Blutige Entlassungen

Blutige Entlassungen

Wenn ein Patient oder eine Patientin verfrüht aus einem Krankenhaus entlassen wird, spricht man von einer blutigen Entlassung. 

Für das Praxisteam und die Pflegekräfte ist sie mit besonderen Herausforderungen verbunden.

Definition: Was ist eine blutige Entlassung?

Bei der „blutigen Entlassung“ handelt es sich nicht um einen Fachbegriff. Der Ausdruck hat sich umgangssprachlich eingebürgert für Patienten und Patientinnen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, obwohl ihr Heilungsprozess noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Dies kann bedeuten, dass sich die Betroffenen noch in einer frühen Phase der Wundheilung befinden, möglicherweise leiden sie sogar unter offenen, unzureichend verheilten oder chronischen Wunden

Blutige Entlassungen und Herausforderungen in der Arztpraxis

Im Alltag funktioniert das Entlassmanagement häufig nicht so, wie es wünschenswert wäre. Vor allem Patienten und Patientinnen, die an einem Freitagnachmittag ohne ausreichende Vorbereitung nach Hause dürfen, stellen Arztpraxen und Pflegedienste häufig vor Probleme: 

  • Vielfach fehlen Unterlagen und Verordnungen, beziehungsweise haben die Patienten und Patientinnen keine Arzneimittel und Verbandstoffe für die ersten drei Tage erhalten, obwohl die Kliniken zu dieser Ausstattung verpflichtet gewesen wären.
  • Die hausärztliche Praxis erhält keine Informationen über die vorgenommenen Behandlungen und über Empfehlungen für eine Anschlusstherapie.

Der Begriff der „blutigen Entlassung“ wird häufig kritisch verwendet, da er auf die potenziellen Risiken und Belastungen für die Patienten und Patientinnen sowie für das Team in der ambulanten Versorgung hinweist.

Dabei ist eine „blutige Entlassung“ nicht immer wörtlich zu nehmen. MFA und Pflegekräfte benutzen diese Bezeichnung auch, wenn die Wunde zwar geschlossen ist, aber keiner größeren Belastung ausgesetzt werden darf, weswegen beispielsweise die angestrebte Reha nicht direkt im Anschluss erfolgen darf. Auch in diesem Fall gilt es, vorübergehend die Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten.

Lösungen in der Arztpraxis

  • Eventuell können MFA versuchen, eine Ansprechperson in der Klinik zu erreichen, damit kurzfristig ein Versand der Unterlagen über KIM erfolgt.
  • Hausärzte und Hausärztinnen stehen andernfalls womöglich vor der Aufgabe, Verordnungen ausstellen zu müssen, ohne dass ein Arztbrief aus der Klinik vorliegt. Gegebenenfalls muss dafür ein spontaner Hausbesuch erfolgen. Die Organisation fällt in den Aufgabenbereich der MFA.
  • Zum Teil setzen sie Verbandmaterial aus dem Sprechstundenbedarf ein, um die akute Versorgung übers Wochenende sicherzustellen. Das ist rechtlich möglich.
  • Bestand zuvor kein Pflegegrad, können Hausärzte und Hausärztinnen im Notfall hausärztliche Krankenpflege verordnen. Es sind dann häufig die MFA, die bei den bekannten Anbietern in der Region Kapazitäten abfragen.
  • Einige ambulante Pflegedienste bieten für solche Situationen eine kurzfristige Soforthilfe an.
  • Im Extremfall, etwa bei fehlender Versorgung durch eine ambulante Pflege, erfolgt eine Rücküberweisung in eine Klinik.

Blutige Entlassungen und Herausforderungen für Pflegekräfte

Ein unzureichendes Entlassmanagement ist für Pflegekräfte vor allem dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn die behandelnde Hausarztpraxis an einem Freitagnachmittag bereits geschlossen ist. Häufig wissen die Pflegenden nicht, welche Maßnahmen zur Wundversorgung von der Klinik empfohlen wurden. Zudem fehlt vielfach Material, weil das Krankenhaus Arzneimittel und Verbandmaterial dem Patienten oder der Patientin nicht mitgegeben hat. Oder Apotheken nehmen Verordnungen von Kliniken nicht an, weil die PZN fehlt oder die Packungsgröße falsch angegeben ist.

Lösungen für Pflegekräfte

  • Pflegekräfte können vorhandenes Material aus dem Dienstbestand nutzen und dies später über eine Verordnung abrechnen.
  • Sie können die Klinik kontaktieren, um das benötigte Verbandmaterial nachzufordern.
  • Apotheken mit Notdienst können in dringenden Fällen auch Verbandmaterial ohne Verordnung ausgeben. Diese wird dann nachgereicht.
  • Am ersten Werktag muss umgehend die behandelnde Hausarztpraxis informiert und zurate gezogen werden. Der Arzt oder die Ärztin legt die weitere Therapie fest und stellt entsprechende Verordnungen aus.

Wichtig: Fehlende Verordnungen müssen umgehend nachgeholt werden, um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu sichern. Bei systematischen Versorgungslücken durch das Krankenhaus kann eine Meldung an die zuständige Pflegekasse oder das Gesundheitsamt für Abhilfe sorgen.

Wieso kommt es zu blutigen Entlassungen?

Eine häufige Ursache für „blutige Entlassungen" sind die ökonomischen Bedingungen: Aufgrund des Fallpauschalensystems erhalten Krankenhäuser für bestimmte Diagnosen und Prozeduren einen festen Betrag, unabhängig von der tatsächlichen Behandlungsdauer. Dadurch entsteht ein wirtschaftlicher Anreiz, Patienten und Patientinnen möglichst früh zu entlassen. Die Weiterbehandlung erfolgt dann ambulant. Den Übergang regelt das Entlassmanagement.

Gerade bei chronischen Wunden kann der Grund für eine „blutige Entlassung“ noch ein anderer sein: Diese werden oftmals zufällig diagnostiziert, wenn Patienten oder Patientinnen wegen der Behandlung einer anderen Erkrankung in die Klinik kommen. Durch das Finanzierungssystem über diagnosebezogene Fallgruppen (Diagnosis Related Groups, kurz DRG) kann ein Krankenhaus jedoch nicht automatisch alle Maßnahmen abrechnen. Das gilt insbesondere für Leistungen, die eigentlich dem ambulanten Sektor vorbehalten sind. Das Klinikteam therapiert also die Ursache für die Einweisung und verweist für die Behandlung der chronischen Wunde an die ambulanten Praxen.

Wie können blutige Entlassungen und Drehtür-Effekte vermieden werden?

Nur wenn die Betreuung im Anschluss an den Klinikaufenthalt gut funktioniert, sind weitere Krankenhausaufenthalte nicht nötig. Das gelingt jedoch nicht immer. Drehtüreffekte entstehen vor allem dann, wenn die Behandlung nicht kontinuierlich fortgesetzt wird oder das Gesundheitspersonal nicht genug kommuniziert. 

Laut dem AOK Report 2023 wären mehr als 35 Prozent aller Hospitalisierungen unter besseren Versorgungsbedingungen und bei höherer Versorgungsqualität vermeidbar – in Deutschland sind das jährlich fast 220.000 Krankenhausfälle.

Ideales Entlassmanagement und der Übergang zur Arztpraxis

Eigentlich ist die Weiterversorgung von Patienten und Patientinnen nach einem Krankenhausaufenthalt übers Entlassmanagement der Klinik gut geregelt. Im besten Fall läuft es für die Wundversorgung folgendermaßen ab:

  • Wenn Krankenhäuser dem Rahmenvertrag fürs Entlassmanagement folgen, verordnen Ärzte und Ärztinnen Medikamente, Verbandmaterial etc. für die ersten sieben Tage nach der Entlassung. Andernfalls geben sie den Patienten und Patientinnen Arzneimittel und Verbandstoffe für drei Tage mit.
  • Gegebenenfalls händigt die Klinik eine begrenzte Menge für den akuten Bedarf aus.
  • Der Patient oder die Patientin erhält einen Arztbrief, der unter anderem Empfehlungen für die weiterführende Therapie und die benötigten Verband- und Hilfsmittel auflistet. Ein direkter Versand der Unterlagen an die hausärztliche Praxis ist ebenfalls möglich.
  • Die Betroffenen werden über die anstehenden Maßnahmen aufgeklärt und bekommen Verhaltenstipps, die den Heilungsverlauf unterstützen.
  • Die weitere Verordnung übernimmt der Hausarzt oder die Hausärztin.
  • Die Lieferung der Arzneimittel und Verbandmaterialien kann auch direkt an eine Pflegeeinrichtung oder an einen ambulanten Dienst erfolgen. 

Bestand zuvor kein Pflegebedarf, organisieren die Beschäftigten im Entlassmanagement auch die anschließende Versorgung, also beispielsweise einen Reha-Aufenthalt, häusliche Krankenpflege, Kurzzeitpflege oder – um eine eventuelle Wartezeit zu überbrücken – bis zu zehn Tage Übergangspflege im Krankenhaus.

Die Autorin Dr. Christine von Reibnitz
Dr. Christine von Reibnitz, Referentin Gesundheitspolitik und Krankenkassenmanagement

Dr. von Reibnitz ist promovierte Gesundheitswissenschaftlerin und Hochschuldozentin im Bereich des Gesundheitsmanagement. Seit 2013 ist sie bei Dr. Ausbüttel zuständig für den Bereich Krankenkassenmanagement und Expertin für die Themen Abrechnung und Recht.