrankung, die seit der Erfindung der Antibiotika in der Regel komplikationslos abheilt. Meist sind ältere Menschen davon betroffen und häufiger Frauen als Männer.In der Regel tritt das Erysipel an den unteren Extremitäten auf. Es kann jedoch auch im Gesicht, an den oberen Extremitäten und an anderen Körperstellen auftreten.1

Diagnostik

Die Diagnose wird auf der Grundlage des charakteristischen klinischen Erscheinungsbildes des Erysipels gestellt (scharf begrenzte Rötung, Schwellung, Überwärmung, Fieber, reduzierter Allgemeinzustand). Zusätzlich werden die erhöhten Entzündungswerte zur Diagnosesicherung mitberücksichtigt. Bei einem Erysipel sind klassischerweise die Leukozyten, der CRP- und BSG-Wert erhöht.

Da die Erreger nur in seltenen schweren Verläufen in die Blutbahn gelangen, sind Blutkulturen nachrangig. Da die Gewebeprobeentnahme in der klinischen Routine zu invasiv ist, wird sie ebenfalls kaum durchgeführt.

Hilfreich bei der Diagnostik eines Erysipels kann der Algorithmus sein, der in der S1-Leitlinie „Differentialdiagnose akuter und chronischer Rötungen im Bereich der Unterschenkel“ abgebildet ist.1,3Hierbei werden relevante Parameter abgefragt wie z. B. die Vorgeschichte, das Aussehen der Hautrötung, begleitende Symptome oder Laborwerte. Je nach Sachlage kommt der Algorithmus zu dem Schluss: „Macht Diagnose Erysipel wahrscheinlicher“ oder „schließt Diagnose Erysipel nicht aus, aber ggf. andere Diagnose in Betracht ziehen“. Er kann also den behandelnden Arzt bei der Diagnosesicherung unterstützen.

Symptome
  • Lokal: Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerzen im Bereich der Rötung
  • Systemisch: Fieber mit Schüttelfrost, Tachykardie, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit.1,2

Behandlungsmöglichkeiten

In der Regel verschwindet ein Erysipel nicht von selbst. Unbehandelt kann es zu schweren Komplikationen kommen. 

Bei der Behandlung eines Erysipels ist die Gabe von Penicillin das Mittel der Wahl. Bei einem unkomplizierten Verlauf genügt laut der S2k-Leitlinie „Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen“ (2018) eine 7-14 tägige orale Penicillin-Therapie.

Bei fortgeschrittenem Verlauf des Erysipels oder einer Lokalisation im Gesicht wird eine parenterale Penicillin-Therapie empfohlen.4

Liegt eine Penicillin-Allergie vor, können alternativ Clindamycin, Clarithromicin oder Roxithromycin verabreicht werden. Auch das Antibiotikum Moxifloxacin kommt in Frage, wenn die zuvor genannten Penicillin-Alternativen kontraindiziert sind. Jedoch seien die alternativen Antibiotika nicht so wirksam wie das Penicillin.4

Ergänzende Behandlungsmöglichkeiten

Weitere Behandlungsmöglichkeiten richten sich nach der Ursache der Entstehung des Erysipels. Auch kommt es immer darauf an, welche Symptome der Patient gerade zeigt. Die Auswahl geeigneter Maßnahmen sollte also individuell auf den Patienten abgestimmt und mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten je nach Pathogenese können wie folgt sein:

  • Ist die Ursache eine Interdigitalmykose, sollte diese antimykotisch behandelt werden.
  • War die Ursache eine Hautverletzung, sollte die Wunde gereinigt und mit der passenden Wundabdeckung versorgt werden.
  • Patienten mit einem Erysipel klagen häufig über starke Schmerzen. Nach Ermittlung der Schmerzintensität, z. B. durch Einsatz der Nummerischen-Rating-Skala (NRS), kann nach ärztlicher Anordnung das passende Schmerzmedikament laut WHO-Stufenschema verabreicht werden.
  • Um beobachten zu können, ob die Antibiose anschlägt, sollte die Zu- oder Abnahme des geröteten Bereichs kontinuierlich beobachtet werden. Hier kann die Fotodokumentation bei wechselndem Personal hilfreich sein. Zusätzlich kann eine „Overlayfunktion“, wie beispielsweise in der DracoWundDoku App, die Fotoaufnahme ergänzen. Bei dieser Funktion wird das zuletzt aufgenommene Wundfoto halbtransparent und wie eine Schablone über das neu aufzunehmende Wundfoto gelegt. Durch die gleichbleibende Kameraperspektive lässt sich der Verlauf des Erysipel besser beurteilen. 
  • Des Weiteren sollten Patienten mit einem Erysipel Bettruhe einhalten. Da der Bereich typischerweise überwärmt ist, können kühlende Umschläge von den Patienten als sehr angenehm empfunden werden. Empfindet der Patient die Kühlung als unangenehm, sollte davon abgesehen werden. Da durch die Bettruhe eine Mobilisierung erschwert wird, kann es sinnvoll sein, eine Antikoagulantientherapie zu starten. Dies muss jedoch im Einzelfall entschieden werden.
  • Da die Patienten je nach Intensität des Erysipels Fieber entwickeln können, sollten regelmäßig die Vitalparameter und hierbei vor allem auch die Körpertemperatur überwacht werden. Bei Bedarf kann so rechtzeitig ein fiebersenkendes Mittel verabreicht werden.
  • Nach dem Abklingen der Symptome kann eine Lymphdrainage das Lymphsystem entlasten und sollte in Betracht gezogen werden.
  • Die Anwendung sowohl der Kompressionstherapie als auch der manuellen Lymphdrainage im akuten Stadium des Erysipels zur Abschwellung des Gewebes werden derzeit kontrovers betrachtet. In der Literatur lassen sich unterschiedliche Standpunkte hierzu finden. Jedoch konnte eine retrospektive Studie von Eder et al. aus dem Jahr 2021 belegen, dass es zu keiner Verschlechterung des Zustands kommt, wenn man mit der Kompressionstherapie frühzeitig anfängt.1Die Initiative Chronische Wunden (ICW) e.V. kommt zu dem Schluss, dass eine Kompressionstherapie und manuelle Lymphdrainage beim unkomplizierten Erysipel nach Beginn der antibiotischen Therapie zum Einsatz kommen können. Beim komplizierten Erysipel (bullös, nekrotisierend, hämorrhagisch) sollten diese initial keine Anwendung finden. Grundsätzlich muss der behandelnde Arzt von Fall zu Fall entscheiden, ob und wann im Therapieverlauf diese Therapiemaßnahmen stattfinden sollen.5,6
  • Eine weitere Studie belegt, dass die Vibrationstherapie in Verbindung mit der Standardtherapie die Behandlungszeit mit dem Antibiotikum verkürzt. Durch die Vibrationen wird die Mikrozirkulation des Gewebes verbessert.1

Komplikationen

Zu Komplikationen kommt es in den meisten Fällen nur dann, wenn die Symptome zu lange nicht behandelt wurden. 

Wenn die Bakterien bis in die Blutgefäße vordringen, kann es zur Sepsis kommen.

Gelangen die Erreger durch das Gefäßsystem bis hin zum Herzen, ist eine Endokarditis (Herzmuskelentzündung) möglich. 

Ebenso kann es bei zu langer Nichtbehandlung zu einer Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen), Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung) bis zum Toxic-Shock-Syndrom (schweres Kreislauf- und Organversagen) kommen.1 

Erysipel: Formen und Schweregrade
Erysipel: Formen und Schweregrade

Rezidivierendes Erysipel

Innerhalb von 2 bis 4 Jahren kommt es in 30 % der Fälle zu einem Rezidiv. Die Ursachen sind bisher unbekannt.

Es wird vermutet, dass die Streptokokken in Immunzellen, epidermalen Zellen sowie Endothelzellen verbleiben.1 

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Streptococcus pyogenes die Lymphwege angreift und/oder diese krankhaft verändert. Auch dies begünstigt ein rezidivierendes Erysipel. 

Unterschied Erysipel und begrenzte Phlegmone

Während das Erysipel sich wie bereits beschrieben scharf abgrenzt, verhält es sich bei der begrenzten Phlegmone anders. Hier ist eine dunkelrote bis livide (bläulich) aussehende Entzündung zu beobachten, die sich nicht scharf abgrenzt. Dies liegt daran, dass die tieferen Hautschichten, unter Umständen auch die Subkutis, mit involviert sind. Je nachdem, wie weit die Phlegmone fortgeschritten ist, ist eine Operation notwendig, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden.1,3

Prophylaxe

  • Da ein Erysipel vor allem durch die Schädigung der Hautbarriere und ein geschwächtes Immunsystem entsteht, ist eine gute Körperpflege essenziell.
  • Bei trockener und rissiger Haut sollten fettreiche Cremes (W/0-Emulsionen) regelmäßig aufgetragen werden.
  • Wunden sollten zeitnah gründlich gereinigt, ggf. antiseptisch behandelt und mit der passenden Wundauflage abgedeckt werden. 
  • Ganz vermeiden lässt sich ein Erysipel auch mit den oben genannten Maßnahmen nicht immer. Um schwere Komplikationen zu vermeiden, sollte bei den ersten Anzeichen ein Arzt aufgesucht werden. Bei raschem Therapiebeginn heilt ein Erysipel im Normalfall komplikationslos ab.1,2
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Literatur

Die Autorin Rebecca Ott
Rebecca Ott klein

Rebecca Ott ist examinierte Altenpflegerin mit den Zusatzqualifikationen Wundexpertin ICW, Algesiologische Fachassistentin und Praxisanleiterin für Pflegeberufe. Sie war einige Jahre in der außerklinischen Intensiv- und Beatmungspflege tätig und arbeitet zur Zeit als Dozentin.