Jugendliche als Patienten
Jugendliche Patientinnen und Patienten stellen spezielle Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arztpraxis. Die Gesprächsführung ist nicht immer leicht und es ist Fingerspitzengefühl im Einzelfall gefragt.
Jugendliche sind eine besondere Patientengruppe. Meistens kommen sie nur bei akuten Problemen oder Krankheiten in die Praxis. Manche der jungen Patienten* kennen die Arztpraxis schon, andere kommen zum ersten Mal. Die einen kommen alleine, die anderen in Begleitung, meistens eines Elternteils. Egal in welcher Situation die Jugendlichen in der Praxis ankommen, es kann durchaus der Fall sein, dass sich die junge Patientin oder der junge Patient unsicher und unwohl beim Gang in die Arztpraxis fühlt.
Wie können wir MFA mit den Jugendlichen umgehen, damit sie sich bei uns gut aufgehoben fühlen? Ich habe ein paar Tipps von Kolleginnen und Kollegen eingesammelt und stelle sie euch einmal vor.
1. Persönliche Begrüßung
Bei jüngeren Patienten sollten wir immer versuchen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie bei uns im Mittelpunkt stehen. Schon bei der Anmeldung ist es eine gute Idee, sich selbst mit dem Vornamen vorzustellen und den jüngeren Patienten mit seinem Vornamen zu begrüßen. Ab einem Alter von ca. 14 Jahren gehen viele Arztpraxen dazu über, Jugendliche konsequent zu siezen oder zumindest zu erfragen, ob das Du oder das Sie gewünscht wird. Das organisatorische Procedere sollte weniger im Fokus stehen. Versucht lieber, den Namen eurer Kollegin zu nennen, die den jugendlichen Patienten später aufrufen und zur Behandlung begleiten wird.
Ist eine erwachsene Begleitperson dabei, sollte im Beisein des Jugendlichen die Bitte geäußert werden, dass sie sich abstimmen mögen, ob sie zusammen oder der Jugendliche alleine in den Behandlungsraum gehen soll.
2. Positiver Körperkontakt
Bei der Begrüßung geht es – im Gegensatz zu kleineren Kindern – nicht darum, sich körperlich auf Augenhöhe zu begeben, sondern einen ersten positiven Körperkontakt sicherzustellen. Wird der oder die Jugendliche aufgerufen und kommt der Kollegin entgegen, kann man hier eine Hand zur Begrüßung an oder auf die Schulter legen. Ein Lächeln signalisiert, dass sich der junge Patient bei euch sicher aufgehoben fühlen darf.
3. Elternteil dabei oder nicht
Je nach Alter des Jugendlichen und ob eine Begleitperson dabei ist oder nicht, solltet ihr – im besten Fall den Jugendlichen – fragen, ob die Begleitperson mit in den Behandlungsraum gehen soll. Zuvor am Empfang habt ihr schon adressiert, dass diese Entscheidung zwischen Patienten und Begleitperson getroffen werden sollte. Falls ihr hier spürt, dass der Jugendliche lieber allein in den Behandlungsraum gehen würde, das Elternteil aber darauf besteht, mitzugehen, solltet ihr einen Weg finden, kurz mit dem Patienten allein zu sein. So können eventuell Themen besprochen werden, die die Eltern nicht mitbekommen sollen. Auch eine eventuelle Missbrauchssituation kann so untersucht werden.
Als grobe Orientierung gilt: Bei Mädchen kann man oft schon ab einem Alter von 13, bei Jungen ab 14 Jahren davon ausgehen, dass die Jugendlichen ohne Begleitperson in den Behandlungsraum gehen.
4. Keine Kindersprache
Vermeidet grundsätzlich kindliche, verniedlichende Sprache. Das gilt nicht nur für Jugendliche, sondern auch schon für kleinere Kinder. Sie fühlen sich dadurch weder ernst genommen, noch verstanden. Lasst den Jugendlichen zu Wort kommen und greift dabei gerne seine Wortwahl und Ausdrucksweise auf (natürlich ohne, dass es gekünstelt wird). Komplizierte Fachbegriffe sind hier nicht angemessen. Erklärt die Dinge einfach und klar.
5. Diskretion
Die Privatsphäre ist für Jugendliche von großer Bedeutung. Gespräche und Untersuchungen sollten daher in einer geschützten Umgebung stattfinden. Auch sollten angesprochene Themen von uns Mitarbeitenden einer Arztpraxis nicht bewertet werden. Die jungen Patienten sollen das Gefühl haben, sich frei über eventuell empfundene Tabu-Themen austauschen zu können. Das ermöglicht uns, wichtige Gesundheitsrisiken zu erkennen und angemessen Unterstützung anbieten zu können. Manchmal braucht es hierfür auch Diskretion gegenüber den Eltern (siehe 3).
6. Tell-Show-Do
Für die eigentliche Untersuchung oder Behandlung bietet sich eine Vorgehensweise auf der Zahnheilkunde an, die Tell-Show-Do-Methode, also Erklären-Zeigen-Machen.1
Tell: Es wird beschrieben, was gemacht werden soll.
Show: Ihr zeigt – nicht am Patienten – was genau gemacht wird. Falls möglich, darf der Patient auch anschauen, anfassen, fühlen, riechen, hören oder selbst ausprobieren.
Do: Ihr führt das zuvor Erklärte und Gezeigte am Patienten aus.
7. Verabschiedung
Erklärt den jungen Patienten, was sie selbst machen können, um ihr gesundheitliches Problem wieder in den Griff zu bekommen. Und über ein positives Feedback, falls die Behandlung gut verlaufen ist, freut sich sowieso jeder Patient. Ihr könnt einen eventuell notwendigen Termin zur Nachkontrolle direkt mit dem Jugendlichen selbst abstimmen, um eure Kommunikation „auf Augenhöhe“ abzuschließen.
Einwilligung der Erziehungsberechtigten?
Ab wann kann ein jugendlicher Patient eine wirksame Einwilligung in die Behandlung geben? Dafür sollen Minderjährige eine eigenständige Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen können. Nach herrschender Meinung geht man davon aus, dass Minderjährige unter 14 Jahren nur in Ausnahmefällen bereits einwilligungsfähig sind. Daher sollte in der Akte dokumentiert werden, was aus Sicht der Arztpraxis dafürspricht, dass der Patient oder die Patientin über die notwendige geistige Reife verfügt.
Für eine differenziertere Darstellung der Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher, möchte ich euch einen Artikel aus dem Ärzteblatt empfehlen, der auch schwierige Konstellationen (getrenntlebende Eltern, Missbrauchsverdacht o.ä.) abbildet.2
Wie geht ihr mit jugendlichen Patientinnen und Patienten um? Wie bezieht ihr die Eltern ein oder lasst sie bewusst außen vor? Ich freue mich, von euren Strategien im Umgang mit den jüngeren Patienten zu lesen!
Viele Grüße
Eure Steffi
* In diesem Artikel sind ausdrücklich Mädchen und Jungen gemeint. Aufgrund der Lesbarkeit verwende ich meist das generische Maskulinum.