Die kinderfreundliche Praxis: Den Kindern die Angst nehmen
Statt mit Freunden zu spielen oder im Kindergarten zu sein, sind manche Kinder im „Schlepptau“ ihrer Eltern und kommen so zu uns in die Arztpraxen. Sie müssen im Wartezimmer die Zeit totschlagen, werden quengelig und spätestens im Behandlungsraum sind sie hibbelig und stressen alle Beteiligten. Meine gute Nachricht: das muss absolut nicht so sein! Ich zeige euch einige Ideen, wie ihr aus der Situation das Beste machen könnt.
Alle Kinder als Begleitpersonen sind eines Tages die Patienten in eurer oder einer anderen Praxis. Die beste Herangehensweise ist es also, Kinder als zukünftige Patienten zu sehen und folgendes Ziel zu verfolgen: Vermittelt den Kindern ein positives Gefühl, um später die Angst vor dem Arztbesuch zu vermeiden.
Tipps für eine kinderfreundliche Arztpraxis
Was können wir MFA in den Arztpraxen machen, um Kindern die Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen und ihr Erlebnis bei uns positiv zu gestalten? Hier ein paar Anregungen von mir.
- Kinderfreundliche Gestaltung: Schafft für die Kinder eine bunte und einladende Ecke im Wartebereich mit Spielmöglichkeiten für verschiedene Altersklassen. Manche Praxen haben am Empfangstresen ein paar kleine Stufen, von denen die Kinder beispielsweise die elektronische Gesundheitskarte anreichen dürfen und die Mitarbeiter „auf Augenhöhe“ sehen können.
- Begrüßung: Besonders positiv ist es immer, wenn wir MFA im Umgang mit Kindern so geschult sind, dass wir kinderfreundlich kommunizieren können. Geduld, Empathie und oft auch eine gute Portion Humor sind dabei besonders wichtig. Eine erste Begrüßung, wie: „Guten Tag, der Herr/die Dame. Ich bin Steffi und wie heißt Du?“, kann das Eis brechen.
- Augenhöhe: Geht auf Augenhöhe mit dem Kind, um nicht zu sehr von oben herab zu kommunizieren. Gebt dem Kind Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen oder stellt selbst Fragen, um ein Gespräch in Gang zu bringen, wie: „Hast Du schon mal durch ein Stethoskop gehorcht?“
- Verständliche Sprache: Versucht, die Informationen, die ihr dem Elternteil während der Behandlung gebt, für die Kinder nochmals kindgerecht zusammenzufassen. So holt ihr das Kind ab und erklärt, was gerade passiert. Je transparenter ihr seid, desto weniger Unsicherheit spürt das Kind und desto weniger Angst wird es zukünftig vor einem Arztbesuch haben.
- Lob: Ihr dürft euch bei einem interessierten und aufmerksamen Kind auch dafür bedanken, dass es gut mitgemacht hat. Eine positive Rückmeldung oder ein Lob für den Mut, sich beim Arztbesuch alles genau anzuschauen, kann für die Zukunft Wunder wirken.
- Verabschiedung: Eine kleine Belohnung kann helfen, den Arztbesuch mit etwas Positivem zu verbinden. Manche Praxen haben einen Flummi-Automaten, für den das Kind am Ende eine Münze bekommt, um sich einen Flummi ziehen zu dürfen. Andere Praxen schenken kleine Aufkleber oder ein Spielzeug.
Das waren ein paar Ansätze, um den Kindern direkt etwas Gutes zu tun. Der entscheidende Faktor dabei, ob ein Kind Angst vor dem Arzt entwickelt oder nicht, sind aber die Eltern.
Tipps für eine sensible Kommunikation der Eltern
Auf der Ebene der Eltern zeige ich euch Möglichkeiten, die Eltern für ihre eigene Sprache und den Umgang mit dem Arztbesuch zu sensibilisieren.
Ich habe hier ein paar Sätze, die viele Kinder hören, übersetzt in das, was Kinder davon verstehen könnten und Tipps, wie man es anders machen kann.
1. Papa sagt: „Du brauchst keine Angst zu haben“, aber das Kind denkt, dass Papa meint: „Da kann etwas passieren, wovor ich Angst haben sollte“
Praxistipp: Sagt den Eltern, dass sie den Arzttermin im Vorfeld ähnlich behandeln sollten, wie einen normalen Ausflug zum Spielplatz.
2. Die MFA sagt: „Nein, die Spritze tut nicht weh“, aber danach stellt das Kind fest, dass es sehr wohl wehgetan hat.
Praxistipp: Sagt immer: „Es kann ein bisschen wehtun.“ Erkennt den empfundenen Schmerz danach an und entschuldigt euch, falls es schlimmer war, als erwartet, beispielsweise so: „Das war jetzt schlimm für Dich, es tut mir wirklich leid.“
3. Mama sagt: „Nach dem Arzttermin bekommst Du ein richtig tolles Eis“, das Kind wundert sich: „Warum braucht es so eine große Belohnung? Passiert da etwas Schlimmes?“
Praxistipp: Verdeutlicht den Eltern, dass sie besser keine Belohnung in Aussicht stellen sollen.
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Kinder als die Patienten von Morgen verstehen
Je weniger Brimborium die Eltern um den Arzttermin machen, desto weniger dramatisch kann ein Kind den Termin empfinden. Ist ein Kind als Begleitperson in der Praxis, ist es daher eine großartige Chance:
- Ihr könnt dem Kind mit meinen Tipps oben ein positives Gefühl vermitteln
- Ihr könnt dem Kind auch ein paar Dinge in der Praxis zu zeigen, ohne dass das Kind selbst behandelt wird
- Ihr habt die Möglichkeit, den Eltern zu erläutern, wie sie mit ihren Kindern kommunizieren sollten, um die Angst vor dem Arztbesuch für die Zukunft zu vermeiden
Wenn das Kind eines Tages als Patient bei euch behandelt werden muss, dann kläre ich vorab mit den Eltern, ob sie bei der Behandlung dabeibleiben werden. Außerdem sage ich bei Kindern ab Kleinkindalter (circa drei Jahren), dass wir MFA oder die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt das Sprechen mit dem Kind übernehmen. Diskussionen mit den Eltern sollten vor dem Kind in jedem Fall vermieden werden. So oder so ist bei Kindern (und Eltern) aller Altersklassen Fingerspitzengefühl gefragt.
Habt ihr Tipps für den Umgang mit Kindern in der Praxis? Welche Situationen fallen euch ein, die ihr oder eure Kollegen besonders gut gelöst habt bzw. haben? Ich bin gespannt auf euren Input!
Viele Grüße
Eure Steffi