Acne inversa
Acne inversa, auch bekannt als Hidradenitis suppurativa, ist eine chronische Hauterkrankung.
Haarfollikel der betroffenen Hautregionen entzünden sich. Folge sind schmerzhafte, tief lokalisierte Hautläsionen und daraus hervorgehende ausgeprägte Vernarbungen. Die häufigste Lokalisation ist in den Leisten.
Auslösend ist wahrscheinlich ein komplexes Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Veranlagung. Rund 1% der Bevölkerung leidet unter wiederkehrenden Entzündungen der Haarfollikeln.
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Was ist Acne inversa?
Acne inversa ist eine chronische, rezidivierende Entzündung der terminalen Haarfollikel.
Die Erkrankung geht mit schmerzhaften, tief lokalisierten, entzündlichen Hautläsionen wie Fisteln, Knoten, Abszessen und Vernarbungen einher. Häufig sind die drüsenreichen Hautregionen betroffen. Die häufigste Lokalisation ist in den Leisten (90%) gefolgt von den Achseln (70%), der perianalen Region (37%) und unter der weiblichen Brust (submammär) (19%). Oftmals ist mehr als eine Region betroffen und bei großen Befunden können die Schweißdrüsen involviert sein.
Acne inversa zählt zur follikulären Okklusionstetrade, da eine Hyperkeratose und die Okklusion der Haarfollikel zentral sind. Damit ist sie verwandt mit dem Sinus pilonidalis, wobei die Ursachen für Acne inversa noch immer nicht vollständig geklärt sind.
Wann tritt die Erkrankung das erste Mal in Erscheinung?
In der Regel tritt die Acne inversa nach der Pubertät auf. Es gibt aber auch Betroffene mit ersten Anzeichen im Kindesalter (10-12 Jahre). Oft endet die Erkrankung mit einer Spontanheilung in den 50ern.
Ursachen der Acne inversa
Wahrscheinlich löst ein komplexes Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Veranlagung die Acne inversa aus.
Eine genaue Ursache, warum diese Erkrankung entsteht, ist bislang ungeklärt. Es wird vermutet, dass es ein multifokales Geschehen ist, in dem mehrere Komponenten aufeinander treffen, z.B.:1,2
- Fehlfunktion des Immunsystems: Nachweislich gibt es eine hohe Komorbidität zu Autoimmunerkrankungen wie rheumatischen Erkrankungen (ca. 50%) und Morbus Crohn (ca. 30%).
- Ausschüttung entzündungsfördernder Stoffe: Die angeborene Immunantwort scheint eine Rolle bei der Krankheitsentstehung zu spielen. In den Hautläsionen von Betroffenen konnten eine erhöhte bzw. verringerte Menge an bestimmten Zytokinen nachgewiesen werden.
- Genetische Disposition: Frauen sind häufiger betroffen als Männer und es gibt eine hohe familiäre Prävalenz. In mindestens 30% der Fälle sind Familienmitglieder ebenfalls an Acne inversa erkrankt.
- Rauchen: Rauchen ist einer der wichtigsten Triggerfaktoren für eine Acne inversa. Dies bestätigen wissenschaftliche Studien. Der Anteil an Rauchern unter Patientinnen und Patienten mit Acne inversa liegt zwischen 75% und 85%. Es ist bisher noch unklar, ob ein Rauchstopp zu einer Verbesserung der Erkrankung führt.
- Adipositas: Übergewicht ist ein weiterer bedeutsamer Auslöser der Acne inversa. Etwa 50% aller Betroffenen sind adipös.
Die deutschsprachige S1 Leitlinie zur Behandlung von Acne inversa ist derzeit aus dem Jahr 2012 und wartet auf eine Überarbeitung1. Im Jahr 2015 wurde im Journal of The European Academy of Dermatology and Venereology eine englischsprachige, europäische S1 Leitlinie zur Behandlung der Acne inversa veröffentlicht5.
Die Hurley-Skala
Die Hurley-Skala ist immer noch die weitverbreitetste Klassifizierungsmöglichkeit der Acne inversa.
Es gibt weitaus detailliertere Messmethoden als die Hurley-Skala zur Klassifikation einer Acne Inversa, diese sind aber zeitlich sehr aufwendig und teilweise subjektiv1. Die Hurley Skala beruht auf den folgenden Scores:
Stadium 1: Hier finden sich einzelne Beulen, Abszesse oder erbsengroße Knoten. Es sind keine eindeutigen Entzündungszeichen vorhanden und keine Fisteln ersichtlich.
Stadium 2: Es finden sich ein oder mehrere auseinanderliegende Abszesse. Fistelgänge sind sondierbar und man kann Narbenbildungen ersehen.
Stadium 3: Flächiger Befall großer Hautareale. Massive Abszessbildung mit Fistelgängen und Narbenzügen.
Oft befindet sich der Betroffene in allen 3 Stadien gleichzeitig!
Diagnose
Die Diagnosestellung ist nicht immer einfach. Gerade zu Krankheitsbeginn ähnelt die Acne inversa anderen Erkrankungen, wie beispielsweise einfachen Abszessen oder der klassischen Akne. So vergehen manchmal Jahre bis zur richtigen Diagnosestellung1,2.
Primäre Diagnosekriterien
Die primären diagnostischen Kriterien sind rezidivierende, schmerzhafte oder eitrige Läsionen mehr als 2 Mal in 6 Monaten in der Anamnese und die Beteiligung von Achselhöhlen, Leisten, Damm, Gesäßbereich und dem Brustbereich bei der Frau. Follikuläre Pusteln (Follikulitis), Knötchen, Abszesse, Zysten, Fisteln und Narbenbildung begleiten die Erkrankung.
Sekundäre Diagnosekriterien
Knapp ein Drittel aller Patientinnen und Patienten mit Acne inversa besitzen Familienmitglieder, die ebenfalls von der Hautkrankheit betroffen sind. Deshalb ist eine Erhebung der Familienanamnese ein wichtiger Bestandteil des diagnostischen Prozesses. Da Rauchen und Übergewicht die Acne inversa triggern, sollte auch nach Tabakkonsum gefragt und der BMI bestimmt werden. Zudem sollte die Besiedlung der Haut mit Pathogenen und Keimen ausgeschlossen werden.
Labordiagnostik
Aktive Entzündung können eine Erhöhung der Blutkörperchen, Senkungsgeschwindigkeit und/oder des C-reaktiven Proteins aufweisen.
Bildgebende Diagnostik
Die Ausdehnung der Läsionen kann durch Ultraschalluntersuchungen oder MRT bestimmt werden.
Die Diagnose wird klinisch durch Inspektion, Palpation und ggf. Fistelsondierung gestellt. Zusätzlich kommen Labordiagnostik und bildgebende Verfahren zum Einsatz.
Behandlung
Behandlungsmöglichkeiten sind multimodal und individuell. Bei tiefen Läsionen ist die chirurgische Therapie oft unumgänglich.
Die Acne inversa ist eine chronische Krankheit und zum heutigen Zeitpunkt noch nicht heilbar. Es stehen aber eine Reihe von Therapieansätzen zur Verfügung, die eine Symptomlinderung bewirken1:
Topische Therapie
Die topische Therapie umfasst klassischerweise lokale Antibiotika und Cortison. Gerade bei oberflächlichen Läsionen kann 1% Clindamycin Schmerzen und Sekretion von Pus reduzieren. Betroffene haben oft eigene, zusätzliche Methoden entwickelt, die ihnen Linderung verschaffen. Dazu zählen Diclofenac-Verbände, Abszess- oder Jodsalben, Salzbäder oder die Verwendung von antibakteriellen Waschlotionen.
Systemische Therapie
Systemische Antibiotika reduzieren die Bakterienkolonisation und hemmen entzündungsfördernde Mechanismen. Üblicherweise sind die Wirkstoffe Clindamycin und Rifampicin Mittel der ersten Wahl.
Eine Alternative zur Antibiotikagabe ist eine Behandlung mit Biologika in Form von Antikörpern. Antikörper, wie beispielsweise Infliximab und Adalimumab, wirken entzündungshemmend und immunsuppressiv. Patientinnen mit mittelschwerer Acne inversa, die nicht auf eine Antibiotikatherapie ansprechen oder gleichzeitig an einem Syndrom der polyzystischen Ovarien leiden, können von einer oralen, hormonellen antiandrogenen Therapie profitieren.
Eine weitere Therapieoption ist die orale Gabe von Retinoiden. Diese Substanzen besitzen ähnliche biologische Eigenschaften wie Vitamin A. In der Haut haben Retinoide immunmodulierende Eigenschaften und bremsen die Einwanderung von Entzündungszellen. Isotretionin wird jedoch zunehmend kritischer beurteilt, da in Studien keine ausreichende Wirksamkeit belegt werden konnte. Eine bessere Wirkung, allerdings auch mit mehr Nebenwirkungen, gab es unter Acitretin. Hier ist aber bei Frauen auf eine wirksame Empfängnisverhütung zu achten, da das Mittel teratogen ist.
Sowohl topische als auch systemische Medikation sollte über mehrere Monate angewendet werden. Zwar lassen sich damit Therapieerfogle erzielen, es kommt aber sehr häufig zu Rezidiven, die erneut behandelt werden müssen.
Laserbehandlungen
Mittels Laserbehandlung können Läsionen abgetragen oder Haarfollikel zerstört werden. Dadurch eignet sich die Laserbehandlung auch zur dauerhaften Haarentfernung. Diese wird nur im Stadium 1 und 2 durchgeführt, da die Läsionen in Stadium 3 bereits zu groß sind.
Operative Verfahren
Unterschiedliche chirurgische Verfahren kommen bei der Acne inversa zum Einsatz. Die Art und Schwere der Beschwerden und die Lokalisation entscheiden über die Behandlung.
Bei der Abszessspaltung wird der Abzess geöffnet. Dadurch kann der Eiter abfließen und es kommt zu einer kurzfristigen Schmerzlinderung. Ähnlich funktioniert die Abdeckelung (Deroofing). Der Abzess wird operativ abgedeckelt und entleert. Auch dieses Verfahren erzielt keine vollständige Heilung.
Radikaler und effektiver ist die operative, weiträumige Entfernung des betroffenen Gewebes, die Exzision.
Die postoperative Behandlung
Im Anschluss an die Exzision wird überwiegend die sekundäre Wundheilung angestrebt, die je nach Ausmaß der Wunde 2 bis 3 Monate dauern kann. Je nach Größe des entfernten Gewebebereichs, ist auch eine VAC oder eine Defektdeckung mittels Spalthauttransplantation möglich.
Die Versorgung der offenen Wunde beginnt mit dem Auftragen eines Antiseptikums. Je nach Exsudatmenge kann die Wunde mit einem Superabsorber oder einer Saugkompresse abgedeckt werden.
Bei nachlassender Exsudatmenge kommen antimikrobielle Schaumverbände oder für tiefere Wunden Hydrofasern oder Alginate zum Einsatz.
Bei der Fixierung der Wundauflagen nach Möglichkeit Mullbinden wählen. Sollte das nicht möglich sein, eignen sich Schaumverbände mit Silikonhaftrand, Fixiermull oder Folien. Diese sollten aber möglichst max. 1 bis 2 cm über den Wundrand hinausragen, um das umliegende Gewebe nicht zu reizen.
Komplikationen
Im Krankheitsverlauf können Komplikationen wie Erysipel (bakterielle Infektion und Entzündung), Weichteilphlegmone (Weichteilinfektion), Sepsis und Lymphödeme (vor allem Elephantiasis im Genitalbereich) auftreten. Selten kommt es zu malignen Entartungen in Form von Plattenepithelkarzinomen. Die Vernarbungen können zu Bewegungseinschränkungen führen, die wiederum die Entstehung von Übergewicht begünstigen. Ist der Genito-Anal-Bereich betroffen, können die Läsionen zu einer Verengung von Urethra, Anus und Rektum führen. Bei langanhaltender Krankheit sind Anämien oder Hypoproteinämien möglich.
Psychische Folgen
Menschen mit Acne inversa stehen oft unter einem großen psychischen Leidensdruck.
Fälschlicherweise wird die Krankheit mit mangelnder Hygiene assoziiert, weshalb es Betroffenen schwerfällt, über die Acne inversa zu reden oder ärztlichen Rat zu suchen. Aufgrund von Schamgefühl und Schmerzen meiden Betroffene den Kontakt zu Freundeskreis sowie Kolleginnen und Kollegen. Selbst Paarbeziehungen können an der Krankheit zerbrechen. Die Folge dieses sozialen Rückzugs sind Ängste, erhöhte Suchtgefahr, Depressionen oder gar Suizid1.
Tipps für Betroffene
- Frühzeitiges Handeln verbessert den Krankheitsverlauf.
- Der Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe hilft im Umgang mit der Erkrankung.
- Acne inversa setzt den Körper in einen erhöhten Stresszustand. Gleichzeitig kann Stress den Krankheitsverlauf stark negativ beeinflussen. Für Betroffene ist es förderlich, alltäglichen Stress gar nicht erst aufkommen zu lassen und Strategien für einen aktiven Stressabbau zu entwickeln. Eine Möglichkeit ist das Erlernen von Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Meditation. Wichtig ist, jene Methode zu finden, die zu einem passt und Spaß macht.
- Bestehendes Übergewicht sollte abgebaut werden. Eine kohlenhydratarme und eiweißreiche Diät hilft auf dem Weg zum Idealgewicht und kann zur Besserung der Symptome führen.
- Eine Nassrasur fördert die Erkrankung. Laser oder Haartrimmer entfernen Haare hautschonender und sind eine gute Alternative zu Nassrasierern. Auch Deodorants und Parfums reizen die Haut unnötig.
- Fisteln und Abszesse sollten nur von geschultem Fachpersonal geöffnet werden.
- Weite und luftige Kleidung beugt Schweißbildung vor. Das regelmäßige Waschen der Bettwäsche und Kleidung bei mindestens 60°C tötet Keime ab.
- Auf Nikotin sollte verzichtet werden.
Acne Inversa ist eine Hauterkrankung mit einer starken psychischen Belastung. Die Lebensqualität der Betroffenen ist stark eingeschränkt.