Akute Krisensituation in der Arztpraxis: Bedrohung der Praxis-Mitarbeiter
Soeben waren wir noch im Alltags-Modus, doch plötzlich befinden wir uns unvorbereitet und unmittelbar in einer Gefahrensituation: Wir werden als Praxis-Mitarbeiter von einer externen Person bedroht, die sich randalierend und bedrohlich in den Praxisräumlichkeiten bewegt.
Je mehr Kollegen ich zu dem Thema Gewalterfahrungen in der Arztpraxis frage, desto deutlicher wird es, dass wir uns auf solche Situationen vorbereiten müssen. Dieser Artikel soll euch daher Handlungsempfehlungen geben, um in akuten Krisensituationen sicher und professionell zu reagieren.
Erkennen von Warnsignalen
Bedrohliche Situationen kündigen sich häufig durch bestimmte Verhaltensweisen an:
- Erhöhte Aggressivität oder Feindseligkeit
- Lautes oder bedrohliches Sprechen
- Invasion des persönlichen Raums
- Drohende Körpersprache oder Gesten
- Randalieren oder handgreiflich werden
- Aussprechen konkreter Bedrohungen
Es ist wichtig, diese Anzeichen frühzeitig zu erkennen, um angemessen reagieren zu können.
Deeskalationsstrategien
Hier sind einige Beispiele, wie ihr in einer bedrohlichen Lage deeskalierend reagieren könnt:
1. Ruhe bewahren und deeskalierend kommunizieren
- Sprecht ruhig und respektvoll mit dem aggressiven Patienten.
- Nutzt lösungsorientierte W-Fragen wie "Wie kann ich Ihnen helfen?" oder "Was erwarten Sie jetzt von mir?".
2. Abstand halten und Schutz suchen
- Wahrt eine Distanz von mindestens zwei Armlängen zum Aggressor.
- Nutzt Möbel wie den Tresen oder Schreibtisch als Schutzbarriere.
- Achtet auf Fluchtmöglichkeiten und lasst euch nicht in eine Ecke drängen
3. Klare Grenzen setzen
- Bei körperlicher Bedrohung streckt beide Arme vor der Brust aus und sagt laut "Stopp!".
4. Hilfe holen
- Ruft so früh wie möglich Kollegen oder Vorgesetzte zur Unterstützung hinzu.
- Zögert nicht, bei eskalierenden Situationen die Polizei zu rufen.
- Alarmierungssystem: Bestenfalls habt ihr in eurer Praxis ein System etabliert, mit dem ihr schnell Hilfe rufen könnt (z.B. Alarmknopf).
5. Potenzielle Gefahren im Blick behalten
- Achtet auf mögliche Gegenstände, die als Waffe missbraucht werden könnten.
- Räumt gefährliche Objekte wie Scheren oder Brieföffner weg.
6. Notfallplan aktivieren
- Folgt dem in der Praxis etablierten Notfallplan für solche Situationen.
- Nutzt vereinbarte Alarmierungssysteme, um schnell Hilfe zu rufen.
7. Dokumentation
- Erstellt nach dem Vorfall eine detaillierte Dokumentation mit Datum, Namen aller Beteiligten und Zeugen sowie dem genauen Ablauf.
Richtig mit den Patienten in der Praxis umgehen
Das Wartezimmer ist voll und die anderen Patienten könnten Teil der Gefahrenlage werden. Wie geht ihr also mit den anderen Patienten in der Praxis um?
- Patienten in Sicherheit bringen: Wenn möglich, sollten unbeteiligte Patienten aus dem Gefahrenbereich in einen sicheren Bereich der Praxis gebracht oder aus der Praxis geführt werden.
- Klare Anweisungen geben: Patienten sollten kurze und präzise Anweisungen erhalten, wie sie sich verhalten sollen, z.B. den Wartebereich zu verlassen oder in einem bestimmten Raum zu warten.
- Informationen bereitstellen: Soweit es die Situation zulässt, sollten Patienten knapp über die Lage informiert werden, um Gerüchte und Spekulationen zu vermeiden.
- Unterstützung anbieten: Besonders ängstliche oder vulnerable Patienten sollten, wenn möglich, zusätzliche Unterstützung oder Beruhigung erhalten.
- Fluchtwege freihalten: Es ist wichtig, dass Fluchtwege nicht durch wartende Patienten blockiert werden.
Nachsorge und Aufarbeitung
Nach einem bedrohlichen Vorfall ist es wichtig, diesen aufzuarbeiten.
- Sprecht mit Kollegen oder Vorgesetzten über das Erlebte.
- Nehmt psychologische Unterstützung in Anspruch, wenn nötig.
- Analysiert den Vorfall, um zukünftige Situationen besser zu bewältigen und nehmt diese Erkenntnisse in euren Notfallplan auf.
Denkt immer daran: Eure eigene Sicherheit hat oberste Priorität. Wenn ihr euch bedroht fühlt, ist es wichtig, euch in Sicherheit zu bringen und professionelle Hilfe anzufordern.
Schulungen zu diesem Thema sind heutzutage Teil der Praxisrealität. Nehmt daher regelmäßig an Deeskalations- und Selbstverteidigungskursen teil.
7 Schritte, um sich auf Gefahrensituation vorzubereiten
Um sich besser auf Notfallsituationen dieser besonderen Art vorzubereiten, können Arztpraxen folgende Maßnahmen ergreifen:
- Einen detaillierten Notfallplan erstellen und regelmäßig aktualisieren. Dieser sollte klare Abläufe und Zuständigkeiten für verschiedene Notfallszenarien festlegen.
- Regelmäßige Schulungen und praktische Übungen für das gesamte Praxisteam durchführen. Dies hilft, Abläufe zu verinnerlichen und gibt Sicherheit im Ernstfall.
- Notfallkriterien definieren, damit Mitarbeiter potenzielle Notfälle schnell erkennen können.
- Einen leicht zugänglichen Ablaufplan für Notfälle in der Praxis aushängen.
- Die Lage von Notfallausrüstung, Fluchtwegen etc. allen Mitarbeitern bekannt machen.
- Notfallsituationen im Nachgang im Team besprechen und auswerten, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren.
- Bei der Planung die individuellen Gegebenheiten der Praxis (Fachrichtung, Patientenklientel etc.) berücksichtigen.
Als MFA sind wir manchmal herausfordernden Situationen ausgesetzt. Mit dem richtigen Wissen und der entsprechenden Vorbereitung können wir jedoch professionell und sicher damit umgehen. Denkt immer daran: Eure eigene Sicherheit steht an erster Stelle. Zögert nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn ihr euch bedroht fühlt.
Durch regelmäßige Schulungen und offene Kommunikation im Team können wir gemeinsam ein sicheres Arbeitsumfeld in unseren Arztpraxen schaffen.
Seid ihr schon einmal in einer solchen Gefahrensituation in der Praxis gewesen? Wie seid ihr damit umgegangen? Was würdet ihr zukünftig anders machen wollen in solchen Situationen?
Viele Grüße
Eure Steffi