Schlaganfall – rechtzeitig erkennen und Komplikationen vermeiden

Schlaganfall – rechtzeitig erkennen und Komplikationen vermeiden

Der Schlaganfall ist eine hochgradig zeitkritische Erkrankung, bei der es auf ein rasches Erkennen und eine unverzügliche Akutbehandlung ankommt.

Mit dem FAST-Test lässt sich schnell und sensitiv abklären, ob ein Schlaganfall vorliegt.

Was ist ein Schlaganfall (Apoplex)?

Bei einem Schlaganfall (Apoplex) handelt es sich um eine plötzlich auftretende („schlagartige“) Schädigung von Hirngewebe aufgrund eines Gefäßverschlusses oder einer Hirnblutung.2,3 Gleichbedeutende Bezeichnungen sind Apoplex, Hirnschlag oder Hirninsult.4

Zu den Risikofaktoren für einen Schlaganfall zählen:5

  • Bluthochdruck
  • Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämien)
  • Vorhofflimmern
  • Diabetes mellitus
  • Carotisstenose
  • Atherosklerose
  • Lebensstilfaktoren (Stress, Übergewicht, Rauchen, Alkohol)

Ursachen und Formen des Schlaganfalls (Apoplex)

Nach der Pathogenese unterscheiden sich zwei Schlaganfall-Subtypen (Abb. 1):2

  • Ischämische Schlaganfälle (Hirninfarkt) sind mit 80 % aller Fälle am häufigsten und entstehen durch einen Gefäßverschluss. Dabei gehen etwa ein Viertel dieser Hirninfarkte auf kardioembolische (aus dem Herz stammende Embolie) und mikroangiopathische (Erkrankung der kleinen Blutgefäße) Ursachen zurück. Bei 10 % liegt eine Stenose (Verengung) hirnversorgender Gefäße vor. Ein Drittel der ischämischen Schlaganfälle lässt sich nicht eindeutig zuordnen (kryptogene Schlaganfälle).2
  • Hämorrhagische Schlaganfälle – darunter unter anderem primäre Hirnblutungen (10 % bis 12 % der Patienten) und Subarachnoidalblutungen (3 % der Fälle) – treten seltener auf.2
Ischämischer versus hämorrhagischer Schlaganfall
Abb. 1: Ischämischer versus hämorrhagischer Schlaganfall

Wichtig zu wissen:

Eine transitorisch ischämische Attacke (TIA) hat die gleiche Ursache wie ein ischämischer Schlaganfall. Allerdings ist diese neurologische Funktionsstörung innerhalb von 24 Stunden vollständig reversibel.2,6

Wie häufig sind Schlaganfälle?

In Deutschland treten pro Jahr rund 200.000 erstmalige und 70.000 wiederholte Schlaganfälle auf. Bis zu einem Drittel der Patienten versterben innerhalb eines Jahres nach dem Ereignis und 40 % der Überlebenden sind von erheblichen funktionellen Einschränkungen betroffen. Damit ist der Apoplex hierzulande die zweithäufigste Todesursache und einer der wesentlichen Ursachen für Behinderungen bei Erwachsenen. Prozentual gehen Schlaganfall-Neuerkrankungen und -Sterbefälle zwar zurück. Allerdings nehmen ihre absoluten Fallzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung zu.2

Schlaganfälle rechtzeitig erkennen

Bei einem Menschen mit Verdacht auf einen Apoplex zählt jede Minute, um die Schädigung des Hirns zu begrenzen. Umso wichtiger ist es, sie schnell zu erkennen.1 Die aktuellen Leitlinien empfehlen die Anwendung des FAST-Tests (siehe Kasten „FAST-Test: Schlaganfall-Anzeichen erkennen“).2,7 Er ermöglicht anhand typischer Schlaganfall-Symptome wie Lähmungen und Sprachstörungen eine einfache, schnelle Abklärung mit einer hohen Sensitivität von 82 %. Weitere Symptome für einen Schlaganfall sind beispielsweise plötzlich auftretende starke Kopfschmerzen, akuter Schwankschwindel und Sehstörungen.1

Die Durchführung des FAST-Tests sieht wie folgt aus (Abb. 2):8,9

  • Face (Gesicht): Bitten Sie die zu untersuchende Person zu lächeln oder die Zähne zu zeigen. Ein herabhängender Mundwinkel oder eine Asymmetrie der Gesichtshälften deuten auf eine halbseitige Lähmung hin.
  • Arm: Bitten Sie die Person, ihre Arme nach vorne zu strecken, zu heben und dann die Handflächen nach oben zu drehen. Falls die Person nicht beide Arme heben kann, ein Arm sinkt oder sich dreht, deuten diese Anzeichen auf eine Lähmung hin.
  • Sprache: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz sprechen. Falls sie nicht dazu fähig ist oder die Stimme verwaschen klingt, besteht möglicherweise eine Sprachstörung.
  • Time (Zeit): Falls einer der drei Tests Auffälligkeiten zeigt, rufen Sie unverzüglich den Rettungsdienst unter der Telefonnummer 112.
Apoplex erkennen: FAST-Test bei Schlaganfall
Abb. 2: Schlaganfall–Symptome

Der FAST-Test ist ein wichtiges Instrument, um Schlaganfallpatienten zu identifizieren. Allerdings hat er seine Grenzen:

  • Aufgrund seiner geringen Spezifität lassen sich mit dem FAST-Test andere Diagnosen nicht ausschließen.
  • Er erlaubt keine Schweregradbeurteilung, um beispielsweise Patienten zu identifizieren, die für eine endovaskuläre Schlaganfalltherapie (EVT, Öffnung des Gefäßverschlusses durch einen Katheter-gestützten Eingriff) infrage kommen.1
FAST-Test: Schlaganfall-Anzeichen erkennen

Die Abkürzung „FAST“ steht für:8,9

F: Face (Gesicht)
A: Arm
S: Speech (Sprache)
T: Time (Zeit)

Weitere Tests für die Schlaganfalldiagnostik

Neben dem FAST-Test werden bei Menschen mit (Verdacht auf) Schlaganfall verschiedene weitere Testverfahren zur Funktionsdiagnostik eingesetzt. Zwei Beispiele finden sich hier:

  • In der Klinik wird zur Akutdiagnostik des Apoplex häufig die National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) angewendet, die sich jedoch aufgrund ihres hohen Trainingsaufwands nicht für die prästationäre Versorgung eignet.1 Die NIHSS setzt sich aus Fragen zu elf Dimensionen zusammen, um zum Beispiel sensorische und motorische Fähigkeiten abzuklären.10
  • Zur Evaluation der Patienten nach einem Schlaganfall wird häufig die Rankin-Skala verwendet. Sie erfasst den Grad der Behinderung anhand verschiedener funktioneller Dimensionen.11

Prähospitale Akutbehandlung des Schlaganfalls

Die weitere ärztliche Notfallbehandlung von Menschen mit Verdacht auf Schlaganfall darf eine schnellstmögliche stationäre Einlieferung nicht verzögern. Das heißt, dass sich die Interventionen auf ein Minimum beschränken sollten.1 Die aktuelle S2e-Leitlinie zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls empfiehlt daher für die prähospitale Versorgung die folgenden Maßnahmen:7

  • Oberkörperhochlagerung mit Neutralposition des Kopfs (während des Transports).
  • Periphere Venenverweilkanüle anlegen für intravenöse Medikamentengabe und Infusionen (möglichst an der nichtparetischen Körperseite).
  • Blutdrucküberwachung und patientenindividuelle Blutdruckkontrolle; eine Empfehlung zur Akuttherapie des Blutdrucks besteht bei ≥ 220 mmHg systolisch oder ≥ 120 mmHg diastolisch.
  • Blutzucker messen: Bei einer Glukosekonzentration von < 60 mg/dl sollte mit Glukose behandelt werden (keine prähospitale Insulingabe).
  • Temperaturmessung: Bei einer Erhöhung über 37,5 °C kann die Gabe fiebersenkender Medikamente erwogen werden.
  • Sauerstoffsättigung überwachen: Sauerstoffgabe nur bei einer Sättigung < 95 %.

Kontraindiziert sind zu diesem Zeitpunkt intramuskuläre Medikamentengaben, Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer.7

Wichtig zu wissen:

Die Patienten mit Verdacht auf Apoplex sollten keinesfalls etwas trinken oder essen, weil bei einer etwaigen Schluckstörung (Dysphagie) ein hohes Erstickungsrisiko besteht. Daher sollten Schlaganfallpatienten innerhalb der ersten 24 Stunden hinsichtlich einer Dysphagie untersucht wurden.7

Stationäre Therapie des Schlaganfalls

Die Behandlung eines Apoplex ist zeitkritisch und komplex. Im Folgenden sind wesentliche Schritte der intensivmedizinischen Akutversorgung zusammengefasst:2,12

  • Patienten mit Schlaganfall sollten schnellstmöglich in einer spezialisierten Einheit (Stroke Unit) versorgt werden.
  • Eine kausale Therapie eines Schlaganfalls ist erst nach einer Differenzierung der vorliegenden Form mithilfe der bildgebenden Diagnostik möglich. Daher wird schnellstmöglich eine CT oder MRT durchgeführt – soweit möglich unter Kontrastmittelgabe, um die Gefäße darzustellen (CT-Angiografie oder MR-Angiografie).2
  • Die allgemeinen Maßnahmen zur Kontrolle der Basisfunktionen (Blutdruck, Blutzucker, Körpertemperatur und Sauerstoffsättigung) werden intensiviert.
  • Bei einem ischämischen Schlaganfall ist es das Ziel, den Gefäßverschluss schnellstmöglich wieder zu öffnen (Rekanalisation) und die Durchblutung wiederherzustellen (Reperfusion) – entweder mit Lyse-Medikamenten (Thrombolyse) oder mechanisch mit einer Thrombektomie.2
  • Bei einem hämorrhagischen Schlaganfall steht die schnelle Blutdrucksenkung im Vordergrund. Bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen kann eine Thrombozytentransfusion oder die Gabe von Gerinnungsfaktoren sinnvoll sein. Einige Patienten kommen für eine Operation infrage, um den Druck im Schädel zu senken.12
  • Bei Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall besteht ein hohes Rezidivrisiko. Daher werden sie bereits in der Akutphase mit Medikamenten gegen die Bildung neuer Blutgerinnsel behandelt.2

Frühzeitige Rehabilitation von Menschen mit Schlaganfall

Neben der medizinischen Behandlung ist die frühzeitige Rehabilitation der Schlaganfallpatienten durch geschulte Pflegekräfte und ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie wichtig. Die S2e-Leitlinie empfiehlt, 48 Stunden nach dem Schlaganfallereignis mit einer Mobilisierung durch Pflegekräfte und Physiotherapeuten zu beginnen – sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen. Zum Beispiel sollten Patienten mit einem leichten bis mittelschweren Schlaganfall häufige, kurze Aktivitäten außerhalb des Bettes durchführen (Abb. 3). Mit einer frühzeitigen gezielten Ergotherapie sollen beispielsweise Defizite in der Feinmotorik der Hand oder kognitive Einschränkungen verbessert werden.13

Nach der Frührehabilitation folgen im Behandlungsverlauf weitere ambulante und/oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen.2

Bewegungstraining nach Schlaganfall
Abb.3: Bewegungstraining nach Apoplex

Im Beitrag „Das Bobath-Konzept: Ziele und Umsetzung in der Pflege“ erfahren Sie mehr über dieses häufig bei Patienten mit Schlaganfall und anderen neurologischen Erkrankungen eingesetzte Rehabilitationskonzept.

Die besondere Rolle der Pflege in der Schlaganfallversorgung

Pflegefachkräfte spielen in der Versorgung von Schlaganfallpatienten eine zentrale Rolle. Sie übernehmen beispielsweise das Monitoring von Vitalparametern und die Überwachung der Patienten. Überdies koordinieren sie die Diagnose- und Therapiemaßnahmen sowie die Zusammenarbeit zwischen Therapeuten, Funktionsabteilungen, Patienten und Angehörigen.14

Nach der Akutphase verlagert sich der Schwerpunkt in der Pflege auf zwei Aufgaben:15

  • Die Sekundärprävention eines weiteren Schlaganfalls vor allem durch die Überwachung einer geeigneten Medikation (v. a. gerinnungshemmende Medikation), da ein hohes Rezidivrisiko besteht. 
  • Die Prävention und Behandlung typischer Schlaganfallkomplikationen (siehe unten)

Mit Blick auf Schlaganfallkomplikationen ist es wichtig, auf diese Aspekte besonders zu achten:15

  • Dysphagie und damit verbundene Aspirationspneumonie
  • Harnverhalt und/oder Harnwegsinfektionen
  • Verstopfung
  • Kognitive Beeinträchtigung nach einem Schlaganfall
  • Depressionen
  • Delirium
  • Venöse Thromboembolien (Thromboseprophylaxe)
  • Schmerzen
  • Druckgeschwüre (Dekubitus)
  • Sturzrisiko

Schlaganfallkomplikationen vorbeugen: Dekubitus und Stürze

Das Risiko für einige der oben genannten Komplikationen lässt sich mit geeigneten pflegerischen Maßnahmen verringern – dazu zwei Beispiele.

Hohes Dekubitus-Risiko – auch nach der Krankenhausentlassung

Literaturangaben zufolge beträgt die Dekubitus-Inzidenz bei Patienten mit schlaganfallbedingten Lähmungen 20 % bis 70 %.15 Dabei gehen Dekubitus-Erkrankungen bei Schlaganfallüberlebenden auf eine komplizierte und multifaktorielle Pathogenese zurück. Risikofaktoren sind unter anderem:17

  • Eingeschränkte Mobilität
  • Sensorische Beeinträchtigungen
  • Inkontinenz

Ein hohes Dekubitus-Risiko besteht bei Schlaganfallpatienten insbesondere nach der Entlassung aus dem Krankenhaus im häuslichen Umfeld.1

Um der Entstehung eines Dekubitus vorzubeugen, sollten u. a. unterschiedliche Möglichkeiten der Positionierung des Patienten, individuelle Beratungsangebote sowie eine kontinuierliche Hautpflege und -inspektion in die Pflegeplanung integriert werden.

Sturzprävention zur Vorbeugung weiterer Komplikationen

Bis zu 73 % der Schlaganfallpatienten stürzen innerhalb eines Jahres nach dem Ereignis. Stürze können zu erheblichen Aktivitätseinschränkungen führen und ziehen häufig Folgestürze nach sich.18 Hinter dem hohen Sturzrisiko nach einem Schlaganfall steht ein komplexes Ursachenpaket, darunter:19

  • Abnahme neuromotorischer Fähigkeiten durch Grunderkrankungen, die zu dem Schlaganfall geführt haben
  • Muskelschwäche
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Sensorische Störungen
  • Räumliche und zeitliche Gangstörungen
  • Eingeschränkte Mobilität

Zu den Sturzpräventionsmaßnahmen gehören beispielsweise Anpassungen des persönlichen Umfelds, Hilfsmittel wie Rollatoren sowie gezielte Übungen, um die schlaganfallbedingten Einschränkungen zu verbessern.19

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.