Internationaler Tag der Seelischen Gesundheit
Wir heilen kleine und große Wunden, behandeln kleinere Wehwehchen und schwerwiegende Erkrankungen und begleiten unsere Patienten und ihre Familien teilweise über viele Jahre. Doch nicht alle Wunden sind sichtbar.
Am 10. Oktober findet seit 1992 jährlich der internationale Tag der seelischen Gesundheit statt, der durch die World Federation for Mental Health gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufen wurde. Der Tag dient dazu, auf die Belange und Bedürfnisse psychisch erkrankter Menschen aufmerksam zu machen.
Aus unserem MFA-Alltag wissen wir, dass die sichtbaren Wunden und diagnostizierten Krankheiten meistens auch mit inneren Wunden verbunden sind. Auf diese Wunden können wir leider kein Pflaster machen, damit sie heilen können. Oft sind sie lange Zeit unsichtbar und wenn sie deutlich werden, sind sie meist schon recht tief. Hinzu kommt, dass psychische Erkrankungen mittlerweile regelrechte Volkskrankheiten sind.
Hier ein paar Zahlen für Deutschland (vgl. dgpp, 2022):
- Jährlich ist fast jeder dritte Erwachsene (27,8 %) in Deutschland von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das sind fast 18 Millionen betroffene Personen.
- Die zwei häufigsten psychischen Erkrankungen sind Angststörungen (15,4 %) und affektive Störungen (9,8 %, die unipolare Depression macht allein 8,2 % aus).
- Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bösartigen Neubildungen und muskuloskelettalen Erkrankungen gehören psychische Erkrankungen zu den vier wichtigsten Ursachen für den Verlust gesunder Lebensjahre.
- Auch unter den verordnungsstärksten Medikamentengruppen nehmen Psychopharmaka den vierten Platz ein. Antidepressiva werden davon am häufigsten verordnet.
- Menschen mit psychischen Erkrankungen haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine um 10 Jahre verringerte Lebenserwartung.
- Im Jahr 2020 nahmen sich in Deutschland circa 9.200 Menschen das Leben. Mehr als die Hälfte dieser Fälle lassen sich auf eine psychische Erkrankung zurückführen.
- Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Sprechstundentermin bei einem Psychotherapeuten beträgt 5,7 Wochen. Bis zum Therapiebeginn liegt die Wartezeit bei 19,9 Wochen.
Wie können wir unsere mentale Gesundheit stärken? Was können wir uns Gutes tun, um zu vermeiden, psychisch zu erkrankten? Ich habe fünf – zugegebenermaßen – simple Tipps, die in unserem Arbeitsalltag allerdings häufig schon schwer genug umzusetzen sind:
- Pausen machen: Kleine, aber bewusste Pausen sind wichtig für unseren Körper und auch für unseren Geist. Vielleicht reicht es schon, eine Tasse Tee ganz bewusst zu trinken und draußen die Blätter an den Bäumen zu beobachten. Blicke in die Ferne entspannen unsere Augenmuskulatur und führen insgesamt zu einer kurzen Erholung.
- Ausreichend bewegen: Das Ziel ist relativ leicht für uns zu erfüllen. Habt ihr mal einen Schrittzähler aktiviert und geschaut, welche Strecke ihr jeden Tag bei der Arbeit zurücklegt? Ein kleiner Ausgleich könnte Yoga oder Meditation sein. Es geht nicht um das absolute Auspowern, sondern um ein gesundes Maß, mit dem ihr euch wohlfühlt.
- Positive Begegnungen: Verbringt bewusst Zeit mit Familie, Freunden oder anderen Menschen, mit denen ihr euch wohlfühlt. Die Gespräche und schönen Erlebnisse steigern das Wohlbefinden und bauen Stress ab. Beziehungen, die die Energie wie ein Vampir aussaugen, sollte man allerdings kritisch hinterfragen.
- Ausreichend Schlaf: Während der Schlafphasen laufen zahlreiche Regenerationsprozesse im Körper auf Hochtouren. Der Schlafbedarf ist bei jedem von uns unterschiedlich und wir müssen herausfinden, welches Maß für uns optimal ist. Wir sollten es uns dann aber wert sein, ausreichend erholsamen Schlaf zu bekommen.
- Digital Detox: Handy, Laptop, Smartwatch… den ganzen Tag sind wir erreichbar, erhalten unzählige Nachrichten, scrollen uns durch soziale Medien, konsumieren Informationen und Bilder. Hinterfragt euren Konsum digitaler Medien kritisch. Vielleicht könnt ihr Push-Nachrichten ausschalten und die Nutzungsdauer einschränken. Oder einfach mal einen Abend mit Freunden vereinbaren, an dem alle das Handy komplett beiseitelegen – und dann schaut, welche Gespräche sich entwickeln!
Das diesjährige Motto des Aktionstages lautet „Reden hebt die Stimmung. Seelisch gesund in unserer Gesellschaft“. Auch wenn es in unserem MFA-Alltag zeitlich sehr eng ist – vielleicht schaffen wir es, unsere Kolleginnen, Kollegen, Vorgesetzten, Bekannten, Freundinnen, Freunde, Patientinnen und Patienten öfter einmal zu fragen, wie es ihnen geht und kommen darüber ins Gespräch. Denn es hebt auch unsere Stimmung, ehrlich über unser Innenleben zu sprechen und gemeinsam die unsichtbaren Wunden nach außen hin sichtbarer zu machen.
Wie geht ihr in der Praxis mit psychischen Erkrankungen um? Wie nehmt ihr die Versorgungssituation wahr? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen!
Viele Grüße
Eure Steffi
Quelle: dgppn (2023). Basisdaten Psychische Erkrankungen. Stand Januar 2023. https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/93a818859031c45661aa7f6d298d6fecc6de45e9/20230104_Factsheet_Kennzahlen.pdf
Siehe auch
Rezept