Erfrierungen
Erfrierungen, (med.) auch Congelatio genannt, sind lokale Gewebeschäden, die durch lang andauernde oder extreme Kälteeinwirkung entstehen, meist bei Temperaturen unter 0°C. Erfrierungen treten häufig an schlecht durchbluteten und wenig isolierten Körperteilen auf, besonders wenn die Bekleidung unzureichend ist.
Zu den gefährdeten Körperstellen zählen besonders die Akren (stammferne Körperteile) wie Ohren, Nase, Fingern und Zehen.
Generell kann zwischen Nass-Erfrieren (Auslöser: Kälteeinwirkung, Feuchtigkeit oder kalter Wind) und Moment-Erfrieren (Auslöser: Kontakt mit flüssigen Gasen wie Stickstoff) differenziert werden.
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Symptome von Erfrierungen
Erfrierungsverletzungen können in unterschiedliche Schweregrade unterteilt werden, die sich hinsichtlich ihrer Symptomatik und Behandlung unterscheiden:
- Grad: Die Sensibilität der betroffenen Region ist meist intakt oder nur leicht gestört. Das verletzte Gewebe ist zunächst blass bis blau, später entwickelt sich oftmals eine Hautrötung durch reaktive Hyperämie (verstärkte Durchblutung des Gewebes). Leichte ödematöse Schwellungen können auftreten. Blasen oder Nekrosen sind nicht vorhanden.
- Grad: Deutliche Sensibilitätsstörungen der betroffenen Region mit starker Ödembildung, Hyperämie und Gewebsrötungen liegen vor. Mit einer klaren oder serumhaltigen Flüssigkeit gefüllte Blasen werden sichtbar.
- Grad: Eine Schädigung der tieferen Hautschichten und des Unterhautgewebes sowie Gewebsnekrosen sind kennzeichnend für Erfrierungen dritten Grades. Eine Blau-Schwarzfärbung der Haut aufgrund eines beginnenden Gewebstodes wird sichtbar.
- Grad: Totalvereisung liegt vor, d.h. alle Gewebeschichten sind von der Erfrierung betroffen. Das betroffene Gewebe kann sich nicht mehr erholen und muss entfernt werden
Oftmals wird die eigentliche Verletzung durch eine Erfrierung erst Stunden bis Wochen nach dem Erwärmen sichtbar. Schmerzen und Gefühlsstörungen wie Taubheit, Pochen, Kribbeln, elektrische Schläge oder eine erhöhte Kälteempfindlichkeit können über Monate oder Jahre bestehen bleiben.
Manchmal werden Erfrierungen auch mit Frostbeulen verwechselt. Frostbeulen, auch Pernione genannt, sind keine Erfrierungen, sondern entzündliche Hautreaktionen auf kalte Temperaturen und ein feuchtes Klima. Die juckenden oder brennenden, blasenartigen Schwellungen der Haut verheilen meist selbstständig innerhalb von 3 bis 6 Wochen. Nur in seltenen Fällen müssen die betroffenen Stellen medikamentös, beispielsweise mit kortisonhaltigen Cremes, versorgt werden.
Erfrierungen werden oft zu spät oder gar nicht bemerkt, da die betroffenen Körperstellen taub sind und nicht schmerzen.
Ursachen und Entstehung
Bei Kälte ziehen sich die feinen Blutgefäße der Extremitäten zusammen (Vasokonstriktion).
Dadurch gibt der Körper nicht zu viel Wärme ab, um lebenswichtige Organe weiterhin mit Sauerstoff und Wärme zu versorgen. Diese Kreislaufanpassung ist ein wirksamer Selbstschutz für den Gesamtorganismus.
Allerdings werden örtliche Erfrierungen in Kauf genommen. Durch die Vasokonstriktion kann der Blutfluss in den Extremitäten vollständig zum Erliegen kommen. In Folge kühlen Finger und Zehen aus. Schäden an Haut und darunter liegenden Geweben drohen. Bei langanhaltender Kälteexposition bilden sich Eiskristalle in den Zellen, die dadurch irreversibel verletzt werden. Ödembildung tritt auf, wenn die Endothelzellen der Gefäßwände zerstört werden und in Folge Blutserum in umliegendes Gewebe dringt.
Parallel steigt die Viskosität des Blutes. Der normale Blutfluss der Haut beträgt etwa 250 ml/min. Während der Erfrierung sinkt der Fluss auf weniger als 20-50 ml/min. Wenn die Temperatur auf unter 0 Grad Celsius sinkt, hört der Blutfluss auf. Dabei friert das langsamere Venensystem vor dem arteriellen System ein. Als Folge der Minderdurchblutung kommt es zur Ausbildung kleinster Blutgerinnsel (Mikrothromben). Das gleichzeitige Auftreten von mikrovaskulären Verletzungen, dem Stillstand des Blutflusses und Mikrothromben kann die Entwicklung einer Ischämie begünstigen. Je nach Ausmaß der Exposition und der nachfolgenden zellulären Schädigung können die Kälteschäden reversibel oder irreversibel sein.
Kälte führt aufgrund einer Gefäßverengung zu einer Minderversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Blut. Zudem gefriert das extrazelluläre Wasser der Zellen, wodurch diese dehydriert und geschädigt werden.
Risikofaktoren bei Erfrierungen
Zu den verbreitetsten Risikofaktoren für Erfrierungen zählen unzureichende Bekleidung und mangelnder Schutz vor Kälte.
Zu den Risikofaktoren für Erfrierungen gehören:
- Winter
- Kein oder unzureichender Schutz vor der Kälte und Feuchtigkeit
- Unpassende Bekleidung, feuchte Kleidungsstücke
- Hoher Windkühlfaktor
- Langer Aufenthalt in großen Höhen
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch
- Unterernährung
- Immobilisation
- Fortgeschrittenes Alter
- Obdachlosigkeit
- Vorhandensein medizinischer Störungen wie Diabetes, Schilddrüsenunterfunktion, periphere Gefäßkrankheiten, Schlaganfall oder Arthritis
Behandlung und Therapie
Gewöhnlich heilen Erfrierungen ersten und zweiten Grades komplikationslos ohne Narbenbildung ab und bedürfen daher nicht der Untersuchung einer Ärztin/eines Arztes.
Sobald aber Blasenbildung oder starke Schmerzen auftreten, sollte eine ärztliche Konsultation erfolgen. Erfrierungen des dritten oder vierten Grades machen meist eine chirurgische Behandlung im Krankenhaus notwendig. Falls Zweifel über die Schwere der Erfrierung bestehen, sollte immer ein Rettungswagen gerufen werden, da Erfrierungen zusammen mit einer stärkeren Unterkühlung zum Kreislaufkollaps bis hin zum Herzstillstand führen können.
Zu den Erstmaßnahmen bei der Behandlung von Kälteopfern gehört das Aufwärmen der betroffenen Körperstelle oder des gesamten Organismus. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Eine aktive Wiedererwärmung der erfrorenen Regionen durch beispielsweise Reiben, Massage oder eine Wärmflasche sollte vermieden werden. Besonders bei erhaltender Sensibilität kann eine Wiedererwärmung mit extremen Schmerzen einhergehen und sollte deswegen mit einer ausreichenden Analgesie begleitet werden. Auch bei vorliegender Taubheit sollte das Wiedererwärmen sorgsam geschehen, da die Patientin/der Patient eine mögliche Übererwärmung und Schädigung nicht bemerken kann. Die betroffene Person sollte zunächst an einen warmen Ort gebracht, kalte und nasse Bekleidung entfernt und eine weitere Kälteeinwirkung vermieden werden. Ist der oder die Betroffene bei Bewusstsein, können warme, gezuckerte Getränke verabreicht werden.
Das eigentliche Ausmaß der Verletzung wird erst Stunden oder Wochen nach dem Erwärmen sichtbar. Die Wundversorgung kann dann an den diagnostizierten Grad der Erfrierung angepasst werden. Geschlossene Blasen werden am besten mit Blasenpflastern abgedeckt, um den Druck auf der Blase zu minimieren und ein Aufplatzen zu verhindern. Die hydrokolloide Matrix (Gelsubstanz) des Blasenpflasters schützt die Blase als eine Art Polster vor Druckbelastung und Verunreinigung. Nur unter sterilen Bedingungen sollten Blasen punktiert und dann mit einem sterilen hydroaktiven Wundverband abgedeckt werden.
Schlecht durchblutetes Gewebe ist infektionsgefährdet. Unterstützt werden kann die Wundversorgung bei einer bestehenden Infektion oder einem erhöhten Infektionsrisiko durch eine Antibiotika-Therapie. Zudem sollte auf einen aktuellen Tetanusschutz geachtet werden. Bei der Versorgung von Erfrierungen mit Grad 3 und 4 ist ein chirurgischer Eingriff notwendig. Eine Demarkierung ist abzuwarten, bis gut zwischen gesundem und defektem Gewebe unterschieden werden kann. Danach kann ein fachgerechtes Debridement oder eine Amputation durchgeführt werden.
Erfrierungen ab dem dritten Grad sollten von einer Ärztin/einem Arzt behandelt werden
Komplikationen bei Erfrierungen
Komplikationen von Erfrierungsverletzungen reichen von aufgerissenen, infizierten Wunden bis zur Amputation von betroffenen Körperteilen. Im schlimmsten Fall droht der Erfrierungstod.
Komplikationen treten auf, wenn blutgefüllte Blasen aufreißen und es nachfolgend zu einer Wundinfektion kommt. Bei schweren Erfrierungen vierten Grades ist eine Amputation im Extremfall nicht auszuschließen. Eine Komplikation, die mit einer Unterkühlung des Gesamtorganismus einhergeht, ist der Erfrierungstod. Der Beginn einer Unterkühlung zeigt sich anhand von kalten, verfärbten Körperteilen und einem Zittern des Körpers. Durch das Zittern produziert der Körper Wärme. Sinkt die Körpertemperatur allerdings weiter, stellt der Körper diese Schutzfunktion ein. Die betroffene Person wird träge, müde und ist kaum ansprechbar. Zudem versteifen sich die Muskeln und ein Zittern ist nicht mehr möglich. Ab einer Körpertemperatur von unter 28°C besteht Lebensgefahr. Der Zusammenbruch des Kreislaufs und ein Herzstillstand drohen. Ein Mensch kann diesen extremen Zustand allerdings einige Zeit überleben. Wiederbelebungsmaßnahmen sollten deshalb im Zweifel immer ergriffen werden, auch wenn die betroffene Person bereits leblos erscheint.
Vorbeugung von Erfrierungen
Geeignete Kleidung
Trockene, wärmende und locker sitzende Kleidung, optimalerweise im „Zwiebellook“ getragen, schützt den Körper vor Kälte. Eine wärmende Mütze sowie ein Schal verhindern den Wärmeverlust über den Kopf- und Halsbereich. Enges Schuhwerk oder einschneidende Kleidung können den Blutfluss stören und sollten deshalb vermieden werden.
Geeignete Hautpflege
Bei der Hautpflege im Winter ist Vorsicht geboten. Die Verwendung des falschen Pflegeproduktes, wie eine Creme mit einem hohem Wasseranteil, kann bei Minusgraden Erfrierungen hervorrufen. Ratsam ist die Verwendung einer klassische W/O Formulierung mit hohem Fettanteil oder spezielle Kälteschutzcremes. Wintersportler benötigen zudem einen ausreichend hohen Sonnenschutz.
Erfrierung durch Kühlakku
Kühlakkus aus dem Tiefkühlschrank sollten nie direkt auf die Haut gelegt werden. Sie können ansonsten lokale Erfrierungen verursachen. Kühlpacks sollten immer in ein Handtuch oder anderen Stoff eingewickelt werden und nur kurzzeitig, für etwa 15 Minuten, benutzt werden.
Sonstige Verhaltenstipps
In kalter Umgebung sollte kein Alkohol konsumiert werden. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass alkoholhaltige Heißgetränke von innen wärmen. Durch den Alkohol erweitern sich die Blutgefäße unter der Haut und der Körper verliert vermehrt Wärme. Ebenso sollte auf Tabakkonsum verzichtet werden, da Nikotin die Blutgefäße zusätzlich verengt. Dem Körper sollte hingegen wärmende Nahrung und Flüssigkeit zugefügt werden, damit genügend Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur zur Verfügung steht.
Die wichtigste Vorbeugung gegen Erfrierungen ist eine den äußeren Verhältnissen angemessene, wärmende Kleidung.