Inklusion in der Arztpraxis: MFA im Umgang mit Menschen mit Behinderungen
Praxisalltag

Inklusion in der Arztpraxis: MFA im Umgang mit Menschen mit Behinderungen

In einer Arztpraxis erwarten Patienten nicht nur medizinische Kompetenz, sondern auch einen besonders sensiblen, inklusiven und professionellen Umgang. Dies gilt umso mehr für Menschen mit Behinderungen, die oft mit zusätzlichen Herausforderungen im Gesundheitssystem konfrontiert sind.

Als medizinische Einrichtung haben Arztpraxen eine Vorbildfunktion in Sachen Inklusion und Barrierefreiheit. Sie sind Orte, an denen jeder Mensch, unabhängig von seinen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, gleichberechtigt und respektvoll behandelt werden sollte.

Für uns als Medizinische Fachangestellte (MFA) bedeutet dies – wie so oft – eine besondere Verantwortung. Unser professionelles Auftreten, unsere Empathie und unser Verständnis für die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sind entscheidend für eine gelungene inklusive Praxisatmosphäre. 

Dieser Blog-Artikel soll euch einen Einblick geben, was wir alle machen können, um den Erwartungen an eine inklusive Arztpraxis gerecht zu werden. Ich gebe euch einige praktische Tipps, Schulungshinweise und Informationen, die euch helfen sollen, den Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu optimieren und eine Praxiskultur zu schaffen, die Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern aktiv fördert und wertschätzt.

Wie geht man mit Menschen mit Behinderungen um?

Der respektvolle und einfühlsame Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist der Schlüssel zu einer inklusiven Praxis. Hier einige wichtige Punkte: 

  • Begegnet allen Patienten auf Augenhöhe und mit Respekt.
  • Sprecht direkt mit dem Patienten, nicht mit einer eventuellen Begleitperson.
  • Bietet Hilfe an, aber drängt euch nicht auf. Beispiel: "Darf ich Ihnen beim Ausfüllen des Formulars behilflich sein, oder möchten Sie das lieber selbst machen?"
  • Seid geduldig und gebt dem Patienten die Zeit, die er benötigt. Beispiel: "Nehmen Sie sich bitte die Zeit, die Sie brauchen. Ich höre Ihnen geduldig zu."
  • Verwendet eine klare und verständliche Sprache. Beispiel: "Ich erkläre Ihnen den Ablauf der Untersuchung Schritt für Schritt. Bitte sagen Sie mir, wenn etwas unklar ist oder Sie eine Pause brauchen."
  • Achtet auf die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten. Beispiel: “Ich beschreibe Ihnen gerne den Weg zum Behandlungszimmer. Oder wäre es Ihnen lieber, dass ich Sie begleite?”

Was sollte in Schulungen zur Inklusion vermittelt werden?

Schulungen für MFAs sollten folgende Themen abdecken: 

  • Verschiedene Arten von Behinderungen und deren spezifische Herausforderungen
  • Kommunikationstechniken für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen
  • Umgang mit assistiven Technologien und Hilfsmitteln
  • Rechtliche Grundlagen und ethische Aspekte der Inklusion
  • Praktische Übungen und Rollenspiele zur Sensibilisierung
  • Digitale Barrierefreiheit in der Praxis (z.B. automatische Vorlesefunktionen, anpassbare Schriftgrößen, leichte Sprache)

Gibt es Anlaufstellen für Schulungen und Informationen?

Ja, es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden: 

  • Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bietet Informationen und Ressourcen zur Barrierefreiheit in Arztpraxen.1
  • Die Bundesärztekammer stellt ein Curriculum zur Medizin für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung oder mehrfacher Behinderung zur Verfügung.2
  • Lokale Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen können oft praxisnahe Schulungen anbieten.
  • Einige Bildungsträger und Fachschulen für MFAs bieten spezielle Fortbildungen zum Thema Inklusion an.

Wie können Praxismitarbeiter sensibilisiert werden?

Die Sensibilisierung des gesamten Praxisteams ist entscheidend für eine inklusive Atmosphäre: 

  • Regelmäßige Teambesprechungen zum Thema Inklusion durchführen
  • Erfahrungsberichte von Patienten mit Behinderungen einholen und im Team besprechen
  • Rollenspiele und Simulationen durchführen, um Perspektivwechsel zu ermöglichen
  • Eine offene Feedbackkultur etablieren, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren
  • Erfolge und positive Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Team teilen

Beispiele für gelungene Inklusion

  • Als MFA kommuniziert ihr direkt und respektvoll mit einem gehörlosen Patienten. Dafür könnt ihr bei Bedarf Schreibutensilien oder einen Gebärdensprachdolmetscher nutzen.
  • Für Rollstuhlfahrer wird ein niedriger, zugänglicher Bereich am Empfang eingerichtet, sodass ihr mit euren Patienten auf Augenhöhe kommunizieren könnt. Sollte das nicht möglich sein, beugt euch nicht über den Empfangstresen, sondern geht herum, um mit eurem Patienten zu reden.
  • Ihr gebt Patienten mit Sprachbehinderungen die nötige Zeit, sich auszudrücken und hört geduldig zu.
  • Ihr bietet Informationsmaterialien und Formulare in verschiedenen Formaten an, z.B. in Großdruck oder digital für sehbehinderte Patienten.
  • Bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen erklärt ihr Abläufe und Informationen in einfacher Sprache und vergewissert euch, dass alles verstanden wurde.
  • Als MFA seid ihr geschult im Umgang mit Assistenzhunden und erlaubt selbstverständlich deren Anwesenheit in der Praxis.

Praktische Tipps für den Praxisalltag

  • Erstellt eine Checkliste für die Patientenaufnahme, die die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt.
  • Bietet Informationsmaterialien in verschiedenen Formaten an (z.B. Großdruck, Braille, einfache Sprache).
  • Schult das Team in der Verwendung von Gebärdensprache-Basics oder nutzt Gebärdensprach-Dolmetscher-Apps.
  • Implementiert ein barrierefreies Terminvergabesystem, das auch online oder per SMS genutzt werden kann.
  • Gestaltet Wartebereiche inklusiv, z.B. mit Platz für Rollstühle und gut lesbaren Aufrufsystemen.

Inklusion in der Arztpraxis ist ein fortlaufender Prozess, der das Engagement aller Mitarbeiter erfordert. Als MFA können wir dazu beitragen, dass sich alle Patienten willkommen und gut versorgt fühlen. Durch kontinuierliche Weiterbildung, Sensibilisierung und praktische Umsetzung von inklusiven Maßnahmen schafft ihr eine Praxisatmosphäre, die der Vielfalt eurer Patienten gerecht wird. Denkt daran: Jeder kleine Schritt in Richtung Inklusion kann einen großen Unterschied im Leben eines Menschen mit Behinderung machen. Unser Einsatz zählt jeden Tag aufs Neue!

Übrigens: In diesem Blog-Artikel findet ihr einige Anregungen, wie eine Praxis barrierefrei gestaltet werden kann: https://www.draco.de/blog/barrierefreiheit-in-der-arztpraxis/ 

Welche Erfahrung habt ihr gesammelt und welche Tipps könnt ihr teilen?

Viele Grüße

Eure Steffi

Quellen

Die Autorin Steffi, MFA/Wundexpertin (ICW)
Steffi Blog

Nach der Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer dermatologischen Praxis für 5 Jahre im Praxisalltag als MFA, seit 2014 bei Dr. Ausbüttel (DRACO®). Wundexpertin (ICW) und bloggende MFA mit Leidenschaft.

E-Mail schreiben