Ekel in der Pflege – 4 Tipps, die wirklich schützen
Urin, Kot, riechende Wunden oder Erbrochenes – Pflegekräfte sind mit vielen Dingen konfrontiert, die Ekel auslösen können. Mit den passenden Strategien gelingt es, sich abzugrenzen.
„Ich könnte das ja nicht!“ Diesen Satz hören Pflegekräfte oft. Gemeint ist mit „das“ wohl auch: der Umgang mit Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen, die Gerüche, die damit einhergehen, der nahe Kontakt zu kranken und auf Hilfe angewiesenen Menschen.
Pflegende unterstützen bei Toilettengängen, säubern eingenässte und eingekotete Menschen, entfernen Erbrochenes oder versorgen stark sezernierende und riechende Wunden. „Meistens gehen die Pflegenden sehr professionell mit solchen Situationen um, es gehört ja zu ihren Aufgaben“, sagt Christine Sowinski, Krankenschwester und Diplom-Psychologin. „In manchen Situationen kann das jedoch kippen und zu Ekelgefühlen führen.“
Stress macht Pflegekräften zum Beispiel, wenn Ausscheidungen vom idealtypischen Zustand abweichen, der Urin also sehr stark riecht oder der Stuhl flüssig bis schmierig ist. Auch in Stresssituationen kann es schneller zu Ekelgefühlen kommen, zum Beispiel wenn eine Pflegekraft ohnehin unter Zeitdruck steht und dann eine Bewohnerin plötzlich Durchfall hat und beginnt, den dünnen Stuhl mit den Händen wegzuwischen. „Solche Situationen können für Pflegende sehr belastend sein. Ekel ist oft eine Überlastungsreaktion“, sagt Sowinski.
4 Strategien, die im Umgang mit Ekelgefühlen schützen
Um mit potenziell ekelauslösenden Situationen umzugehen, können unterschiedliche Strategien helfen. Hierbei sind nicht nur die Pflegekräfte gefordert, sondern auch die Vorgesetzten.
Tipp 1: Schutzkleidung schafft professionelle Distanz
Pflegekräfte sollten im Umgang mit Körperflüssigkeiten immer Einmalhandschuhe und eine flüssigkeitsundurchlässige Einmalschürze tragen. Einen direkten Kontakt mit Ausscheidungen sollten sie auf jeden Fall vermeiden. „Eine professionelle Schutzkleidung mit Handschuhen und Schürze signalisiert den Betroffenen auch: Ich bin ein Profi, ich werde dafür bezahlt, ich übernehme das für dich. Du brauchst dich dafür nicht zu schämen“, sagt Sowinski. Das entlaste auch die Betroffenen.
Handschuhe helfen zudem, eine emotionale Distanz zur Situation zu schaffen. Sie wirken wie eine Barriere und schützen auch vor der Angst, dass man sich infizieren kann. Wichtig ist dabei, wirklich gute Handschuhe einzusetzen, die einer Austrocknung der Haut entgegenwirken – und nicht unbedingt das billigste Modell. Denn die Haut von Pflegekräften ist durch das häufige Waschen und Desinfizieren oft vorgeschädigt oder sogar rissig. Eine intakte Haut ist aber der beste Schutz vor Infektionen.
Alle in der Pflegesituation benutzten Materialien sollten sofort in einen flüssigkeitsdichten Beutel gepackt werden, der später im Arbeitsraum entsorgt wird. Mittlerweile bietet die Industrie auch verschließbare Abfallbehälter an, mit denen Inkontinenz- und Wundversorgungsprodukte geruchlos und antibakteriell entsorgt werden können. Das kann die Geruchssituation im Wohnbereich verbessern und möglichen Ekelgefühlen vorbeugen.
Handschuhe und Handpflege im Praxisalltag | DRACO Videoblog
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Pflegetipp im MFA-Blog:
Tipp 2: „Let’s talk about it“ – es ist wichtig, über das Thema zu sprechen
Ekel ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Ekelgefühle haben vielmehr eine wichtige Funktion: sich selbst vor ungesunden Substanzen zu schützen. Gerade für junge Pflegekräfte ist es wichtig, über das Thema zu sprechen. Fast alle Pflegenden kennen Ekelgefühle, gerade zu Beginn ihrer Berufstätigkeit. Hier kann es sehr entlastend zu hören, dass es anderen ebenso geht. Erfahrene Pflegende können den jungen auch vermitteln, wie es ihnen persönlich gelingt, sich psychisch abzugrenzen und welche Strategien ihnen dabei helfen.
Auch Vorgesetzte sollten dieses Thema im Blick haben und Verständnis und ein offenes Klima für Ekelgefühle signalisieren. „Es muss möglich sein, dass Pflegende sagen: ‚Das kann ich jetzt nicht.‘“, betont die Psychologin. Daher sei es wichtig, dass die Leitung auf Empfindlichkeiten mit Verständnis reagiere und die Mitarbeitenden sensibel begleite. „Permanente Ekelgefühle können im schlimmsten Fall zur Berufsaufgabe führen. Wir müssen deshalb empathisch mit Ekelgefühlen umgehen.“
Tipp 3: Individuelle Schutzstrategien helfen, mit Ekelgefühlen umzugehen
Erleben Menschen Ekel, haben sie normalerweise den Impuls, der Situation zu entfliehen. In Pflegesituationen ist das aber nicht möglich. Hier gilt es, persönliche Strategien zu finden, die in der Situation helfen. Manchen hilft es bei unangenehmen Gerüchen zum Beispiel, flach zu atmen oder kurz die Luft anzuhalten. Die mittlerweile obligatorischen Mund-Nasen-Masken haben – bei allen Nachteilen – den Vorteil, dass sie vor unangenehmen Gerüchen schützen. Einige Pflegekräfte erleben Raumsprays oder ätherische Öle als hilfreich, andere finden die dabei entstehenden Geruchsmischungen jedoch selbst ekelauslösend.
Wenn jemand bestimmte Situationen oder Gerüche als besonders belastend erlebt, kann es helfen, sich im Team abzustimmen, damit jemand anders diese Aufgabe übernimmt. Auch sollte gemeinsam darauf geachtet werden, dass Auszubildende oder junge Pflegende nicht gleich mit Situationen konfrontiert werden, die sie – im Hinblick auf mögliche Ekelgefühle – überfordern. Kurze Pausen nach belastenden Tätigkeiten können ebenfalls hilfreich sein.
Vielen Pflegekräften gelingt es, sich eine Art mentalen Schutz anzutrainieren, um sich nach der Arbeit von den erlebten Pflegesituationen abzugrenzen. Dabei kann es helfen, nach der Arbeit zu duschen oder sich wie ein Chirurg bis zu den Oberarmen zu waschen. „Pflegende brauchen das Gefühl, dass sie sich nicht kontaminiert haben – auch nicht seelisch“, weiß die Psychologin Sowinski.
Umgang mit Ekel bei chronischen Wunden | DRACO Videoblog
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Tipp 4: Eine fachgerechte Pflege kann Ekel reduzieren
Ekelauslösende Situationen können in vielen Fällen durch eine fachgerechte Pflege vermieden werden. Gerade abweichende Ausscheidungen oder stark sezernierende, riechende Wunden können pflegerisch beeinflusst werden. Hier gilt es, die Ursachen für eine Abweichung zu erkennen und gegenzusteuern. Sehr konzentrierter Urin kann zum Beispiel mit einer zu geringen Trinkmenge zusammenhängen, Durchfall mit einer viralen Infektion oder mit Kotsteinen, bei denen der Bewohner verstopft ist und gleichzeitig Durchfall hat. Viele dieser Ausscheidungsprobleme können behandelt und damit Gerüche reduziert werden. Auch die Kontinenzförderung spielt eine wichtige Rolle.
Wichtig ist zudem eine gute Dekubitusprophylaxe, die offene, übelriechende Wunden verhindern kann. Liegen bereits Wunden vor, sollten Produkte der modernen Wundversorgung eingesetzt werden. Diese fördern die Wundheilung und tragen dazu bei, stark sezernierende oder übelriechende Wunden zu reduzieren. In der Regel sind auch weniger Verbandwechsel erforderlich.